Wiener Eigenart: "Seidel"

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Firiel

Guest
Hallo! Ich bin beim Durchlesen des Ausstellungskatalog des Historischen Museums der Stadt Wien zum Thema "Wien im Mittelalter" (1976) auf folgende Passage gestoßen was die Kleidung in Wien betrifft: "Eine Wiener Eigenart war der "Seidel", ein ärmelloser, kurzer Mantel, der in den Verlassenschaften häufig aufscheint." Da sich der Absatz davor aufs 15. Jh. bezieht, nehm ich diesen Seidel als Erscheinung des Spätmittelalters an. Hat aber jemand mehr Infos zu Form, Stoff, Trageart? Und ob das ein rein männliches Kleidungsstück war, oder auch von Frauen getragen wurde? Bin auch für jede Info dankbar! lg Firiel
 
hab sicherheitshalber gleich das Histor. Museum angeschrieben ^^
 
Ich kenne nur den Bier-Seidel als rein männlichen Ausrüstungsgegenstand. ;)
 
Antwort vom Histor. Museum kam prompt:
Bezugnehmend auf Ihre Anfrage, muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich in der Bibliothek der Modesammlung nichts über den "Seidel" gefunden habe. Gerne können Sie unsere Bibliothek im Schloss Hetzendorf 1120 Wien Hetzendorferstrasse 79 rechter Flügel von Montag bis Freitag von 08:00 bis 16:00 für Recherchen benützen, um europäische Vergleiche anzustellen. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass Ihnen das Institut für mittelalterliche Realienkunde in Krems weiterhelfen kann.
Die Suche geht weiter; hab auch schon über Arnulf, das Schandmaul Kontakt zu Andi Bichler von HistoriaVivens1300 bekommen, mal sehen ob die mehr rausfinden :whistling:
 
Das interessiert mich, ich glaub, ich schau mal im Institut für Ur und Frühgeschichte vorbei...
 
wäre super Milchmagd, hab auch bereits das ImaReal Krems angeschrieben, mal sehen!
 
Aha, da haben wirs...das Seiterl gabs schon im Mittelalter, also wohl auch die Eitrige...und damit Würstelstandln! :D
 
lol jaaaaa quälen wir ALLE Museen in Österreich - sie sollen uns ein Seidel finden ^^ ImaReal weil das der Tipp vom Wien-Museum war... .... Aber ich hab neue Infos! Ein Riesendankeschön an Andreas Bichl von HV1300!
Es tritt in den österreichischen testamentarischen Überlieferungen regelmäßig auf. Nach G. Jaritz ergibt sich allerdings die Situation dieses übliche Kleidungsstück weder genauer beschreiben zu können, noch es in bildlichen Darstellungen als solches erkennen zu können. Nach Schlager, Urkundliche Notizen über die Wiener Kleidertracht vom Jahre 1396 bis 1430, In: ders., Wiener Skizzen des Mittelalters NF III, Wien 1846, S.310ff, gibt es folgende Beschreibung: „Der Seidl erscheint dagegen als die allgemeinste Tracht für beide Geschlechter von Jung und Alt,[…] Wir könnten hunderte von ausdrücklich bezeichneten täglichen Seydln und wieder anderen Seydl hier anführen, die fast in jedem Wiener Testamente genannt werden.[…] Der Seydl hat sich schon Ende des 15. Jh. allmählich zur Schaube umgewandelt, von der er sich durch seine Kürze, da er bloß bis zum Ende des Rückgrades reichte, dann durch seinen Mangel an Ärmeln unterschied […] Der Seydl hat zugleich, wenigstens in den Wiener Quellen, samt Joppe das charakteristische von den übrigen Kleidungsstücken in Wien, dass sie ausdrücklich als aus verschiedenen Farben an den Ärmeln oder Stumpfen (aufgeschnittene Ärmelanfänge) zusammengesetzt, angegeben sind. […]“ Jaritz stellt zudem die Fragen, ob „Seidel“ Gewänder sind, die zur Obergruppe der Röcke gehören, eine klar erkennbare Rock-Art darstellen, der Begriff als Synonym für „Rock“ verwendet wurde oder Seidel sich doch klar vom Rock unterscheidet? Alles in allem dürfte eine zufrieden stellende Antwort für diesen Begriff (wie für viele andere in Schriftquellen auftauchende Ausdrücke) nicht zu finden sein. Lit: Terminologie und Typologie mittelalterlicher Sachgüter: Das Beispiel der Kleidung, Veröffentlichung des Instituts für Mittelalterliche Realienkunde Österreichs, Bd.10, Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1988. S. 13-14.
Die Wiener Skizzen sind übrigens auf Google Books komplett downloadbar :D
 
Zuletzt bearbeitet:
pool-1084389@N23
hab das als anregung für das evtl. aussehen bekommen (täte sagen die figur links)... nur hab ich nicht die genaue Datierung noch sonst was rausgefunden. Nur: Alexander the great. Ms Laud 751
 
