Wilfried Tenneberg
Well-known member
Im Mittelalterhobby, so dieses über 08/15-Marktniveau hinausgeht, wird akribisch geforscht, recherchiert, rekonstruiert und experimentiert. Viele Darsteller mit dem gewissen Anspruch sind da sehr engagiert. Umso befremdlicher erscheint es da, wenn die Baumwollfrage nicht nur kontrovers diskutiert wird, sondern meist doktrinhaft mit „Gabs nicht! – Geht nicht! – Weiche von mir Satanus! – Dieser Stoff ist mit Vorsicht zu genießen. – Baumwolle ist so was von bäh!“ usw. abgehakt wird. In vielen Aufsätzen, Inernetlexika-Einträgen, Hobbyblogs und Diskussionen im Netz (und leider auch hier) wird man nicht müde, gebetsmühlenartig auf dieses angebliche „Geht nicht!“ hinzuweisen. Der alte Hase im Verein hat das gesagt – dort wurde es von Generation zu Generation so überliefert, es steht auf wikipedia, also muss es ja stimmen. Das ist umso schlimmer, da sonst jede Stichlänge belegt, jede Gürtelschließe mit einem Fundbeleg abgesichert sein muss. Die Sohlendicke von Wendeschuhen wird genauso hinterfragt wie die Nietstärke am Topfhelm. Aber wenn jemand die Verwendung der Baumwolle im Hochmittelalter nachfragt, dann… Verständlich. Denn wer da anfängt zu recherchieren findet das oben Beschriebene und dreht sich im Kreis. Dennoch kann man fündig werden. Es gibt sehr gute Fachliteratur und darauf basierend einige gute websites sowie andere belegte Hinweise die das Puzzle vervollkommnen. Das wichtigste Buch zu diesem Thema ist: Maureen Fennell Mazzaoui The Italian Cotton Industry in the Later Middle Ages 1100 – 1600 Cambridge University Press 1981 und wird im folgenden nur mit Mazzaoui angegeben. Es ist auch unter den Literaturtipps hier im Forum schon vorgestellt. Ausgehend von den häufigsten Aussagen im Hobby soll hier der Versuch unternommen werden, zum Nachdenken anzuregen.