Mal unabhängig davon, dass wir hier ja zum Großteil gar keine Wissenschaftler sind, oder?
Für den Augenblick und das betreffende Thema im Besonderen völlig richtig. Aber einige von uns haben gelernt, wissenschaftlich zu arbeiten. Die richtign Mittel und Zielsetzungen vorausgesetzt, wäre ich z.B. jederzeit imstande, ein wissenschaftliches Arbeiten wieder aufzunehmen.
Habt ihr jetzt endlich, nach Seitenweise Geplänkel einen Beleg für Crossdresser in der späten skandinavischen Eisenzeit gefunden? ... ich frage für einen Freund..
Das dürfte wohl leider schlicht unmöglich sein, oder besser: in höchstem Maße unwahrscheinlich (Immer Vorsicht mit Universalquantoren wie "alle", "keiner" "nie", "unmöglich"...
) Denn um in etzter Konsequenz sicher zu sein müssten wir ein vernetztes System von Belegen haben, welche aus mehreren Quellenarten, darunter im Idealfall auch Realien bestehen, die sich gegenseitig ergänzen, bestätigen und den Interpretationsraum einengen. Dass uns dieser Glücksfall beschert wird, davon gehe ich nicht aus. So ist es etwa heutzutage bei aller gesellschaftlichen Akzeptanz eher unüblich, dass jemand im Latex-Ganzkörperkondom, im Bugs-Bunny-Körperkostüm oder gefesselt mit Peitsche beerdigt wird, auch wenn er womöglich im Leben total drauf abfuhr. Oder, um mal rein zur Geschlechtsdiversität zurückzukommen, selbst "diverse" verstorbene Männer werden auch heutzutage höchst selten in Frauenklamotten beigsetzt. Umgekehrt (Frau in Männerklamotten) wäre das nicht so aussagekräftig, da eine maskuline Kleidung auch ganz ohne drittes Geschlecht für Frauen seit Jahrzehnten modisch etabliert ist. (Sonst wären deutsche Politikerinnen ja allesamt Transen) Und selbst wenn wir unübliche Grabbeigaben in alten Gräbern finden: Das Problem ist, wie gesagt, nicht die Faktenlage, sondern deren Interpretation. Liegt bei einem Mann im Grab ein Suppentopf, dann beweist das zuallererst einmal nur, dass hier ein Mann mit einem Suppentopf beerdigt wurde. Alles Weitere ist bereits Interpretation (ein seriöses Wort für nichts anderes als "mehr ode weniger begründete Spekulation") Vielleicht aß er im Leben gerne Suppe? Vielleicht hat er seinen Lebensunterhalt mit der Herstellung von Suppentöpfen verdient? Vielleicht ging man davon aus, dass im Jenseits ein Suppentopf nützlich wäre? Daraus irgendetwas Genderrelevantes abzuleiten ist
eine mögliche Erklärung, aber eben nur
eine. Die einzige zuverlässige Aussage, die ich aus einem solchen Fund ziehen kann, ist, dass es nicht unmöglich war, einen Mann mit einem Suppentopf zu beerdigen. Die Existenz von Gesetzen wiederum ist ebenfalls nur bedingt aussagekräftig. Wenn es Frauen verboten war, in Männerkleidern herumzulaufen, dann lässt das darauf schließen (Vorsicht, es ist kein zwingender Beweis), dass so was offenbar vorkam, denn warum hätte man es sonst verbieten sollen? Es existieren ja auch keine Gesetze, dass es Männern verboten war, nach Sonnenaufgang um den Schornstein zu fliegen. Wozu etwas verbieten, wenn es gar nicht vorkam? Sehr einleuchtend, dieses Argument. Aber einleuchtend heißt eben auch noch lange nicht automatisch zutreffend. In späteren Zeiten gab es ausgeklügelte Gesetzeswerke, was die Paarung mit dem Teufel, das Verhexen von Leuten und das Fliegen auf Besen betraf. Ist das nun ein Beweis, dass so etwas tatsächlich häufiger vorkam? Ganz abgesehen davon geht as ja in diesem Thread eben gar nicht darum, crossdressende Wikinger zu belegen. Es geht - man verzeihe die Wiederholung - um die Methodiken, derer man sich bei der Suche nach einer Antwort bedient.
