Wadengarnitur Thüringer Frauentracht

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Tordis

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Langsam geht es mit meiner Altthüringerin-Darstellung (500 n Chr.) voran ^^ und da taucht beim vertieften Recherchieren immer wieder der Begriff "Wadengarnitur" auf. Im Fall der Altthüringerin handelt es sich um ein "textiles Etwas", was von einem mehr oder weniger verzierten Riemen unter oder überm Knie festgehalten wurde. Die Schnallen und Riemenzungen sind ja gefunden, also nicht das Problem... aber wie stelle ich mir das "textile Etwas" vor? Als eine Art Gamasche? Oder doch eher wie Beinwickel? ?( Hat jemand aus den anderen Germanenstämmen einen guten Vergleichsfund? Oder einen Bericht, in welchem auf das Wie des "textilen Etwas" eingegangen wird? :)
 
In merowingerzeitlichen Trachten gibt es ja auch Wadenbindegarnituren. Man nimmt an, dass sie wollene Strümpfe, bzw. Gamaschen gehalten haben. Ich habe auch schon alemannische Darsteller gesehen, die sich einfach ein Wolltuch um die Wade gelegt haben und dann mit einer Wadenbindegarnitur fixiert. Ich habe eine Interpretation einer Gamasche genäht, wie ein Strumpf, halt nur ohne Fuß, vom Knöchel bis knapp unters Knie.
 
Bei den Alamannen kursiert da allerhand. Hab von Schlauch, über gewickeltes Tuch und genadelte Strümpe schon alles gesehen :)
 
Geh ich recht in der Annahme, dass die Funde eher ab dem zweiten Viertel des 6 Jhd. anfangen? Kannst du bitte nochmal schreiben, falls da doch schon welche um die Jahrhundertwende datiert wurden? Ach ja, kenn es auch eher als genähte Strümpfe. Ich denk die grundlegenden groben Infos zu Tragweisen etc. hast du aus den großen Katalogen? Danke
 
Erinmund, beziehst du dich auf Anjas oder meinen Post? Ich arbeite gerade mit Christina M. Hansens "Frauengräber im Thüringerreich", da geht es aber nicht schwerpunktmäßig um Textilien und Tragweisen. Leider sind auch keine Textilien aus der Zeit und dem Raum übrig geblieben. Und für mich sind auch nur die Funde aus dem ersten Viertel des 6. Jahrhunderts interessant, obwohl es auch spätere Funde der Wadengarnituren gibt. Für Vergleichsfunde mit Textilen wurden mir Elisenhof und Wurt Hessens als Tipp gegeben. Wer sonst noch Funde hat aus der Zeit, immer her mit den Tipps. :)
 
@Tordis: Es war schon an dich gerichtet. Hab gerade nochmal nachgeschaut. Also ich find hier in meinen Katalogen frühste Funde ab Mitte des 6. Jahrhunderts, wobei die frühsten Funde teilweise auch Schuhschnallen seien können. Ein weiterer Hinweis könnte sein, dass in keinem mir jetzt bekannten Grab mit Schuhschnallen aus dem 5. und frühen 6. Jhd. eine Wadengarnitur gefunden wurde. Hauptmodephase war wohl in der SD-Phase 7-8 (ca.610-680), in der auch alle drei Grundtypen getragen wurden, also deutlich später. Aber num zum interessanten Teil. Die thüringische Mode ist zwar sehr eng mit der alamannisch-fränkischen Mode verwandt, jedoch erobern die Franken das Thüringerreich erst um 531. Zum einen fällt das nun gaaaanz grob in die Zeit der ersten Wadengarnituren bei den Alamannen, adererseits haben sich jedoch schon andere Trachtbestandteile früher gegenseitig beinflusst. Deshalb meine Frage, aus welcher Zeit stammt deine Wadengarnitur?
 
