Eine Geschichte zu meiner Darstellung--Ist das nötig oder falsch

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Schwester_Amalia

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Hallo zusammen, folgende Problematik und deswegen im LH Bereich: Einige von euch haben sich fürh ihre Darstellung fiktive Namen überlegt und diesen Namen durch eine fiktive Geschichte Leben eingehaucht. Warum? Hintergrund meines Threats ist folgender: Ich hatte neulich eine Diskussion über das Thema "sich selber eine Geschichte erfinden" Meine Schwester z.B verweigert dies, sie hat sich zwar einen Namen überlegt, aber keine Geschichte. Ihr Argument war "Warum soll ich eine Vergangenheit für mich erfinden? wieso muss ich eine Figur erfinden, dann kann ich ja gleich LARP betreiben. Ich suche mir eine Figur, erfinde dazu einen Charakter und lauf damit durch die Gegend. Wie im LARP" Ja gute Frage Ist es falsch z.b auf einer Museumsveranstaltung zu sagen ich stelle Maria von Schlagmichtot dar aus dem Jahre 1250 Tochter eines Fürsten in Beispielort. Diese Personen hat es aber nie gegeben! Oder wäre es besser zu sagen ich stelle z.b Hermann von Salza dar, Hochmeister des DO im Jahre 1217. Von dem Herrn gibts mehrere Bilder, juhu simple Darstellung, passt. Dann könnte man dem Besucher wahre Geschichte vermitteln?? Wäre das besser? In der Tat weis ich von einem Verein, die Handhaben das so, die nehmen echte Namen welche es in der Geschichte gab und versuchen diese darzustellen. Was sind eure Meinugen dazu? Ich muss sagen die Aussage meiner Schwester hat mich doch schon sehr ins grübeln gebracht.
 
Ich bin derselben Meinung wie Silvia: Ein Name reicht, um zu zeigen, wie man in der dargestellten Zeit geheissen haben KÖNNTE. Stellt jemand eine reale Person dar, so muss natürlich auch die Geschichte dazu passen.
 
Die Sache ist im Grunde ganz einfach. Wenn du eine Darstellung in der "First-Person-Party" also in der ersten Person anbietest, dann könntest du auf Museumsveranstaltungen auch nur diese anbieten. Spätestens aber, wenn Verständnisfragen des Publikums kommen wirst du von dieser Rolle automatisch in die "Third-Person-Party" also in die dritte Person wechseln müssen. Erst in dieser Rolle kannst du Informationen zur Sachkultur, zur Bekleidung oder auch zu Objekten in der heute gängingen Ausdrucksweise erklären und wirst von jedem problemlos verstanden. Du wärst also dein eigener Moderator. In der "First-Person-Party" hättest du gar keine Chance, das so zu erläutern. Aus diesem Grund sind die meissten Darsteller in diesem Bereich gleich von vornhein in der "Third-Person" unterwegs. Also finde ich es besser zu sagen, das man z.B. einen Handwerker darstellt, der um 1217 in Hamburg gelebt haben könnte, als wenn man sich eine konkrete Figur dazu heraussucht. (Wobei hier unerheblich ist, ob diese Figur nun real existiert hat, oder fiktiv ist).
 
