Tom Sculptor
Well-known member
Wol Euch Ihr Leut! So Ihr nach mir fragtet und nach meiner Herkunft und Vita, will ich Euch berichten, woher ich komm und wes Profession ich sei. Tom wurde ich getauft nach dem Apostel Thomas, vor nunmehr vierzig Sommern und acht - im Jahr des Herrn eintausend einhundertneunzig und zwei. Meine Mutter kenn' ich nicht, man erzählte mir, sie sei gestorben im Kindbette gleich nach meiner Geburt, und mein Vater stieß mich fort, da er meinte, ich hätte sein geliebtes Weib auf dem Gewissen. Doch die gütigen Heiligen haben ihre Hand über mich gehalten und ihre Diener auf Erden haben mich angenommen und erzogen, im Kloster zu Wells. Das liegt - Ihr könnt das hier nicht wissen - in Britannien und im ständigen Streit mit dem Grafen von Somerset. Hier lernte ich nicht nur die Gebete und die Worte der Heiligen, sondern die guten Mönche fanden, dass ich recht geschickt sei mit meinen Händen und ein gutes Augenmaß habe und daß es mir an Kraft auch nicht fehle. So kam es, dass sie mich dem guten Meister Builder übergaben, auf dass er mich lehre, Steine zu hauen und zu schmücken und lotgerecht zu formen. Dies war in Wells zu jener Zeit sehr von Nöthen, baute doch der ehrwürdige Bischof seit dem Jahre des Herrn eintausend einhundert und achtzig seine große Kathedrale alldort. Allein, das bloße gerade Hauen von Mauersteinen wurd mir schnell öde und so begann ich, kleine Künstlichkeiten in die Steine zu hauen. Dies trug mir zunächst gar viele Hiebe vom Meister ein, der mich beschuldigte, guten Stein zu verschwenden - doch als der Bischof eines schönen Tages nach dem Rechten sah auf seiner Baustelle, fiel ihm ein kleines Bildnis meines Namensheiligen auf, das ich gerade begonnen hatte, in den Stein zu hauen. Er hinderte meinen Meister daran, ob dieser Verschwendung mich den Stock schmecken zu lassen und wies ihm vielmehr zu, mich hinfort nur noch solche Bildnisse und andere künstliche Ornamente schneiden zu lassen und mir darin alle Hilfe zu geben, der er vermöge. Auch wenn mein Meister nun um einen Gesellen (denn ein solcher war ich mittlerweilen geworden, auch wenn mir das Rechnen ein wenig schwer fiel) für die Mauersteine zu kurz war, so war sein Ansehen doch mit meiner Beförderung in den Stand des Figurenmetzes gestiegen, hatte er mich doch in allem unterwiesen, was ich nun in meiner Arbeit tat. Gar übel kam ihm jedoch im Sommer vor dem letzten an, dass der Bischof ihn bestimmte, mich aus dem Gesellencontract zu entlassen und dass ich hinfort als Meister der künstlichen Steinmetzerey anzusprechen sei, in welchen Stand der Bischof - dem meine Figuren über die Maßen zusagten - durch eine nämliche Urkunde mich beförderte. Dieses Attest hatte er der Zunft der Steinmetze zu Wells abgerungen, was mich zum einen sehr ehrte und in Freude versetzte, mir aber zum anderen die Feindschaft der Zunftleute brachte. Nachdem mich im letzten Jahr einige Unglücke auf der Baustelle nur mit dem Schutz der Heiligen knapp verfehlten, fand ich, es sei Zeit und für mein Wohl ratsam, mich aus meiner Heimat fort zu begeben und mein Glück in der Ferne zu suchen. Auch war das Langhaus der Kathedrale zu dieser Zeit geweiht worden und keine neuen Figuren waren zur Ausschmückung nöthig. Zudem war ein fahrender Steinmetz aus dem Cornischen angekommen, dessen Figuren das Auge des Bischofs mehr schmeichelten als die meinen - wiewohl ich seine Arbeit als grobschlächtig und unfertig benennen muss. Zu allem Übel ging das Gerücht um, dass unser von Gott gesegneter König Henry III Männer aushebe, um sein Erbrecht in Frankreich mit der Waffe in der Hand zu beanspruchen. Kurzum, die alte Heimat war mir fremd geworden und Fährnisse türmten sich auf, denen ich nur durch rasches Thun entgehen konnte. Also wanderte ich mit meinen Werkzeugen und meiner geringen Habe nach Warminster, in welchem Marktflecken aber keine Arbeit mich erwartete. Auch war die Nähe zu Wells noch zu gering, als daß ich in Sicherheit wäre, weshalb ich weiter zog nach Salisbury. Hier sah ich staunend den Bau der großen Kathedrale, noch prächtiger und größer als die Kirche von St. Andrew zu Wells, aber auch hier war für einen fahrenden Steinmetzen keine Arbeit zu haben. Schlimmer noch, es waren