Die ältere und alte Frau im Hochmittelalter und ihre Kleidung

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Ich habe gerade keine Zeit die SNE (Slazburger Neidhart Edition) in der Bibliothek raus zusuchen und die entsprechenden Lieder abzutippen, deswegen nehme ich die eher unzureichenden Varianten von http://www.fabelnundanderes.at/sommerlieder.htm Nur um mal einen Eindruck zu geben, wie Neidhart (1. H. 13. Jh.), beziehungsweise eventuelle "Ergänzer" (13./14. Jh.), den Konflikt zwischen Mutter und Tochter um Ausgehen und Rausputzen wiedergegeben haben.
Sommerlied 1
1. Ein altiu diu begunde springen hôhe alsam ein kitze enbor: si wolde bluomen bringen. "tohter, reich mir mîn gewant: ich muoz an eines knappen hant, der ist von Riuwental genant. traranuretun traranuriruntundeie." 2. Muoter, ir hüetet iuwer sinne! erst ein knappe sô gemuot, er pfliget niht staeter minne." "tohter, lâ mich âne nôt! ich weiz wol, waz er mir enbôt. nâch sîner minne bin ich tôt. traranuretun traranuriruntundeie." 3. Dô sprach's ein alte in ir geile: "trûtgespil, wol dan mit mir! ja ergât ez uns ze heile. wir suln beid nâch bluomen gân. war umbe sollte ich hie bestân, sît ich sô vil geverten hân? traranuretun traranuriruntundeie." 1. Eine Alte sprang los, wie ein Zicklein hoch empor: sie wollte Blumen bringen. "Tochter, reich mir mein Feiertagskleid! Ich muss an eines jungen Ritters Hand, der nach Reuental benannt ist. Traranuretun traranuriruntundeie." 2. "Mutter haltet nur eure Sinne beisammen! Der Ritter denkt nicht dran, treu in der Liebe zu sein." "Tochter, lass mich ungeschoren! Ich weiß wohl, was er mir beteuert hat. Vor Sehnsucht nach seiner Liebe sterbe ich. Traranuretun traranuriruntundeie." 3. Froh rief sie da einer andern Alten zu: "Liebe Freundin, los, auf mit mir! Wir werden gewiss Glück haben. Wir wollen beide nach Blumen gehen. Warum sollte ich hier bleiben, da ich so viele Gefährtinnen habe? Traranuretun traranuriruntundeie."
Sommerlied 3
1. Fröut iuch, junge und alte! der maie mit gewalte den winder hât verdrungen, die bluomen sint entsprungen. wie schôn diu nahtegal ûf dem rîse ir süeze wîse singet, wünneclîchen schal! 2. Walt nu schône loubet. "mîn muoter niht geloubet, der joch mit einem seile", sô sprach ein maget geile, "mir bunde einen fuoz, mit den kinden zuo der linden ûf den anger ich doch muoz." 3. Daz gehôrte ir muoter: "jâ swinge ich dir daz fuoter mit stecken umbe den rugge, vil kleine grasemugge. wâ wilt dû hüpfen hin ab dem neste? sitze und beste mit den ermel wider in! 4. "Muoter, mit dem stecken sol man die runzen recken den alten als eim sumber. noch hiuwer sît ir tumber, dan ir von sprunge vart. ir sît tôt vil kleiner nôt, ist iu der ermel abe gezart." 5. Ûf spranc sî vil snelle. "der tievel ûz dir belle! ich will mich dîn verzîhen; dû wilt vil übel gedîhen." "muoter, ich lebe iedoch, swie iu troume; bî dem soume durch den ermel gât daz loch." 1. Freut euch, ihr Jungen und Alten! Der Mai hat mit Macht den Winter vertrieben, die Blumen sind entsprossen. Wie schön die Nachtigall auf dem Zweig ihr liebliches Lied singt, Freudenjubel! 