Was passierte mit den Kleidern nach dem Tod?

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mondspeer

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Hallo miteinander, angeregt von dem Thread über die Beschaffung von Stoff (http://mittelalterforum.com/index.php?page=Thread&postID=295627#post295627), stelle ich mir folgende Frage: Mir macht der Gedanke an den Tod wenig aus, aber manche wollen wohl nicht in Stoffe schlüpfen, in denen jemand starb. Aber da wir uns ja hier im Mittelalterforum befinden, frage ich mich gerade, wie das im FrüMi, HoMi und SpäMi gehandhabt wurde. Kleider waren für viele Bevölkerungsschichten wertvoll, wenn ich mich richtig erinnere. Wenn jetzt also Opa im Leinenhemd starb, wurde das mit beerdigt? Weiter vererbt? Wurde er nackt bestattet? Oder in "bestem Zwirn"? Gab es Unterschiede innerhalb der Zeiten? Zwischen den Kulturen? War es abhängig davon, ob jemand im Kampf fiel oder an einer Krankheit starb? Gibt es darüber Infos? Vielen Dank schonmal, Gerald
 
Bei einigen wissen wir ja erst, wie die Klamotten damals aussahen, weil sie in Gewandung beerdigt wurden.
 
Mondspeer, da gibt es wohl mehr als eine Antwort. Es kommt wohl immer auf die Kultur, den jeweiligen Wohlstand und auch auf die Religion an. Aber auch ob es gerade eine Epidemie, einen Krieg oder andere Katastrophen gab. Ich denke die Möglichkeiten sind ähnlich vielseitig, nein - vielseitiger als Heute bei uns in Europa. Unser Bestattungsgesetz ist ziemlich eng gezurrt. Bei vielen Kulturen gehe ich davon aus, das sie im guten Staat bestattet wurden. Das würde den oft reichhaltigen Schmuck erklären, bei dem ich mir nicht immer vorstellen kann, das man das täglich trug. Bei den Römern sah ich sehr reiche Grabbeigaben, da wird wohl auch die Kleidung reichhaltig gewesen sein. Bei einigen Funden, die man im Buch "woven into the Earth" sieht, kann man erkennen, das man Kleidung zweckentfremdet hat, um die Toten darin ein zu wickeln. Ohne jetzt nach zu schlagen, erinnere ich mich zB. an eine Gugel die man um die Füße gewickelt hat.
 
Die Kelten bestatteten ihre Toten im Gewand, das zumindest bei höhergestellten Persönlichkeiten anscheinend auch mal extra angefertigt wurde zu diesem Zweck (war das nicht der Fürst vom Glauberg, der in goldenen Schuhen die Anderswelt betreten wollte? Diese waren zu Lebzeiten nicht getragen worden). Muslime bestatteten und bestatten ihre Toten nicht im Sarg, sondern in reines Leinen eingewickelt. Zur Zeit des "Schwarzen Todes" warf man die Toten oft nackt oder wie sie eben starben in Massengräber. Manche plünderten die unbestatteten Pestleichen aus und nahmen ihnen die Kleider, wenn diese einen gewissen Wert hatten. Ich erinnere mich an ein altes slawisches Märchen, wo ein Gutsherr seine Magd nicht eher heiraten lassen wollte (weil er sie nämlich für sich selbst beanspruchte), bis sie nicht schweigend drei Hemden aus Nessel gesponnen, gewebt und genäht hätte. Das Mädchen schafft es und die drei Hemden finden folgende Verwendung: Das erste ihr Hochzeitskleid, das zweite das Taufkleid fürs Erstgeborene, das dritte aber wird das Totenhemd für den Gutsherrn, den der Schlag trifft, als die Magd mit den Hemden fertig ist. Es gibt übrigens aus dem Spätmittelalter Inventarlisten Verstorbener, wo genau festgelegt ist, wer welche Teile der Habe bekommen soll oder auch bekommen hat, darunter auch Kleidung. Man wird den Toten also zwar angezogen in die Erde gesenkt haben, aber eben nicht mit allem, was er in den Truhen hatte. Sondern allenfalls mit dem, was er auch zu Lebzeiten auf ein Mal getragen hätte. Aus der frühen Neuzeit sind uns solche Listen im Zusammenhang mit Hexenprozessen überliefert. Die Kleider gehörten zum Vermögen, aus dem das Abkommgeld bezahlt werden musste.
 
In den Lüneburger Testamenten taucht zum Beispiel sehr viel vererbte Kleidung auf, 14tes und 15tes Jahrhundert.
 
Mein Haus- und Hofarchäologe hat sich mal drüber aufgeregt dass der Grund warum man zum Hoch- und Spätmittelalter so wenig Kleidung findet die christliche Kirche ist, nach deren Lehre man ja nichts mit ins Paradies mitnehmen kann. Die Toten wurden einfach nackt in Leinensäcke eingenäht und vergraben.
 