Also, da du ja explizit den LH-Teil angesprochen hast, gebe ich deiner Schwester in dem Fall recht. Das schon mal vorweg. Eine fiktive Geschichte um einen Charakter herum ist immer so eine Sache. Will ich eine Geschichte erzählen mag dies nötig sein, will ich den Leuten zeigen wie man damals gekocht, gearbeitet, Dinge hergestellt oder anders ausgedrückt schlicht weg gelebt hat ist dies nicht der Fall. Und genau das passiert in der Living History. Man zeigt den Leuten die Lebensweise in Kleidung und Tat und hat es nicht nötig dazu noch eine fiktive Geschichte zu weben. Besonders deutlich wird dies wenn man folgenden Fakt beleuchtet, hierfür nehme ich einfach mal mein altes Ego her, welches ich durchaus früher hatte. Gotfried von Pochsberg, Ministeraler aus dem Hause Hirschberg, Geburtsdatum, Geschichte, Werdegang - alles Vorhanden alles selbst ausgedacht weil der tatäwschliche Ministeriale auf der Burg für meinen gewählten Zeitrahmen nicht nachweisbar war. Soweit so gut, bis ich folgenden Gedankengang in meinen Kopf herumwälzen ließ. Wenn ich nun das Jahr 1269 n. Chr. darstelle, was mache ich dann nächstes Jahr damit? Und was mache ich in zwanzig Jahren? Stelle ich dann immer noch das Jahr dar welches ich darstellen wollte oder muss ich dann zwangsläufig das Jahr 1289 n. Chr. darstellen? Begonnen hab ich den Charakter damals mit 20 Jahren also würde man ihm ja schon eine gewisse Alterung ansehen, also würde es Sinn machen mein Darstellungsdatum auch zu ändern. Lass das mal jemanden im 14. Jahrhundert passieren. Für den würde das bedeuten sich alle Dekade eine komplett neue Gewandung und Rüstung zuzulegen ... Weiter gesponnen in Hinblick auf meine Tätigkeit im Geschichtspark Bärnau-Tachov. Gotfried spielt dort natürlich keine Rolle mehr, ich hab ihn sowieso abgelegt. Aber was mache ich nun mit meinen Handwerker? Unser Haus ist auf das Jahr 1260 festgelegt, egal wie alt ich werde. Da ist nix mit weiterentwickeln. Ich stelle dieses Jahr das Jahr 1260 dar, genauso wie nächstes Jahr und auch noch in Zehn Jahren wird das so sein. Ergo macht ein Charakter mit einer Lebensgeschichte keinen Sinn und wenn ich dochmal bei einer Besuchergruppe eine Verbildlichung mit Namen und allem drum und dran brauche, dann tuts auch ein einfacher Name. Dann kann ich immer noch sagen, ich bin der Hans und vom Beruf her Taschner und gut. Anders sieht das schon wieder im Bereich des Reenactments aus. Dort benötige ich für die Hauptpersonen Rollen und in dem Fall auch tatäschliche historische Größen Dort macht es auch einen gewissen Sinn selber einen Namen - eine Rolle - zu haben für die Dauer des Events, aber auch nur da und nur in Absprache mit dem Veranstalter eine tatsächliche historische Person. Im Alltäglichen Rahmen finde ich den Ansatz historischer Größen falsch und vermessen. Dann lieber eine fiktive Person, aber dass ich mir herausnehme - ich übertreibe mal ein wenig für die Dramatik - Kaiser Friedrich II. darzustellen ist nicht okay. Weil ich dem nicht gerecht werden kann und außerdem Gefahr laufe, dass ich mir selber nochmal dreimal auf der selben Veranstaltung wieder begegne. wirklich historische Persönlichkeiten in der Darstellung sollten deshalb immer im Ermessen des Veranstalters bleiben. EDIT: Ich habe übrigens schon Darsteller getroffen und hab sie gefragt warum sie ihr altes Wappen dieses Jahr nicht dabei hatten. Die Antwort war, dass der wahre Erbe ihrer Darstellung sie auf Unterlassung verklagt hätte. Nur mal so ... ;)
 
Kann mich auch nur den bisherigen Konsens anschliessen. Eine Hintergrundgeschichte aufzubauen finde ich unnötig. Wenn ich bei Belebungen dabei bin oder sonst auf dem Markt sage ich nie das ich der und der bin sondern eher ich versuche einen Handwerker darzustellen wie es ihn darmals gegeben haben könnte. Schwingt bei mir aber auch mit das ich schon gefühlte zu viele wirr zusammen gewurstelten Hintergrundgeschichten gelesen habe die historische und oder logische Lücken aufwiesen.
 
Ich finde es auch recht unnötig...zumal in die meisten fiktiven Selbstbeschreibungen oft der Hang zur Übertreibung einfliesst...getreu dem Motto "Nachdem Name einsetzen zwölf Berserker mit einem Bündel seiner eigenen Nasenhaare erschlagen hatte, musste er fliehen und entdeckte Island, Grönland und den Mond. -oder bei Frauen oft "Weil sie nicht das Heimchen am Herd sein wollte übte sie heimlich das Kriegshandwerk" oder ähnlichen Fubbes....Name reicht. Diese "Charaktergeschichten" dienen mehr der Selbstbeweihräucherung als der Information. Und darum gehts doch schliesslich.
 
Ich finde es auch unnötig, eine Geschichte zu erfinden. Höchstens den Namen ändern oder anpassen, so dass man vieleicht nicht gerade eine Cindy oder Jaqueline auf einem Markt ruft, aber einer erdachten Geschichte bedarf es meiner Meinung nach nicht. Ich stelle einfach mich dar, nur eben ein paar Jahre vorher. mit leicht angepassten Namen.
 
Leute die mir mit ihrer Geschichte kommen sage ich immer "Wer keine Geschichte hat, muss eine erfinden". :D Geschichten sind überflüssig und Gromi. Zb. Ich bin der Wikinger Smöre Knäckebröd aus Wasaland und die Hörner auf dem Helm hat mir meine Frau aufgesetzt. :kopfwand Wichtig ist, dass die Darstellung richtig gezeigt, und vor allem richtig erklärt wird.
 
