Versuch und Irrtum - oder wie eine Recherche gründlich daneben gehen kann

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Mara

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Hier mal eine kleine Anekdote, die sich im Rahmen der Recherche für meine Projekt "Zisterzienserin 12./ 13. Jh.) ereignet hat. Im Buch Ecclesia offizia, dem Gebräuchebuch der Zisterzienser aus dem 12. Jahrhundert (http://www.shop-mariawald.de/buch-u...tur/quellen-und-studien/ecclesia-officia.html) haben wir im Rahmen der einzelnen Kleidungsstücke gelesen, dass ein Mönch, der gezüchtigt werden soll, beide Arme durch die Halsöffnung seiner Tunika stecken soll, um diese bis zum Gürtel hinunter ziehen zu können. ?( ?( ?( Fragende Blicke zwischen meiner besseren Hälfte und mir. Wie sollte das denn funktionieren? In Gedanken gingen wir sämtliche mittelalterliche Unterwäschestücke durch, die wir besaßen. Aber auch die, deren Halsöffnung recht weit geschnitten war, kamen dafür nicht in Betracht. Wir versuchten es erst gar nicht. Also grübelte ich hin und her und hatte schließlich eine Idee. Bevor ich bei unklaren Sachen die Schere an teuren Wollstoff setze, mache ich sowieso manchmal erst einmal einen Test mit billigem Stoff. Das muss dann auch nicht maßstabsgetreu sein. Hier mal meine Variante mit gschlossenem Halsauschnitt: http://img5.fotos-hochladen.net/uploads/tunikageschlosbfldi60hws.jpg und hier mit offenem Halsausschnitt: http://img5.fotos-hochladen.net/uploads/tunikaoffenjxeq1lmsb6.jpg (Bitte nicht auf die Nähte achten, bei Musterstücken ziehe ich nicht immer einenn passenden Faden in die Maschine und ja, die Ärmel habe ich aus Versehen links herum eingenäht - sollte halt schnell gehen.... :D ) Aber ich war verdammt stolz auf mein Werk und rein theoretisch hätte es ja so auch funktionieren können. Hätte..... .....wenn ich nicht Tage später zum Thema Leinen etwas im Buch "Ordensleben und Lebensstandard" (http://www.amazon.de/Ordensleben-Le...bendländischen-Hochmittelalters/dp/3931278182) recherchiert hätte und über folgende Aussage gestolpert bin:
"Wenn ein Mönch geschlagen werden soll, muss der obere Teil des Hemdes durch Einschnitte rechts und links gelöst werden, damit der Bruder die Arme oben herausziehen und das Hemd mit den Ärmeln gegen die Hose binden kann." (Antiquiores consuetudines Cluniacensis monasterii colletore Udalrico)
Petrus Venerabilis verbietet später,
"... dass die Hemden nach altem Brauch bei der Bestrafung zerschnitten werden, sondern sie sollen ganz bleiben und ausgezogen werden, damit das Übel der zerschnittenen Hemden aufhöre und der gänzlich entblößte Bruder besser gezüchtigt werden könne."(Petri Venerabilis statuta congregationis Cluniacensis 1023-1048)
Beides nachzulesen im o.g. Buch auf S. 355. Was haben wir daraus gelernt? 1. Manchmal ist es besser, zwei Bücher zu Rate zu ziehen. 2. Ein Versuch mit billigem Stoff kann nie schaden. 3. Nie sofort anfangen, manche Erkenntniss kommen später durch Zufall. :thumbsup:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Vor allem, weil Deinem Männe so möglicherweise weitere Versuchsreihen erspart geblieben sind...
 
Jetzt stellt sich nur noch die Frage: Mußte Deine bessere Hälfte nur den Versuch ertragen .... oder auch die Züchtigung :D.
 
Na so wie ich Odo kenne hat er es meistens verdient ;-)
 

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