@Panzerreiter: Was verliere ich denn, wenn ich zunächst einmal grundsätzlich davon ausgehe, dass solche Geschlechtermodelle auch im mittelalterlichen Europa existiert haben können?
Aber wieso sollte ich denn davon ausgehen? [...]
Zuerst einmal ist es wichtig, dass man von einem Konjunktiv ausgeht. Es
könnte sie gegeben haben. Das tut Fifill ja auch. Was ich dabei gewinne ist, dass ich mich wappne gegen das Dogma des Gegenteils. "Ach, so was gab's doch gar nicht!" Denn auch diese Annahme entbehrt jeglichen Beweises, auch wenn sie auf den ersten Blick die überzeugendere Meinung sein mag. Ich eröffne dadurch meinem Bewusstsein einen Weg der Ergebnisoffenheit, in dem ich mich zwinge zu fragen "warum denn nicht?" Der Spruch "Nur weil man etwas nicht gefunden hat, heißt das noch lange nicht, dass es das nicht gegeben hat" hat es in die Top Ten des ********-Bingos geschafft. Aber, sorry, Leute, trotzdem ist er
grundsätzlich vollkommen korrekt! Dass er von diversen (nicht gendertechnisch) Gromis gerne als Pseudobeweis für jeden Mist missbraucht wird, weil die damit nicht umgehen können, ändert nichts daran, dass er im Grunde zutrifft. Es ist also nicht verwerflich, die mögliche(!) Eistenz von etwas anzunehmen, was bei der gleichen Spezies (**** Sapiens) in anderen Ecken der Welt nachweislich existierte und existiert. Natürlich ist es kein Beweis, aber es ist eine brauchbare Arbeitshypothese, um sich einer Problematik anzunähern.
@Panzerreiter weshalb ich das mehr als fragwürdig im Umkehrschluss finde ist erstmal der Grund, dass schlecht mehre Phänomene bei einer Stichprobengröße von 1 zu beobachten wären.
Sehe ich nicht so. Weshalb ist Gott nicht explizit geschlechtsneutral oder Mann und Frau gleichzeitig? Das wäre auch bei einer einzigen Person problemlos möglich. Grundsätzlich hat der Pantheon-Ansatz ja schon etwas Reizvolles. Wenn jemand gerne einen über den Durst trank und alles vögelte, was nicht bei drei auf den Bäumen war, dann war er halt ein Liebling Dionysos'. Das ist nicht so viel wert wie ein Liebling Athenes' oder Zeus' zu sein, aber immerhin - Gott ist Gott. Insofern also durchaus einleuchtend, dass das Vorhandesein einer menschlichen Besonderheit in der Götterwelt auf eine gewisse Akzeptanz in der menschlichen Gesellschaft schließen lassen könnte - sofern der Betreffende das halbwegs sozialverträglich auslebte. Aber die Götterwelt, darauf wies ich ja schon hin, hat nie das Idelamodell der Gesellschaft abbilden sollen. Der eitle Apoll ließ schon mal sterbliche Herausforderer im Musikwettstreit nach deren Niederlage bei lebendigem Leib häuten. Trotzdem war das im irdischen Sangeswettstreit eher nicht so gerne gesehen. Und auch Betrug und Diebstahl waren in Griechenland nicht straffrei, bloß weil Hermes da eine Schwäche für hatte. Von den Vorlieben diverser Todesgottheiten mal ganz abgesehen.
Aber wie angemerkt ist der anatomische Punkt aus meiner Sicht aussagekräftiger, wenn es um den Beweis von kämpfenden Frauen geht - was mir da vorzuwerfen wäre, wäre höchstens, dass dies eher zum anderen Thread gehöre.
Aus meiner Sicht auch. Und nein, das gehört nicht in anderen Thread, weil es eben eine belastbare Methodik wäre.