Schnitte und deren Quellen

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user3444

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Ich hätte da mal ein paar Fragen auf die ich keine Antworten weiss. Es sind teilweise Aussagen die ich gelesen/gehört habe, aber keinerlei Hinweise dazu gefunden habe. 1) Schulternaht ja oder nein und wenn ja ab wann? Ich habe gehört dass im Frühmittelalter Kleidung teilweise ohne Schulternaht war, kann dafür weder Belege finden, noch kann mir jemand sagen ob es nur in einer bestimmten Zeit so war und wo das ganze gewasen sein soll. 2) Armkugeln nur im Hochmittelalter? Ich habe bei einigen Schnitten von Wikingerkleidung auch Armkugeln gesehen? Hat die Armkugel etwas mit der Zeit mit der Region oder mit dem Stand zu tun? Ich bin etwas verwirrt, denn mein letzter Stand war, dass es Armkugeln nur im Hochmittelalter so ab 1250 gab. 3) In einem Internetladen, der mir relativ gut vor kam, hiess es in etwa ".. den für das Frühmittelalter typischen A -Schnitt". Ich habe vorher noch nie was davon gehört? Ich habe eher gedacht im Frühmittelalter um ca 1000 gab es eher die Schnitte mit den Kasten und Dreieckenformen (wobei ich da bei den Wikingern schon andere Schnitte gesehen habe). Ist das auch wieder Regional unterschiedlich? Vielleicht weiss ja jemand eine Antwort auf diese Themen, vielleicht sogar mit Quellenagaben. Ich hoffe die Fragen sind nicht zu seltsam, aber bisher konnte ich kaum eine Antwort da drauf finden.
 
Hallo Rowena, das Grundproblem liegt darin, dass nur wenige Textilien vollständig erhalten sind und man daher für Rekonstruktionen oft ein paar Fetzen und Abbildungen angewiesen ist. Was daraus abgeleitet wird, ist dann oft sehr verschieden. Aber wenn Du Funddokumentationen bzw. Schnittrekonstruktionen suchst, guck mal auf die Seite von Marc Carlsson (Some Clothing of the Middle Ages) und in das Buch Kleidung im Mittelalter von Katrin Kania. Wenn Du dir die Funddokumentationen ansiehst, wird zum Thema Schulternaht allerdings schnell klar, dass es da offenbar keine durchgehende zeitliche Systematik gibt (oder diese aufgrund der geringen Fundlage nicht erkennbar ist). Teilweise hat man einfach ein Loch für den Kopf in eine Stoffbahn geschnitten und seitlich Arme angesetzt, teilweise aber auch Schulternähte gemacht. Allerdings scheinen bei der Oberbekleidung Schulternähte zu dominieren, während es bei der Unterbekleidung mehr "Abwechslung" gibt. Das Thema Armkugel ist heiß umstritten. Auch da ist immer die Frage wer wann was rekonstruiert hat. Je älter die Rekonstruktion ist, desto wahrscheinlicher wird eine Armkugel auch vor dem Hochmittelalter angenommen. Dann kam das Dogma, keine Armkugeln vor 1200. Wenn ich mir allerdings einige Bilder aus dem 12. Jh. ansehe, bin ich mir da nicht so sicher, ob die nicht schon früher aufkamen. Aber auch hier: Es fehlt ein entsprechender Fund. Zum Frühmittelalter kann ich Dir wenig sagen. Aber wenn Du dir den Kittel des Mannes von Bernuthsfeld ansiehst, dann ist da wenig mit A-Linie.
 
Vermutlich kommt das mit der A-Linie von der Optik solcher Kleidungstücke, denen ab der Achsel Geren eingesetzt wurden. Ein solcher Kittel ist dann zwar nicht A-förmig zugeschnitten, sieht aber genauso aus.
 
vielen Dank für die Antworten... werde mal schauen was ich noch genaueres bei den Quellen bekomme
 
