Wappen- & Plattenröcke des 13. u. 14 Jahrhunderts

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Volker von Hohenberg

Guest
Ich habe aus einer vorangegangenen Diskussion dieses Thema abgetrennt, damit etwas Ordnung rein kommt. Wie die Überschrift schon sagt geht es hier um Wappen- und Plattenröcke mit dem Schwerpunkt derer Beschaffenheit, Aufkommen und Material. Daher ergeben sich folgende Fragen... Ab wann kamen Wappenröcke auf? Aus welchem Material wurden Sie hergestellt? Welche Art von Plattenrock wurde ab wann verwendet?
 
Ich fang mal mit Wappenrock an denke ich. Also Waffenrock mit Wappen drauf. Also mein Stand ist, dass diese Art des Überrockes erst im frühen 14. Jh. wirklich Mode wurde. Zumindest wenn man sich das Bildmaterial ansieht (Bamberger Psalter, Kreuzfahrerbibel) ansieht findet man keinen Rock mit Wappen drauf. Erst im Codex Manesse tauchen sie zunehmend auf. Der Codex Manesse wird in zwei Maler unterteilt. Der Grundstockmaler soll so um 1305 fertig geworden sein, weswegen ich immer wieder innerhalb der Szene höre man könne seine Bilder bis 1280 verwenden. Die Bilder, ausßerhalb des Grundstockmalers sind hingegen einfach modisch zu spät. Man muss natürlich noch betrachten, dass die 1280-Theorie eine Darstellermeinung ist. Keine Fachmeinung. Dennoch, ließt man den Parceval des Wolfram von Eschenbach stellt man fest, dass in einem zeitgenössischen Roman um 1205 rum ein Wappenrock auftaucht. Ich meine mich zu erinnern, dass Parceval auf seiner Suche nach dem Gral einen Ritter besiegt, der sich ihm ergibt und nach Camelot reist um sich dort in seinem Namen Artus zu ergeben. Nun sitzt die Schwester des besiegten Ritters ebenfalls an der Tafel, als er in voller Rüstung mit Helm auf dem Haupt in die Halle kommt und sie ihm nur am Wappen auf seinem Rock erkennt. Was bedeutet das nun? Zu Wolfram von Eschenbach muss man sagen, dass er nicht einfach nur den Roman von Cretin de Troyes abschrieb, nein die gesamte Story des "Tölpels" Parceval und seiner daraus resultierenden Reise um sich als edler Ritter zu bewähren wurde von Wolfram komplett hinzu gefügt. Fragt sich nun ob der besiegte und von der Schwester erkannte Ritter ebenfalls bie Cretin auftaucht. Das wäre ein Zeichen dafür, dass Wolfram um 1205 rum einige Passagen aus dem Alt-Französischen übernahm und dies dann folglich die französische Mode wiederspiegeln würde. Oder aber, zweite Möglichkeit er hat es selber hinzu gefügt und beschreibt damit das kennen und vorhanden sein des Wappenrocks zumindest ins einem Umfeld. Franken, frühes 13. Jh. Möglichkeit eins verweist darauf, dass es zum Zeitpunkt der Übersetzung zwar französische Mode war, aber dennoch von da an immer bekannter geworden sein muss, denn bis ins 16. Jh. waren die Abschriften in Deutschland, glaubt man den Fragmentfunden und der daraus resultierenden Hochrechnung, auf Platz zwei der Bestsellerliste der damaligen Zeit. Platz ein war übrigens - tada - die Bibel. Möglichkeit zwei beschreibt, dass Wolfram etwas beschrieb was Anfang des 13. Jh. schon bekannt gewesen sein musste und getragen wurde. Bleibt also die Frage. Warum keine Bilder von Wappenröcken?
 