2. Der Wald bedeckt sich mit frischem Laub. "Meine Mutter glaubt nicht, dass, selbst wenn man mit einem Strick", so sprach ein fröhliches Mädchen, "mir den Fuß festbände, ich doch mit den Mädchen zur Linde auf den Anger muss." 3. Das hörte ihre Mutter: "Wahrlich, ich werde dir schon das Futter mit dem Stock auf den Rücken schwingen, winzige Grasmücke. Wo willst du hinhüpfen aus deinem Nest? Bleib sitzen und näh mir den Ärmel wieder fest!" 4. "Mutter, mit dem Stecken soll man den Alten die Runzeln glätten wie einer Trommel. Ihr werdet dümmer von Jahr zu Jahr. Ihr sterbt noch an einer Lappalie, wenn euch bloß der Ärmel abgerissen ist." 5. Geschwind sprang sie auf. "Der Teufel soll in dich fahren! Ich will nichts mehr mit dir zu schaffen haben, du drohst ganz schlimm auszuarten." "Mutter, ich bin wach und bei Verstand, während ihr träumt. Am Saum geht das Loch durch den Ärmel."
Sommerlied 6
1. "Nu ist der küele winder gar zergangen, diu naht ist kurz, der tac beginnet langen, sich hebet ein wunneclîchiu zît, diu al der werlde vreude gît; baz gesungen nie die vogele ê noch sît. 2. Komen ist uns ein liehtiu ougenweide: man siht der rôsen wunder ûf der heide, die bluomen dringent durch daz gras. schône ein wise getouwet was, dâ mir mîn geselle zeinem kranze las. 3. Der walt hât sîner grîse gar vergezzen, der meie ist ûf ein grüenez zwî gesezzen: er hât gewunnen loubes vil. bint dir balde trûtgespil! dû weist wol, daz ich mit einem ritter wil." 4. Daz gehôrte der mägde muoter tougen; si sprach: "behalte hinne vür dîn lougen! dîn wankelmuot ist offenbâr. wint ein hüetel um dîn hâr! dû muost âne dîne wât, wilt an die schar." 5. "Muoter mîn, wer gap iu daz ze lêhen, daz ich iuch mîner waete solde vlêhen, dern gespunnet ir nie vadem? lâzet ruowen solhen kradem! wâ nu slüzzel? sliuz ûf balde mir daz gadem!" 6. Diu wât diu was in einem schrîne versperret: daz wart bî einem staffel ûf gezerret. diu alte ir leider nie gesach: dô daz kint ir kisten brach, dô gesweic ir zunge, daz sî niht ensprach. 7. Dar ûz nam sî daz röckel alsô balde, daz was gelegen in maneger kleinen valde. ir gürtel was ein rieme smal. in des hant von Riuwental warf diu stolze maget ir gickelvêhen bal. 1. "Nun ist der kalte Winter endlich vorbei, die Nacht sind kurz, die Tage werden länger. eine herrliche Zeit bricht an, die aller Welt Freude schenkt. Schöner haben die Vögel noch nie gesungen. 2. Ein strahlender Anblick liegt vor unseren Augen: unzählige Rosen sieht man auf der Heide, die Blumen sprießen durch das Gras. Mit frischem Tau war die Wiese benetzt, auf der mir mein Liebster Blumen zum Kranze las. 3. Der Wald weiß nichts mehr von seiner grauen Farbe, der Mai hat sich auf einen grünen Zweig niedergelassen. Neues Laub hat er in Fülle. Setz schnell deinen Kranz auf, liebe Freundin! Du weißt doch, dass ich zu einem Ritter will." 4. Das hörte des Mädchens Mutter heimlich. Sie sprach: "Hör auf, es länger abzuleugnen! Dein Leichtsinn liegt offen zutage. Bind dir lieber ein Kopftuch ums Haar! Du musst ohne dein Kleid gehen, wenn du zur Tanzschar willst." 5. "Liebe Mutter, wer gab euch das Recht dazu, dass ich euch um mein Kleid erst anflehen müsste? von dem ihr keinen einzigen Faden gesponnen habt? Hört auf mit solchem Spektakel! Wo ist der Schlüssel? Schließt schleunigst mir auf die Kammer!" 6. Das Kleid war in einem Schrank eingeschlossen. Mit einem Stuhlbein wurde er aufgezwängt. Die Alte hatte nie etwas Betrüblicheres gesehen. Als das Mädchen ihren Kasten aufbrach, verschlug's ihr die Sprache, so dass sie kein Wort mehr hervorbrachte. 7. Geschwind nahm sie das Röckchen heraus, das war in viele zierliche Falten gelegt. Ihr Gürtel war ein schmales Band. In die Hand des Reuentalers warf das übermutige Mädchen ihren buntscheckigen Ball.
 