Für Haithabu hat Inga Hägg Armkugeln durchaus bestätigt. Allerdings von der Form her genau gegensätzlich zu späteren Armkugeln. Der Ärmelansatz ist nach innen gewölbt, die Schulterpartie nach außen. In späterer Zeit ist das genau andersherum. Näheres zu Finden in: Die Textilfunde aus dem Hafen von Haithabu, S. 58-60
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Was Armkugeln angeht, so gibt es ja den Funde des Kleides aus Moselund (DK) - das ist auch auf der Site von Marc Carlson zu finden. Die ist im Augenblick nach C14 zwischen 1050 und 1150 datiert. Thorsten
 
Wenn die Armkugel genau gegensätzlich war, war das beim tragen nicht eher unbequem, wenn ich bedenke dass es als Frau durchaus doch oben herum doch teilweise etwas enger werden könnte, ausser man macht den Schnitt sehr weit?
 
Nach dem, was ich gehört habe, ist das Gegenteil der Fall: Der eng Sitz stützt die Brust und der zusätzliche Stoff im Rücken sorgt für eine "Bewegungsreserve" die es der Trägerin ermöglicht, die Arme nach vorn und nach oben zu strecken, ohne dass etwas verrutscht. Sehr schön erklärt ist das in den Artikeln bei La Cotte Simple (Quelle: La Cotte Simple), auch wenn die dort vorgestellten Modelle aus dem Spätmittelalter sind.
 
Wenn die Armkugel genau gegensätzlich war, war das beim tragen nicht eher unbequem, wenn ich bedenke dass es als Frau durchaus doch oben herum doch teilweise etwas enger werden könnte, ausser man macht den Schnitt sehr weit?
Ob die Wölbung nun konkav oder konvex ist, ist doch egal, weil man so oder so immer auf die gleiche Fläche Stoff am Ende kommt. ?( Die engen Schnitte und die Stützfunktion, die ja auch Eilika schon anspricht, passen für mich auch gut zusammen. Ist es für das HoMA nicht sogar belegt, dass die Damen jeden Morgen in ihre Kleider eingenäht wurden, damit sie eben genau so figurbetont/stützend sind? (bis dann Knöpfe und Schnüre diese Prozedur ersetzten) Für die sehr figurbetonte Kleidung in Haithabu weiß ich nur, dass man es teilweise vermutet.
 
Ob die Wölbung nun konkav oder konvex ist, ist doch egal, weil man so oder so immer auf die gleiche Fläche Stoff am Ende kommt.
Genau das passiert ja nicht. Nach heutiger Schnittführung sitzt die konvex geschnittene Kante und damit der meiste Stoff an der Schulter, d. h. die Ärmel hängen glatt hinunter. Im Mittelalter (und auch in der Renaissance) waren die Ärmel so geschnitten, dass sich im der konkave Teil an der Brust (bzw. der konvexe im Rücken) befand. Derartig zugeschnittene Kleidungsstücke haben einen leichten Buckel im Rücken und die Ärmel fallen nach vorne. Das Einnähen bezog sich aber m. W. nur auf die Ärmel des Unterkleids, die ebenfalls möglichst eng sitzen sollten und auf keinen Fall verrutschen durften (mein Avatar zeigt schon ein bisschen viel Haut ums Handgelenk). :schock1
 
Wieso schneidet man Gewänder so, dass sie einen Buckel erzeugen? Die spinnen doch die Mittelaltler... :D Gilt das nur fürs Hochmittelalter? Irgendwie hatte ich die Wölbung des Haithabuärmels sehr mittig in Erinnerung. ?( Und hab es bisher auch immer so genäht. Aber nach deinem Text, Eilika, werde ich da wohl nochmal nachsehen müssen. War es nicht auch so, dass die Ärmellängsnaht auf der Armoberseite oder der Armrückseite verlief und nicht wie heute unten? Hab nur grad weder einen Beleg noch Gegenbeleg dafür zur Hand. :(
 
Das gilt sogar noch bis in die Renaissance (wo die Köpfe auf Bildern oft falsch herum montiert scheinen) wie z. B. bei dem jungen Mann links im Bild (Quelle: Wikipedia). Und ja, wenn Du den Bogen "andersrum" schneidest und an die vordere Stoffbahn annähst, wandert die Ärmelnaht automatisch auf die Rückseite des Ärmels. Allerdings kann es sein, dass Wiki-Ärmel anders konstruiert sind.
 

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