immer mehr Anwerber des Königs zu sehen und wiewohl ich die Kraft von zwei Männern in meinen Schultern habe und einen Hammer gar wohl zu schwingen weiß, mein Geschmack steht nicht danach, einem anderen Menschen Übles zu tun oder ihn gar mit der Pike zu durchstoßen. Ich fand, der einzige Weg, den Werbern der königlichen Armeen zu entgehen, lag in einer weiten Reise - weiter als die Küsten von Britannien - und so machte ich mich auf nach Southampton, eine Fähr nach Frankreich zu erlangen. Allein, die Kapitäne dieser reichen Stadt scheinen zu denken, daß ein Handwerksmann Gold schwitze, so hoch waren ihre Forderungen. Drum machte ich mich weiter auf und fand im neuen Hafen von Portsmouth eine wohlfeile Passage nach Harfleur. Dennoch, als ich den Fuß auf fränkischen Boden setzte (wie ich glaubte) wurde mir gewahr, daß diese Stadt zu gerade jenem Gebiet gehörte, dessen der gute König Henry begehrte und so machte ich mich eilends weiter auf gen Rouen. Die dortige Kathedrale läßt einen schaudern, so schön strebt sie gen Himmel. Dennoch, die Bauhütte war gut gefüllt und überdies: mit einem Engländer wollten diese Franzosen nicht gemein sein. Ich wanderte weiter, bevor mir Übles widerfahren wäre, und kam nach Beauvais, wo gerade die Planung einer neuen Kathedrale unternommen wurde. Hier war ich - da man bei Zeiten nach guten Handwerkern suchte - gar wohl gelitten und mir wurde offeriert, als Steinmetz für die Heiligenfiguren der Bauhütte bei zu treten. Selbst das Modell des Langschiffes, welches schon in den Gemächern des Baumeisters gefertigt war, wurde mir gezeigt - so sehr hatte den Baumeister meine Kunst eingenommen. Doch als ich sah, wie das Gewölbe des Langschiffs geformt werden sollte, fand ich (selbst mit meinen nicht über die Maßen ausgebildeten Rechenkünsten) das Verhältnis von Breite und Strebepfeilern nicht genügend. Mit der gegebenen Sorgfalt wies ich den Baumeister auf die Gefahr hin, doch er wollte nicht ab von seiner Vorstellung und argwöhnte, ich wolle im sein Amt streitig machen. Es gelang mir zwar, ihm diesen Gedanken fort zu reden - doch unter einem Baumeister mit solch gefährlichem Vorhaben wollte ich nicht arbeiten und so zog ich weiter. Die nächste Stadt, die zu nennen wäre auf meinem weiteren Wege, ist Reims. Auch hier bauten sie an einer Kathedrale, die - licht und hoch - ein wahres Zeugnis für die Größe Gottes werden würde; allein, man verweigerte mir Arbeit mit dem Grunde, dass meine Figuren dem Geschmacke des Bischofs nicht entsprechen würden und ich deshalb nicht der Bauhütte bei treten könne. Oder wenn selbiges, dann nur als einfacher Steinhauer - eine Zumuthung, die mir als verbriefter Meister nicht angeboten werden könne. So ging mein Weg weiter und ich besuchte die alte Zitadelle in Namur, aus der Zeit des großen Karl, wendete mich nach Lüttich (wo ebenfalls eine Kathedrale gebaut werden sollte aber dafür noch nicht ein einziges Mal die Schaufel in den Boden gefahren war) und gelangte über Aachen nach dem "Hillige Coellen", wie sie dort sagen. Der Dom dort, wiewohl rechtschaffen groß und prächtig, war jedoch zu klein, die ganze Gemeinde aufzunehmen und es sind Gerüchte mir zu Ohren gekommen, dass auch diese dunkle und abweisende Kirche, die ebenfalls den großen Karl schon gesehen hatte, weichen werde müssen zu Ehren eines neuen Domes, welchselbiger im gleichen Stile gebaut werden solle wie die Kathedralen zu Salisbury, Rouen, Beauvais und Reims. Ich habe mein Hiersein beschlossen. Mein Vermögen der theutschen Sprache ist nach der langen Wanderzeit hin reichend, mein Latein wird überall gut auf genommen und auch meinem Fränkisch gebricht es nicht an Übung. Obendrein sind allhie reiche Pfeffersäcke reich vertreten und meine Kunst wird von ihnen wohl geschätzt. Auch habe ich das Leben hier nicht zu theuer gefunden, so dass ich mir eben ein gutes Haus und eine grosse Werkstatt bauen lasse. Wenn dies Heim denn gegeben ist, wird sich auch ein gutes Weib finden lassen; auch hier habe ich bereits Ausschau gehalten und finde die Witwe des Schmiedemeisters zwei Anwesen von dem meinen gar sehr zu Gefallen. Auch sie scheint mir nicht abhold zu sein, und über kurz oder lang werde ich mich wohl der Frouwe Sabine erklären...