Ah, jetzt verstehe ich, was du willst... :) Meine Lektüre unterscheidet zwischen zwei Formen von Wadenbindengarnituren: Wadenbindengarnitur der Form 1 (nur eine eiserne/bronzene Schnalle am Knie) gab es in Rathewitz Grab 12, Weimar Grab 38, Weimar Grab 84, Schönebeck Grab 14. Bei Weimar 84 ist die Lage der Schnalle nicht völlig klar, in Schöne beck gab es vielleicht eine Riemenzunge. Wadenbindengarnitur der Form 2 (bronzene/eiserne Schnalle, versilberte/vergoldete sichtbare Riemenzunge) gab es in Bilzingsleben Grab 47, Obermöllern Gräber 9, 13, 20, Weimar Grab 26. Bei Bilzingsleben könnte es sich allerdings auch um eine Schuhgarnitur handeln. Einen Vergleichsfund für die Form 2 gibt aus aus dem Niederrheinischen (silberne Schnalle, Beschlag, Riemenzunge), welcher dort in die Phase 5 (555-570) datiert wird. Datiert werden beide Formen nach Frau Hansen in die Phase MD 4 (bis 550) oder nach Böhner zur Stufe III (525-600). Hansen hat für ihre Publikation allerdings nur Funde bis 550 verwendet, weil das typisch Thüringische Fundmaterial danach rapide abnimmt (warum auch immer) und sie hat nur Frauengräber untersucht. Zu den Wadengarnituren weist sie aber auch darauf hin, dass dies der Beginn eines neuen Trends ist, der laut Gräberinventar zu der Zeit nur von der Oberschicht getragen wurde. Also wohl auch nicht viel anders als bei den bereits eroberten alamannischen Nachbarn ;) Bleibt die Frage, woher der Trend wohl kam... wären die Thüringer früher drann gewesen, hätte ich gesagt, die Ostgoten waren es, aber so... :D
 
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Naja, zumindest kein gleichzeitiges Auftreten von Wadenbindgarniturtrend und Vierfibeltracht.... oder es waren keine metallenen Beschläge an der Garnitur...
 
Würde ich mal nicht pauschalisieren... ich habe da eine Abbildung von einem Grab, da sieht man eindeutig zwei kleine Scheibenfibeln im Brust/Halsbereich, zwei Bügelfibeln im Becken/Oberschenkelbereich und eine Wadengarnitur MIT Riemenzungenbeschlägen. 8| Aber ich versuche noch herauszubekommen, welches Grab das ist - leider habe ich genau das Abbildungsverzeichnis zu dieser Seite nicht vollständig kopiert! :kopfhau
 
Sorry, ich hab mich sehr ungünstig ausgedrückt. Vierfiebeltracht und Wadengarnitur treten natürlich sehr oft und regelmäßig "gleichzeitig" auf. Ich meinte aber das erste zeitliche Auftreten dieser Gegenstände. Also erste Anzeichen der Vierfiebeltracht zur Mitte des 5. Jahrhunderts und erste Wadenbindengarnituren zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Beides bleibt dann eine Zeit lang parallel bestehen, bis die Vierfiebel- von der Einfiebeltracht abgelöst wird. Die Vierfiebeltracht wird häufig mit knielangen Tunikakleid rekonstruiert, welches meines Wissens nach aber daran liegt, dass die Wadengarnitur ja sichtbar sein sollte. Da sich zu Beginn des 6. Jahrhunderts auch die Fundlage der großen Bügelfiebeln etwas veränderte und die Wadenbindengarnituren langsam aufkommen, stellt sich ja die Frage wie die Vierfiebeltracht ursprünglich wohl ausgesehen haben muss.
 
