Ich muss gestehen dass ich jetzt ein bisschen verwirrt bin. Wenn der klassische Marktwolpertinger auf dem Ma-Markt den Klassiker gibt: "100% A geht eh nicht, also mach ich, was ich will" gibt's beef und die ganze Authentika spielt genüsslich ******** Bingo. Und jetzt wird hier genau diese Aussage nur mit wohlfeilen Worten selber gebracht? Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ich etwas extrapoliere, mich ihm experimentell annähere oder spekuliere,
weil es zum Original keine ausreichenden Quellen gibt oder ob ich etwas abändere, von dem ganz klare, knallharte Belege exisiteren. Wir reden hier davon, dass man zum Beispiel
[...] wie hier ein ganz bestimmtes Grab nacharbeiten möchte [...]
Hab ich da was mit "ganz bestimmt" missverstanden? Oder liege ich falsch, wenn ich "nacharbeiten" nicht mit "mich davon inspirieren lasse" gleichsetzen möchte? Was genau ist denn nun eine
An welcher Stelle in der Rekonstruktion beginnt denn das (unzulässige) Abwandeln? Beginnt sie bereits, wenn statt handgewebter Stoffe industriell gefertigte Ware verwendet wird? Oder bei nicht-pflanzlicher Färbung? Bei einer nicht exakt so gefundenen Kombination aus Textil und Farbe? Beginnt die Abwandlung nicht schon in dem Moment, wo jemand die Abmessungen eines Fundstücks auf seine eigenen Maße anpasst?
Wenn es sich tatsächlich um eine Rekonstruktion handelt, dann: 1. ja 2. ja 3. ja 4. kommt m.E. ein wenig auf den Unterschied der Maße an. Wenn Hella von Sinnen sich das Hochzeitskleid von Aschenbrödel näht, würde ich das nicht mehr guten Gewissens als Rekonstruktion durchgehen lassen. Um sich aus dieser Genauigkeitsmisere rauszuziehen, habe ich persönlich überhaupt nichts gegen Begriffe wie z.B. "optische Rekonstruktion" (= Will nur zeigen, wie es ausgesehen haben könnte, habe aber darauf verzichtet, Material und handwerkliche Prozesse originalgetreu zu gestalten). Ich habe damals in der Diskussion rund um die Aachener Erklärung, die ich selber in voller selbstkritischer Kenntnis meiner Möglichkeiten übrigens nie unterzeichnet habe, dafür auch den Begriff der "didaktischen Rekonstruktion" vorgeschlagen, weil es etwa zur begrenzten Wissensvernittlung z.B. an Schulen in den allermeisten Fällen gar nicht notwendig ist, die richtig große Keule auszupacken. Schon gar nicht, wenn man Schüler mal reinschlüpfen oder gar eine Zeit lang drin lassen will. In der Lehre ist eine sogenannte "didaktische Reduktion" nichts Ehrenrühriges, im Gegenteil, meist sogar unerlässlich. Oder auch den Begriff der "Annäherung an ein Original", weil man da nämlich genau festlegen (und auch sagen) kann, wie weit man sich annähern will. Also genau das, was Du, Hendrik, oben anführst. Ich bin als Didaktiker sehr empfindlich bei der Verwendung von Begriffen, da ein Begiff beim Empfänger immer eine Erwartung auslöst. Und wenn ich von "Rekonstruktion" spreche, dann muss ich davon ausgehen, dass der Empfänger ein Bild von einer möglichst originalgetreuen Sache vor sich hat, auf die er sich verlassen kann. Wenn ich muich einer Sache also annähern oder mich von ihr inspirieren lassen möchte, dann habe ich dagegen überhaupt nichts einzuwenden, nur - dann habe ich nicht rekonstruiert.