Kurz zum Thema Seide: Seide wirkt so fein, so leicht und verletzlich; dabei ist sie dennoch äußerst robust und die Handnahtfraktion hier weiß: Seide kann zäh wie Ziegenleder und genauso störrisch sein. Auch wenn es heißt, unsere heutige maschinengewebte Seide sei im Vergleich zu fein: Wer sich die Abbildungen und Fadenzählungen z. B. in den Villachfunden oder im "Mittelalterliche Seidenstoffe" (Museum Berlin) genauer ansieht, findet die heutige Seide beinahe grob. Ein gutes Beispiel sind auch die päpstlichen Seidenstrümpfe im Diözesanmuseum Bamberg. Für ein Prunkstück sollte es dann aber auch Seide vom Maulbeerspinner sein (viel Spaß beim Aufwachen, wenn der Preis erstmal eine gepflegte Ohnmacht ausgelöst hat).
 
Die frühere Handwerkskunst ist anscheinend nicht zu unterschätzen. Schlagen wir aber mal den Haken zu den Reenactoren... Gibt es dort tatsächlich Leute welche Seide von Seide unterscheiden können? Also wenn sich jemand aus "normaler" Seide ein Wappenrock näht, ein anderer sich dann hinstellen mit dem Spruch "Unrealistisch, ich seh genau dass die Seide nicht vom Maulbeerspinner ist!" - oder ist das eher etwas was man macht um für sich selbst zu wissen, dass man authentisch ist??? Ich für meinen Teil bin ja schon ganz stolz auf mich, wenn ich sagen kann "das ist Seide" und es von Nylon unterschieden bekomme... :D
 
Die Fäden sind zwar sehr fein, aber mit etwas Erfahrung und einem guten Auge kann man die Bindungen / Gewebetypen unterscheiden. Ich bin absolut kein Experte für Seidenstoffe, aber im Forum gab es mal einen Thread in dem zu "Crepe de Chine" geraten wurde. Das ist in Leinwandbindung gewebt, allerdings sehr fein (, hat eine glatte un eine eher körnige Oberfläche) und soll mittealterlichen Seidenstoffen einigermaßen nahe kommen. Ansonsten Haspel- bzw. Maulbeerseide (ist aber sehr schwer zu bekommen, am besten importieren ...). Ich suche gerade selbst noch brauchbare Bezugsquellen. Ab und zu ist mal was in der Bucht. Ansonsten kann ich pauschal Almerlins Gewandungsinfos empfehlen. Da steht auch einiges zu Seide und die haben auch sehr schöne Stoffe, auch wenn sie mir persönlich viel zu teuer sind (gerade wenn die mit Polytierchen gestreckt werden...). Und das mit der feinen, aber robusten Seide kann ich auch bestätigen. Zum einen sind viele, sehr alte Stücke im Kirchenbesitz erhalten und sehr populär ist auch der aus Samit bestehende Krönungsmantel (http://de.wikipedia.org/wiki/Krönungsmantel), zum anderen habe ich an verschiedenen Stellen gelesen, dass Seide bei ostasiatischen Völkern (z.B. den Mongolen) aufgrund seiner Dichte und Reißfestigkeit sogar zu hoch-effizientem Rüstzeug verarbeitet wurde. Liebe Grüße
 
:groehl Volker, Du wirst "Seide" von Seide unterscheiden können, wenn Du sie getragen hast. Wie bei guter Wolle und "Wolle". Faltenfall , das Anfassen, alles. Einzig einen Stoff aus SEHR feiner Polyamidfaser kannst du nicht unterscheiden. Aber das ist dann chemisch und physikalischer der gleiche Stoff.
 