Danke, ich war mir nimmer sicher, welcher nun :)
 
Paßt zwar vielleicht nicht so ganz zur eigentlichen Ausgangsfrage, aber mal folgende Überlegung...: Das Wort, bzw. der Begriff "Plündern / Ausplündern" ist möglicherweise abgeleitet aus / von dem Niederdeutschen Wort / Begriff "Plünnen" (allgem. für alle Art von Kleidung...) :) LG Halfdan Horntrinker
 
Kommt auf das Volk und die Art der Bestattung an, würd ich sagen... In Dänemark ( Lindholmhoje ) gabs die Feuerbestattung.
 
Bei den Kelten auch zeitweilig - trotzdem hat man die net nackig in die Flammen gelegt. Macht man ja heutzutage auch nicht.
 
Und in manchen Urnen findet sich in der Asche, Schmuck mit Brandspuren. Man wird keinen Körper mit Schmuck behangen haben und dann nackig verbrennen. Die Bestattungsriten sind vielseitig wie die Menschen selbst, weshalb auch hier ein WANN, WO und bei WEM die Frage ist. So aus dem Bauch raus, würde ich sagen, es kam auf die Situation an. Es gab gewisse Normen des Anstandes, die die einzelne Familie ein wenig beugen konnte ? Ging man im Leben herzlich miteinander um, gab es die Festtagskleidung. War man lieblos miteinander, hat man evtl das beste Zeugs, zu Geld gemacht oder einer Zweitverwendung zukommen lassen, und weniger Gutes genommen. Reisende (Pilger) aber auch "Krieger" wird man in dem was sie trugen bestattet haben. Selbst bei den christlichen Gräbern, wo das Totenhemd keine Taschen haben sollte, finden sich Rosenkränze, Kreuzchen und Heiligenfiguren, quer durch die Jahrhunderte. Was für eine Aufbereitung zur Bestattung spricht. Also waschen, zurecht legen und ein frommes Zeichen in die Hände geben - kann ich mir nur schwer ohne Kleidung vorstellen. Ein Untergewand wird ein Minimum gewesen sein. Bei vielem kann ich mir aber eine Zweitverwendung vorstellen. Kleidung wird immer willkommen gewesen sein. Manches kann man umarbeiten, ohne das man es heute vielleicht noch feststellen kann. Von Stattlich auf zierlich geht immer. Vieles lässt sich zur Babywindel umgestalten, oder zum Kinderkleidchen. Denn selbst wenn die Kleidung nicht wie heute immer gut sitzen muss und man sich aus "Hochwasser" nichts macht, wachsen Kinder schnell, und wenns mal nicht so schnell wächst, verschleißt die Kleidung dennoch schnell. Was dann noch an Textil da ist, gibt immer noch tolle Lappen zu Arbeiten aller Art ab. Siehe die Hafenfunde von Haitabu. Gerade bei den Haitabufunden frage ich mich, ob da das sammeln der benötigten Lumpen, irgendwie organisiert war. Wo kamen diese Mengen her, denn das was gefunden wurde, stelle ich mir als die Spitze eines Eisberges vor.
 
Spätestens, seit die Europäer Papier machen konnten, gab es Lumpensammler, die über Land zogen und alles einsammelten, was irgendwie ein textiles Fitzelchen war. Das hilft bei Haithabu zwar nicht weiter, aber Verpackungs- und Polstermaterial braucht man in einem Handelsort allemal. Im Salzbergwerk zu Hallstatt hat man zT kostbare Textilfragmente gefunden, die offensichtlich so abgetragen waren, dass sie nur noch als Schutzverband, Topflappen und ähnliches getaugt haben konnten. Auch da ist denkbar, dass gezielt gesammelt wurde, um immer genug "Zewa" zur Hand zu haben. Das Umarbeiten von Kleidung ist sicher zu allen Zeiten so gehandhabt worden. Warum auch nicht ? Wenn man bedenkt, wieviel Arbeit in einem fertigen Stück Stoff steckt und von welch guter Qualität die meisten handgewebten Stoffe sind und wie lange es dauert, so eine Stoffbahn "ab Schaf" oder "ab Leinenfeld" herzustellen, werden die schon ihren Preis gehabt haben. Da konnte man weder dauernd neu kaufen noch dauernd neu weben. Man wäre ja gar nicht hinterher gekommen. Denn schließlich musste ja nicht nur die Kernfamilie, sondern auch noch das Gesinde versorgt werden. Und auch Abgaben wurden schon bei den Kelten teilweise in Textilien bezahlt. Wenn man da ein altes Kleidungsstück umarbeitete, hatte man viel Arbeit eingespart.
 