Und ich verweise einfach mal in die nähere Vegangenheit. Wenn man sich alte Fotos bzw. Trachtenfeste ansieht, so fällt auf, daß die älteren Frauen eher gedecktere Farben tragen. Während bei den jüngeren das rot im Vordergrund steht. Ich glaube so eine Farbenwandlung fand nach der Hochezit statt, siehe Schwarzwälder Tracht, wo die Ehefrau auf die schwarzen Fabre zurückgreift. Oder die Stiefelfarben der Reitervölker und Russinnen. Eine junge unverheiratete Frau trug rote und eine verheiratete Frau trug schwarze Stiefel. Ich würde mich also mit dem Farbenkanon deiner Zeit beschäftigen, was welche Farbe bedeutet. LG
 
I.W.W.N.A. da hast du mich auf einen Gedanken gebracht: sehr schönes Beispiel ist dafür auch die Schwälmer Tracht (Nordhessen). Die Schwälmer Tracht bedient sich der Farben Rot, Blau, Grün und Schwarz. Rot ist für die junge unverheiratete Frau Grün und Blau für die verheirateten Frau, wobei ab 40 die Farbe wechselt von Grün auf Blau oder von Blau auf Grün weiß ich nicht mehr :whistling: Schwarz: tw. die Witwentracht oder die der "alten Frauen" die nicht zwangsläufig Witwen sein müssen. Die Farben spiegeln sich in der Kopfbedeckung und in der Bestickung der Trachtbestandteile wieder.
 
Da ich beinahe 41 bin, finde ich dieses Thema sehr spannend und erheiternd. Ich kann auch nur ein paar "ich glaube" hinzufügen: Mir scheinen Stand und Status ausschlaggebender, als das Alter. Und mit dem Schmuck verhielt es sich vielleicht so, dass man sich als Verheiratete nicht mehr schmückte, um seine Schönheit zu unterstreichen und aufzufallen, z.B. mit Bändern im Haar, leuchtenderen Farben usw., sondern eher zeigte, was man hatte und was den Stand unterstrich. Also waren dann vielleicht die Qualität der Kleidung und der Wert des Schmuckes wichtig, um zu zeigen, wie betucht man war. Dass der Kleiderschnitt sich dem Alter anpasste, glaube ich nicht, denn Jahrhundertelang haben sich Frauen jeden Alters in Korsette gezwängt. Jede Figur war damit als (fast) nackte Tatsache sichtbar. Damit kam mir eine weitere Frage in den Sinn: Wieviel Schmuck hatte eine Bürgersfrau? Überhaupt welchen? War es unchristlich, weil verschwenderisch, Schmuck zu tragen? Oder verzierte man die Dinge, die man sowieso trug, wie Fürspane oder Gebendenadeln?
 
@Heidensohn: danke für die Lieder, vom Neidhart kenne ich nur das Lied, das jeder kennt. Aber es zeigt sich einmal mehr: an zeitgenössischer Literatur kommt man nicht vorbei. Ich sollte mich dringend wieder reinknien (nur wann *seufz*) @I.W.W.N.A: du meinst den Bollenhut? Stimmt, die Verheirateten tragen ihn schwarz. Der Bollenhut wird aber nur in drei Dörfern getragen, ansonsten gibt es hunderte von Trachtentypen im Schwarzwald. In meiner Heimat ist das die Fürstenberger Tracht, die unverheirateten Frauen tragen einen aufwendigen kronenähnlichen Kopfputz mit roten Bändern - das heißt übrigens Schäppel oder Schappel! - und die verheirateten tragen eine schwarze Haube mit Silberlahnstickerei. @alle: im Moment scheint es mir so, dass die Kleidung doch altersunabhängig zu sein scheint, vielleicht ein wenig konsolidierter. Und offenbar gab es damals schon Frauen, die ihren zweiten Frühling erlebten. :whistling: :D
 
War es nicht so, das Frauen, einen Vormund brauchten ? Also ständig Jemanden hatten, der über sie bestimmt haben ? Und auch seltenst wählen konnten, ob oder wen sie heiraten ? Witwendasein war auch nicht so angesagt, irgendwie mußte frau ja versorgt sein. Nur so im Hinblick auf "ich schmücke mich, weil ich gefallen will". Obwohl es ja auch gerade dann Sinn macht, den Blick gezielt zu lenken - oder auch nicht. Staussymbole werden auch damals eine große Rolle gespielt haben. Die Symbolik der Farben ist mit Vorsicht zu gebrauchen, es gab, zu den unterschiedlichen Zeiten für jeder Region/Stadt eigene Kleiderordnungen.
 