...also ich komme gerade aus dem Stoffladen UND BIN VOLL GESCHEITERT!!! Wie mein Vorredner schon schrieb hielt ich Polyester für Seide :( Da ich die Besitzerin kenne, hat sie mir nen kleinen Crashkurs gegeben. Ok, den habe ich eigentlich auch hier schon bekommen, aber ich weiß jetzt zumindest, dass gerade Naturseide der Renner bei den hiesigen Bekleidungstechnik Studenten ist. Allerdings hilft mir das nicht weiter, denn Naturseide schaut aus als ob die Raupe, welche für die Fäden verantwortlich ist, zuvor Abführmittel geschluckt hat. Ich gehe ja recht in der Annahme dass wir von feiner Seide reden, bei der die Fäden konstant im Durchmesser sein sollen und nicht so ein Truppenübungsplatzstoff voller Krater benötigt wird wie ich gerade sah. Wie auch immer, dank Eurer Antworten weiß ich was ich organisieren muss wenn es mal soweit ist. Im Stoffladen war ich gerade nur, weil ich 8m Naturleinen abgeholt habe. Aus dem Material möchte ich nun ein Waffenrock basteln und 2 Schilde... Hat jemand ein Schnittmuster eines Waffenrocks so um 1300??? (Oder zumindest Bilder eines guten Replicas?) Sobald ich da was habe starte ich mit meiner feng-shui Selbstfindungsphase über Handnähen und beginne mit dem Teil.
 
Auch wenn's doof klingt. verlange vom Händler ein kleines Stück Faden, zünd dieses an und riech am Rauch. Du erkennst sofort den Unterschied zwischen organisch verbrannten und brennenden pfui Teufel Rauch durch künstliche Fasern... ;) ... ja das mein ich ernst ... :D
 
... - oder ist das eher etwas was man macht um für sich selbst zu wissen, dass man authentisch ist ...
In erster Linie geht es darum, es für sich selbst zu wissen und ohne Fehlinvestitionen von vornherein das geplante Stück dem eigenen Anspruch angemessen in die Tat umzusetzen. So ziemlich jeder hier hat schon genug Ausrüstungskram und Klamotten angefertigt, nur um anschließend damit unzufrieden zu sein (weil man wusste, dass es nicht historisch korrekt ist) und es dann auszumustern. Es geht in den wenigsten Fällen darum, dass ein anderer etwas bemängelt ... In deiner Vorstellung erwähnst du, dass du bereits aus dem Reenactment kommst und es "bis ins Detail authentisch magst". Dann weißt du ja, wo dein Anspruch liegt und wie du diesen am besten befriedigen kannst.
 
naja, nicht nur das "historisch unkorrekt" ist bdas unangenehme, die "moderne Erfindung/die Verbesserung/Verbilligung" stellt sich meistens als sehr teurer Fehlgriff raus. Schnitte, die da den überlieferten Faltenwurf liefern, sind da nicht sooo das Problem. Nähte/Nahtformen und Materialien sind da schon unangenehmer. Die damals gebrauchten Stoffe waren oft ja schon 100 und mehr Jahre im Gebrauch und so eben für den Einsatz an dieser und jener Stelle erprobt. Genau wie Schnittrichtungen etc. Die alten wussten eben in der Mehrzahl der Fälle, was sie taten.
 
Ich muss an dieser Stelle noch mal den Wappenrock aufnehmen. Wie sieht das denn bei den Orden aus, sprich Johaniter,Templer und der Deutsche Orden ( um nur die bekanntsten zu nennen ) ? Diese haben ja eine Geschichte bis ins 1200 Jh. zurück, und wenn Wappen auf den Wappenröcken erst ab dem 1400 Jh. in Mode kamen bilden Sie dann eine Ausnahme ?? Zumal es ja auch Meinungen /Thesen gibt, die das Kreuz als solches nicht als Wappen im Heraldischem Sinne sehen. ?( pax
 
Gegenfrage: Hast du zeitgenössische Abbildungen mit Wappenrock bei Ritterorden um 1200?
 
Hm.................. NÖ. Ich werde dann mal auf die Bücher von meiner Fehrnleihe warten. Wenn sich da was ergeben sollte, werde ich es mitteilen. Ich hatte auch schon eine Anfrage ans Zentralarchiv des Deutschen Ordens nach Wien geschickt, mit ernüchternder Antwort. Sie selber hätten keine zeitgenössischen Aufzeichnungen über die Kleidung. Mal abwarten was die Bücher hergeben, ich denke das es allgemein Interessant ist, nicht nur für den Deutschen Orden. pax
 