Und ich hatte schon Sorge, die ganze Zeit meine Fundberichte falsch verstanden zu haben... :schwitz Wobei zu der Tunika-Entwicklung zu sagen ist, dass diese wohl erst nur so lang war, dass man nur die Riemenzunge gesehen hat, weil die Schnallen zu Beginn oft noch aus weniger wertvollem Metall waren, und mit zunehmender Mode kürzer wurde. Zur (Vier)Fibeltracht werde ich mir jetzt ersteinmal das Buch "Fibeln und Fibeltracht" vom Herrn Steuer näher zu Gemüte führen. Ach und, nettes neues Ava, Erinmund :) EDIT: Gibt es bei den Wadengarnituren eigentlich überhaupt Unterschiede zw. Männer- und Frauentracht?
 
Männer trugen Wadenwickel, teils mit Bändern umwickelt; Frauen trugen Strümpfe welche mit der Wadenbindgarnitur befestigt wurden.
 
Danke Erinmund für die Aufklärung, das kommt davon, wenn man sich nur auf Frauentrachten einliest... :wacko:
Würde ich mal nicht pauschalisieren... ich habe da eine Abbildung von einem Grab, da sieht man eindeutig zwei kleine Scheibenfibeln im Brust/Halsbereich, zwei Bügelfibeln im Becken/Oberschenkelbereich und eine Wadengarnitur MIT Riemenzungenbeschlägen. 8| Aber ich versuche noch herauszubekommen, welches Grab das ist - leider habe ich genau das Abbildungsverzeichnis zu dieser Seite nicht vollständig kopiert! :kopfhau
Zur Vollständigkeit: Es handelt sich um das Grab 9 aus Obermöllern :)
 
- Also die ersten Wadenbindengarnituren gibt es auch schon Anfang des 6ten Jahrhunderts im TK. - Wadenwickel gibt es AUCH für Frauen (war glaube ich alamannisch, Lauchheim-Wasserfurche, müsste ich nachsehen wer's genau wissen will), machen für mich persönlich für Wadenbindengarnituren aber nicht viel Sinn. (Was soll bei Wadenwickel verrutschen?) - Das mit der Länge ist leider leider leider rein spekulativ. Man spekuliert ob die Kleider derart kurz waren dass man die teils kostbare Wadenbindengarnitur stets sehen konnte. Ist allerdings im Kontext fragwürdig wenn zu dieser Zeit bereits züchtige mediterrane Schleier-Moden übernommen werden. A. Rast-Eicher schreibt in ihrem Bericht über die Aufarbeitung des Arnegunde-Textil-Fundes (unserer einzigen "Beinahe-Komplett" - Referenz): "Therefore, we can envision a long garment- France-Lanord describes it as nearly floor-length..."
 
Alsuna, habe gerade etwas auf euerer HP geschmökert und dabei das Bild der Darstellung der Thüringerin Obermöllern Grab 20 " entdeckt " ; da dort sehr schön eine Wadenbindengarnitur dargestellt ist, wie ich finde, bin ich mal so frei und stelle die Seite / das Bild mal als Link hier ein, damit andere auch wissen, von was hier eigentlich geredet wird ... ;) Quelle Internet / Link zur HP der Gruppe Hedningar ( dort Bild einer Wadenbindegarnitur ) : http://hedningar.com/index.php?page=obermoellern-20-2
 
Ja kloar, könnt ihr gerne machen... :) Diese Variante ist allerdings keine "typische", das muss ich dazu sagen, da die Riemzunge wirklich auf der Fußwurzel lag und nicht "daneben". Deswegen haben wir hier nicht den Rekonstruktionsvorschlag von G. Clauss befolgt sondern das Mittelband der WBG "vorne" laufen lassen.
 