Ich kann nur was zu den Bestattungssitten der Alamannen sagen. Vor der Christianisierung bestatteten die Alamannen ihre Toten in bestem (Festtags-)Gewand, mit dem teuersten Schmuck, bestem Tuch und viel Aufsehens um die Beerdigung. Während und nach der Missionierung der Alamannen wurden ihre Toten zunächst noch mit Festtagsgewand und christlichen Symbolen beerdigt, später nur noch in einem (man nimmt an) Leinentuch.
 
Mein Haus- und Hofarchäologe hat sich mal drüber aufgeregt dass der Grund warum man zum Hoch- und Spätmittelalter so wenig Kleidung findet die christliche Kirche ist, nach deren Lehre man ja nichts mit ins Paradies mitnehmen kann. Die Toten wurden einfach nackt in Leinensäcke eingenäht und vergraben.
Dem widerspricht aber die Grablege in Speyer. Das waren ja auch christliche Herrscher, die sich aber eher in prunkvoller Kleidung (Zitat: "ihre feinen Stoffe und bestickte Seidengewänder...") bestatten ließen. Waren das jetzt alles gottlose Ketzer? http://www.museum.speyer.de/dyndata/Pressemappe_Salierabschluss_Schraudolph.pdf Ich gehe mal eher davon aus, dass deren Gräber auch fast vakuumversiegelt waren und die feinen Stöffchen deshalb erhalten geblieben sind. Ein normaler Mensch wurde im Zweifelsfall in einen Leinensack eingenäht odfer gewickelt - wie Du schon schreibst - doch ich gehe mal nicht davon aus, dass die jedes Mal nackt waren. Nur - Leinen in Erde verrottet nun mal leichter, als Seide im Steinsarg. Mag sein, dass auch einige ganz Arme nackt beerdigt wurden, aber solange uns keine schriftliche Beschreibung von Beerdigungen im Hochmittelalter vorliegen bzw. irgendeine Bildquelle einer Beerdigung kann man darüber nur mutmaßen. Oder woher hat Dein Haus- und Hofarchäologe dieses Fachwissen?
 
Ich kann zwar im Moment keine genaue Quelle zitieren, aber ich habe mal gelesen daß es durchaus auch üblich war, gerade die gute Kleidung zu vererben - starb z.B. ein Lehnsmann und sein Sohn erbte, hatte dieser neben anderen Dingen auch das "beste Gewand" an seinen Lehnsherrn als Abgabe zu geben. Die genaue Textstelle hat mir ein Bekannter gezeigt, wenn Interesse besteht frag ich nochmal nach, wo das genau stand.
 
Ich kann zwar im Moment keine genaue Quelle zitieren, aber ich habe mal gelesen daß es durchaus auch üblich war, gerade die gute Kleidung zu vererben - starb z.B. ein Lehnsmann und sein Sohn erbte, hatte dieser neben anderen Dingen auch das "beste Gewand" an seinen Lehnsherrn als Abgabe zu geben. Die genaue Textstelle hat mir ein Bekannter gezeigt, wenn Interesse besteht frag ich nochmal nach, wo das genau stand.
Wie ich schon schrieb, in den Lüneburger Testamenten steht sehr viel darüber. So hat man dort zum Beispiel auch Mantel und Mantelfutter getrennt vererbt, oder nach Qualität getrennt, an Verwandte und Dienstleute usw.. Die Dissertation "Die materielle Kultur in Lüneburg" von Susanne Mosler ist im Internet frei zugänglich. Ansonsten gehe auch ich davon aus, das nicht nackt bestattet wurde, sondern je nach Stand und Region auch schon mal etwas bessere Kleidung angeblieben sein könnte, wie Silvia schrieb, wenigstens ein Unterhemd.
 
Die Art der Bestattung in Hoch- und Spätmittelalter dürfte auch nicht unwesentlich davon beeinflusst gewesen sein, ob der Tote bedeutend war oder nicht. Die wichtigen Leuts hat man nämlich ein paar Tage im offenen Sarg rumstehen lassen damit .. ja, wahrscheinlich damit sich alle überzeugen konnten dass der Betreffende auch wirklich tot ist ;-) Sowohl bei den spanischen Grablegungen in Burgos als auch beim Grande della Scalia in Italien war das der Fall, die wurden in voller Prachtkleidung begraben (oder zu mindestens in sehr teurer Kleidung). Von einem österreichischen Herzog (Rudolf IV,der Stifter, gest 1365) hingegen ist ein eigens angefertigtes, absolut kleidungsartiges Grabtuch erhalten und heute im Stephansdom zu bewundern.
 
Sehr spannend, schon mal vielen Dank für die Antworten. Also ganz unterschiedliche Herangehensweisen. Logischerweise auch und vor allem dadurch unterschieden, wie bedeutend oder vermögend der/die Verstorbene war. Mich würde noch interessieren, ob es Textstellen etc. gibt, die beschreiben, was mit den Kleidern passierte, in denen jemand starb.
 

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