Siehst du, dass ist genau der Punkt den ich meine. Keine Bilder von Wappen auf Waffenrock, aber Erwähnung in einem historischen Roman. Ich kenne d e facto nur ein Bild eines knieenden Ritters mit weißen Waffenrock auf dem über und über Kreuze abgebildet sind. Früher neigte ich dazu zu sagen, dass dies ja der Beweis wäre für ein Wappenrock um 1250. Heute sehe ich das ein wenig anders, denn ein Wappenrock mit Kreuzen vorne, hinten, oben, unten, links und rechts stellt kein Wappen dar. Genauso gut könnte man einer mit Blumen bestickten Surcotte ein Wappen andichten. Außerdem wird darüber debattiert ob die Kreuze vom Maler vielleicht nur zur näheren Erklärung gemalt worden sind. Weil sonst ja nicht kenntlich wäre, dass es sich um einen "iles cristi" handeln soll.
 
Geben Grabplatten, Kirchenmalereien, Schnitzereien oder Statuen vielleicht was her? ...oder waren die erst deutlich später "in"?
 
Wenn sie aus der Zeit sind, mehr als alles andere. Die sind nämlich zeitnah entstanden, im Gegensatz zu Miniaturen, die immer irgendwie "schönen". Grabplatten sollen ja an den Toten in seiner Zeit erinnern, das Leben des verblichenen festhalten. Statuen können antikisieren, Kirchenmalereien auch. Wie heute auch mit der darstellenden Kunst, nur unter anderen Voraussetungen. Nach den Bodenfunden und den Bildern fährt in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts der niedersächsiche Bauer im schwaren Nylon/Polyester/Schurwolle Anzug im Nyltest Hemd mit nem Fendt auf den Acker. Der amerikanische Farmer trägt Lewis und fährt John Deere, mit roter Kappe und hohen Cowboystiefeln, weiß mit Straß besetzt, dabei trägt er Radsporen.
 
Geben Grabplatten, Kirchenmalereien, Schnitzereien oder Statuen vielleicht was her? ...oder waren die erst deutlich später "in"?
Gute Frage, der ich mich sogleich nochmals gewidmet habe damit ich keinen Quatsch erzähle. Es gibt eine sehr schöne Seite mit einer Sammlungen eben solcher Grabplatten vom 12. -14. Jh. (Wie war das nochmals darf man Links jetzt posten?) Die Auswertung ist: erste Grabplatte dieser Bildserie mit Wappenrock: 1285 aus Hughenden (England?) dann wieder 1306 aus Chartham und das erste mal für Deutschland um 1308 Eberhard I Von der Mark 1308 Germany Frondenberg Wobei ich mir da nicht mal sicher bin ob das denn tatsächlich ein Wappen aufgenäht auf den Rock ist oder nicht. Ganz eindeutig: Lambert d Abee and wife 1312 Belgium Abee - St Remy 1340 Edward III Henry Plantagenet übrigens interessant, bei einem Gewissen Stafford und Grey wurden die Wappen und der Rock rausgebrochen... Erzbischof von Koln 1340 Germany Mainz Landesmuseum William de Aldeburg, 1360 Reginald Cobham 1361 Huglin von Schoneck, Schweizer seines Zeichens um 1377-86 Thomas Beauchamp 1369 in Warwick auch interessant: Rudolf von Sachsenhausen 1370, Frankfurt am Main, trägt zwar etwas mit Mustern aber definitiv nicht sein Wappen. Das sieht ganz anders aus. Johann I von Wertheim 1407, Wertheim Stiftskirche So was fällt auf. Erstens, kein einziger Wappenrock im Deutschen Raum, übrigens auch kein einziger in der Temple Church, ergo auch für die Templer, kein Wappen. Dafür hingegen schon ab dem späten 12. Jh. nicht ein einziger Ritter mit Waffenrock. Also quasi einem Schutzrock ohne Wappen drauf. Ab dem 14. Jh. vermehrtes Auftreten von Wappenröcken, in der Mehrzahl aber noch definitiv weniger als ich geahnt hätte. Danke Volker, der Ansatz war recht interessant und für mich selbst sehr aufschlussreich das mal so zu betrachten.
 

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