- Wadenwickel gibt es AUCH für Frauen (war glaube ich alamannisch, Lauchheim-Wasserfurche, müsste ich nachsehen wer's genau wissen will), machen für mich persönlich für Wadenbindengarnituren aber nicht viel Sinn. (Was soll bei Wadenwickel verrutschen?)
Den Hinweis dazu hatte ich mittlerweile auch schon und auch verzweifelt nach näheren Infos gesucht. Es werden ja in mehreren Berichten Wadenwickel erwähnt, aber auf Grund fehlender Tafeln, war ich mir immer unsicher, ob eher Gamaschen etc. gemeint waren. In meiner Quelle zu dem alamannischen Baumsarggrab aus Lauchheim steht, dass die Wicklung vermutlich von den dazu gefundenen Riemenzungen, Schnallen und der Brettchenborte gehalten wurde. Der Sinn einer solchen Bindung der Wadenbinden, haben mich dann eben auch zusätzlich an der "klassischen" Wadenbinden zweifeln lassen. Das Grab ist aber auch das frühste mir bekannte mit Wadenbindengarnitur. Ansonsten tauchen die ja erst so im ersten Viertel des 6 Jhds auf. Hinzu kommt, dass ein Teil der Oberbekleidung aus Seide bestand. All dies zusammen lässt die Dame für mich eher zur modischen Avantgarde gehörig zu sein ?! Die Schleiermode ist auch ein interessantes Argument. Wobei ich glaube (jetzt nicht genau nachgeschaut), dass ja zumindest die Haarnadeln bereits zur Mitte des 5.ten Jhds und damit deutlich früher sich, zumindest im alamannischen, etablierten.
 
Den Hinweis dazu hatte ich mittlerweile auch schon und auch verzweifelt nach näheren Infos gesucht. In meiner Quelle zu dem alamannischen Baumsarggrab aus Lauchheim steht, dass die Wicklung vermutlich von den dazu gefundenen Riemenzungen, Schnallen und der Brettchenborte gehalten wurde. Der Sinn einer solchen Bindung der Wadenbinden, haben mich dann eben auch zusätzlich an der "klassischen" Wadenbinden zweifeln lassen.
Also in dem Artikel von Johanna Banck steht eindeutig: "Wickelband". (Nesat Band VI, S.121) Die Kombination vom Wickelband und Brettchenborte hast du auf Abbildungen bei den Herren durchaus. Ich finde allerdings auf die Schnelle keines. Ich kann mir nicht vorstellen das Wickelbänder bei Damen unbedingt nur bei der modischen Avantgarde auftreten wenn sie doch bei Männern so häufig gezeigt werden. Genannte Dame trug übrigens ziemlich einfach gestaltete Bundschuhe... Eher unschöne Exemplare wenn man diese mit Bundschuhen aus vorrangehenden Epochen vergleicht die teilweise mit "Durchbrüchen" und geschnittenen Mustern sehr ästhetisch gestaltet waren. Das Grab war sehr reich ausgestattet, das stimmt. Aber gerade die Schuhe lassen in mir den Gedanken aufkommen dass man nicht bei allen Grabbeigaben dieser Bestattung von "high-class" ausgehen sollte.
Die Schleiermode ist auch ein interessantes Argument. Wobei ich glaube (jetzt nicht genau nachgeschaut), dass ja zumindest die Haarnadeln bereits zur Mitte des 5.ten Jhds und damit deutlich früher sich, zumindest im alamannischen, etablierten.
Ah, interessant. Im 4./5. Jahrhundert liegen die Haarnadel nach J. Moeller meist rechts direkt am Kopf der Damen. Da kann ich mir persönlich schwer einen Zusammenhang mit einem Schleier vorstellen sondern eher eine Frisur die aufgesteckt wurde.Ob "darüber" ein Schleier lag ist natürlich spekulierbar. Diese langen Haarnadeln finden sich irgendwann direkt am Körperbereich der Damen wieder, z.B. auf der Brust liegend. Da liegt der Verdacht nahe dass es sich hierbei wie bei Saint-Denis 49 um Schleiernadeln handelt, da diese häufig in Kombination mit Fibeln auftreten, d.h. wohl kein "anderes" Kleidungsstück festhielten. J. Moeller spricht betreffend dieses Modetrends ab Stufe III und IV. Nach K. Böhner wäre das ein Zeitraum von etwa 525 bis in 7. Jhd hinein. (J. Möller: Zur Funktion der Nadel in der fränkisch-alamannischen Frauentracht)
 

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