War es nicht so, das Frauen, einen Vormund brauchten ? Also ständig Jemanden hatten, der über sie bestimmt haben ? Und auch seltenst wählen konnten, ob oder wen sie heiraten ? Witwendasein war auch nicht so angesagt, irgendwie mußte frau ja versorgt sein.
Zumindest so in der Richtung. Soweit mir bekannt konnte eine Witwe den Handwerksbetrieb ihres Mannes zeitlich befristet (!) mit Zustimmung der Zünfte weiterführen. Das wurde daher wohl nur als Übergangslösung bis zur nächsten Heirat gesehen. Und was die Kleiderordnung angeht hab ich zwar auch nichts genaues, aber ich meine schon, dass es da - wenn auch ggf. ungeschriebene - Regeln gab. Ab einem gewissen Alter meine ich immer mal "zwischen den Zeilen" gelesen zu haben, dass Frauen, auch wenn sie noch unverheiratet waren, nicht mehr wie junge Mädchen gekleidet waren, sondern ihre Kleidung doch eher an die der verheirateten Frauen "anpassten". Z.B. was das Tragen von Bändern im Haar bzw. offene Haare oder Schmuck angeht... wenn ich mich da an Beschuldigungen der Hexenprozesse (okay, die waren ja meist etwas später) erinnere, dann war Putzsucht, unschicklicher Schmuck (wozu ja schon ein einzelner Bernsteinanhänger zählen konnten) und zu aufreizende Kleidung durchaus Grund unzüchtiges und auch strafbares Handeln zu vermuten. Unter solchen gesellschaftlichen Gegebenheiten konnten sich wohl eher nur sehr wohlhabende verheiratete Frauen aus dem Adel "einen zweiten Frühling" leisten ;)
 
Zur Munt Es war üblich, daß die Frau aus der Munt der Eltern in die Munt des MAnnes übergeben wurde. Sie konnte aber als Witwe freier entscheiden. Nehmen wir eine schwangere Witwe siehe Sachsenspiegel, der Artikel ist mir aber entfallen, werde ihn nachtragen), diese daurfte auf dem Hof des Mannes leben bis das Kind zur WElt kam, unter Zeugen. Unter zeugen deshalb, da sie diesen Hof nur behalten konnte, wenn es ein Junge war. Danach war sie selbst in ihrer Munt und konnte den Jungen ohne Mann aufziehen, daß wäre aber wirtschafltich nicht so gut gegangen. War es ein Mädchen, mußte sie den Hof auf Jahr und Tag räumen und kamm wieder unter die Munt der eigenen Familie. Man kann es also nicht so pauschalisieren. Kleiderfrage von 'alten Jungfern' Ich sage nur JUNGFERNKRANZ im vergleich mit bunten Kinderschleifchen bei erwachsenen Frauen. Manche Dinge sahen damals und heute genauso lächerlich aus. Und die Mentalität der Menschen ändert sich in dem Punkt nur geringfügig, keienr will sich dem Spott aussetzen. Und sich auch als 'Sitzengelassene' ;) wollte man sich eine gwisse Würde bewahren.
 
Die Reichweite der Munt war wohl zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich ausgestaltet: Bei den Langobarden z.B. stand eine Frau immer unter der Muntgewalt eines Mannes, entweder der ihres Vaters, eines Bruders oder Onkels, des Ehemannes - und als Witwe, wenn sich in der ganzen Verwandtschaft kein Mann auftreiben ließ, unter der des Königs. So regelt es jedenfalls das Ediktum Rothari, eine Gesetzessammlung aus dem 7. Jh. Die Frau kann zwar Eigentum haben, darf aber nicht alleine darüber verfügen (das ist immerhin mehr, als Frauen in der Bundesrepublik vor 1957 durften). Zu anderen Zeiten (und in anderen Gesellschaften?) war es dagegen durchaus möglich, dass eine Frau im Namen ihres unmündigen Sohnes Geschäfte führte oder sogar im eigenen Namen handelte. Anders kann ich mir jedenfalls die Eintragungen in Zunftlisten nicht erklären; einige Zünfte bestanden ja ausschließlich aus Frauen. Vielleicht hat Muntgewalt dann nur noch die Bedeutung von "vor Gericht nicht eidfähig".
 

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