Heyhey. Also für Männer gibt es zahlreiche Abbildungen von solchen Kurzmänteln, soviel ich weiss sogar quer durch die wichtigsten Moderichtungen (Süddeutsch und Burgund auf jeden Fall, italienisch auch ziemlich sicher). Für Frauen sieht es wieder mal anders aus. Aus der Schweiz kenne ich zwei Bilder und das eine zeigt Pfaffenhuren, könnte also auch das Diffamierung der Damen gewertet werden (sie tragen ein Männerkleidungsstück, wie unschicklich). Das andere zeigt zwar eine angesehene Frau, die allerdings ebenfalls in Ungnade gefallen ist (warum müsste ich nachschauen). Weiter werden in Basel Huren im Allgemeinen mit kurzen Mänteln gekennzeichnet, d.h. wird eine normale Städterin sicher keine tragen.. aber das ist halt nur Schweiz. Ich denke, es ist das Gugelproblem. Es gibt Belege, zweifelhafte oder weniger zweifelhafte, aber es scheint alles andere als gang und gäbe gewesen zu sein. D.h., zumindest für mich, nicht für eine Darstellung verwendbar. Frauen, die warm haben wollen müssen wohl oder übel auf mehrere Schichten an Kleidung ausweichen (für meine Zeit sehr, sehr häufig belegt) oder einen langen Mantel tragen, eher unpraktisch aber besser als nass werden, wie zB hier zu sehen. Aber das ist eine uralte Diskussion, wie viele Nennungen und Belege man braucht, damit es für einem selber belegt ist.. Grüsse, Céline
 
ja, wäre aber halt interessant wenn man als Wiener so eine wienerische Eigenart berücksichtign könnte. hab übrigens Antwort von der ImaReal:
der "Seidel" wird zwar in Inventaren und Rechnungen immer wieder genannt, über sein konkretes Aussehen sind wir aber nicht ausreichend informiert. (Harry Kühnel [Hrsg.], Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, Stuttgart 1992, S. 234f.) Belegstellen finden sich z. B. in den Wiener Städtebüchern - dort können Sie auch ersehen, dass unterschiedlichste Formen, Träger, Material mit diesem Begriff in Verbindung gebracht werden. (Sie finden das Sachregister der Wiener Städtebücher auf unserer homepage unter: www.imareal.oeaw.ac.at -> Aktuelles -> Wr. Stadtbücher Register -> Realienkundliches Sachregister -> Seidel) Zum Nadelbinden konnte ich leider auf Anhieb keine genaueren Angaben finden. Bezüglich der Textilfunde halte ich noch mit unseren Archäologen Rücksprache und melde mich nächste Woche noch einmal. Zudem habe ich mir erlaubt im Anhang Literaturverweise mitzuschicken - vielleicht ist ja das ein oder andere Wissenswerte für Sie dabei. Mit freundlichen Grüßen aus Krems, Isabella Nicka
 
und der Eintrag im Sachregister der Wr. Testamentsbücher/Stadtbücher: Seidel – kurzer, ärmelloser Mantel; wetterfleckartiges Gewand / 8, 18, 62, 81, 85 (mit Furrier – Futter; harrassen), 96 (lang), 103 (mit underzug – Futter), 106, 113, 122, 129 (mit underzug), 131, 151 (harrassener), 184 (langer, mit Kürsen unterzogen), 200 (täglicher), 225, 253, 262, 322, 343 (harrassener), 366, 394 (mit underzug), 412 (rauer – aus Fell), 413, 415, 425, 443, 445, 448, 451 (neuer, mit Bauchfell – wamme gefüttert – gefurrirt; mit Feh unterzogen), 455, 456 (mit gugler – Tuchart, unterzogen), 463 (bester), 466 (der beim Schneider ist), 474, 485 (bester), 497 (Harrasss.; zweifacher), 499 (mit Leinwand unterzogener), 527 (langer), 545 ( grün und lichtblau gestückt), 556, 579 (mit Kürsen), 589, 594, 643 (kurzer, mit Kürsen), 647, 648, 659, 662 (langer. Mit fuchsenem underzug), 663, 665, 675, 680, 687, 689 (täglicher), 694, 703, 712 (mit underzug; Reits.), 727 (bester), 730, 739 (zweifacher), 745 (mit Kürsen aus Katzenfell, aus Iltisfell; einfacher; bester mit Iltisfell; mit fuchsener Kürsen), 751, 753, 768 (Knies.), 786, 794, 813 (mit Schellen), 848, 863 (welscher mit Kürsen aus Marderfell), 865 (kurzer aus Barchent), 866 (täglicher)
 
jetzt heißt es wohl Wr. Illustrationen um 1400 herum zu durchforsten ob wir was annäherndes finden ^^
 
war das Wochenende in Zürich im Kunsthaus und bin dabei auf dieses Gemälde aus dem etwa 2. Viertel des 15. Jh. (Maestro de Lanaja, tätig in Aragon -Spanien, greifbar ab 1422 bis ca. 1459, Auferweckung eines verunglückten Kindes durch die Anrufung des Hl. Stefans) gestoßen und den Zürichern sei Dank, man darf dort sogar ohne Blitz fotografieren ;) Allen Anschein nach handelt es sich bei dem von der Frau getragenen Kleidungsstück um einen Art Überwurf, hab mich aber irgendwie total ans Seidel erinnert gefühlt, dessen optisches Aussehen ja bis heute nicht anhand österreichischer Quellen auffindbar ist. Jedenfalls wirkt es nicht wie beim Surcot des Mannes ein Surcot-Bestandteil zu sein sondern ausnahmsweise tatsächlich ein "Jäckchen" Was haltet ihr von dem Kleidungsstück? Erkennt ihr Parallelen zu der obigen Beschreibung? Und wenn man sich das Bild so ansieht... nach einer Perspektivenfehldarstellung erinnert das Teil auch nicht ?( hab zwar einige Eckdaten in der Biografie des Künstlers gefunden, wenn auch eher auf spanischen Seiten, aber leider keinen Hinweis auf einen Aufenthalt in der Schweiz oder generell im Ausland :( Oder wüsste wer ob Wien und Aragon/Spanien irgendwie zw. 1370 und 1440 in Kontakt gekommen wären, was einen Mode-Austausch erwägbar machen hätte können?
 

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