Hallo! Ich weigere mich auch gegen Geschichten - jedoch nicht gegen Belege für eine Darstellung. Z.B. habe ich erst kürzlich im Archiv einen Textbeleg gefunden, dass es in Wien in meinem Darstellungszeitraum sehr wohl eine Färberwitwe gab, die auch als solche in dem Beruf (aktiv oder passiv bleibt unklar) definitiv tätig gewesen zu sein schien. Somit kann ich sagen meine Darstellung einer Färberin um 1350 ist anhand dieser Textquelle nicht absolut aus der Luft gegriffen ist, sondern sehr wohl eine historisch belegbaren Hintergrund hätte. Mir deshalb ihren Namen anzueignen oder ein Märchen dazu zu erfinden, würde ich jedoch nicht tun.
 
Es ist ein nice-to-have für den typischen Reenactor denke ich. In der SCA (als quasi "Recreation"-Organisation) jedoch gehört es zu unserem Regelwerk dass keine Personen dargestellt werden dürfen die es tatsächlich gegeben hat. Allerdings heißt doch noch lange nicht dass wir Robin Hood oder andere Fantasie-Figuren darstellen dürfen, sondern unsere "Persona", sofern man eine genauere anlegen möchte, soll historischen Gegebenheiten der gewünschten Zeitperiode (die SCA umfasst immerhin die Zeit des europäischen Mittelalters pre-1600) folgen, einschließlich Name, Wappen und Hintergrundgeschichte. In wiefern man das jetzt ausschmückt ist jedem selbst überlassen. Ist aber ne nette Sache und die Frage "Wie habe ich auf der Marienburg im letzten Jahrzent des 14. Jh. gelebt?" gibt doch schonmal einen schönen Anreiz für Nachforschungen aus denen man dann sogar eine Geschichte erzählen kann.
 
Ist aber ne nette Sache und die Frage "Wie habe ich auf der Marienburg im letzten Jahrzent des 14. Jh. gelebt?" gibt doch schonmal einen schönen Anreiz für Nachforschungen aus denen man dann sogar eine Geschichte erzählen kann.
:thumbup: ... sehe ich auch als Mittel, sich mit seiner Rolle und seiner Region intensiv zu beschäftigen. Ein Handwerker auf einer musealen VA sollte nicht nur sein handwerk beherrschen, sondern z.B. auch die soziale Stellung seines Gewerks. Dabei ist eine Geschichte nur ein Mittel... geht problemlos auch ohne.... macht aber vielleicht weniger Spaß :rolleyes:
 
Ich habe Geschichten um die eigene Darstellung immer als Rechtfertigung für seltsame Kleiderstile erlebt (Mischung durch die Kulturen und Jahrhunderte): Erbstücke der Großmutter aus Byzanz, geraubter Hunnenbogen etc. Also eine Erweiterung der "Die waren ja nicht dumm damals-Theorie" ;)
 
So ähnlich sehe ich das auch, wobei es mir durchaus hilft, etwas Geschichte um meine Figur herum zu basteln, um mehr erzählen zu können. Eigentlich bin ich schließlich nur deshalb Nonne geworden, um ein zweites Hobby (Kalligraphie und Malerei) zu integrieren. Die Idee war, sich hinzuhocken und das vorzuführen. Andererseits ist es mir auch ein bisschen wenig, nur zu sagen: Ich bin Nonne und male/schreibe. Also waren meine erste Fragen: Was für einem Orden müsste meine Figur angehört haben, um das zu tun? Hätte sie sich überhaupt in der Öffentlichkeit bewegt? Würde sie mit anderen Menschen sprechen (als Zisterzienserin hätte ich die beiden letzten Fragen schon mal mit "nein" beantworten müssen). Das führte dann ziemlich schnell zu der Frage nach dem "passenden" Kloster und der, welcher gesellschaftlichen Schicht so jemand angehört hätte. Nicht zu vergessen, welche Gründe es gab, ins Kloster zu gehen ... Genauso muss ich als Magd wissen, wer meine Herrschaft ist, was meine Aufgaben sind, wer alles über und wer alles unter mir steht usw. Die meisten Besucher werden davon nichts mitbekommen und natürlich kann man sich Hintergründe auch abstrakt aneignen. Aber für mich ist es einfacher, mit einer konkreten Fragestellung zu einer bestimmten Figur an die Sache heran zu gehen, da ich das Angelesene dadurch besser behalte.
 
Ich hatte auch mal eine angefertigt. Auf "Druck" meines damaligen Vereins. Finde dies an sich nicht nötig, allerdings hatte es den Vorteil das man sich mal mit der eigenen Geschichte und der seines gewählten Umfeldes beschäftigt. Da kann man noch einiges lernen.
 
Die Frage ist ja auch immer: Wem und wann willst du die Geschichte erzählen? Uns fragen auf Veranstaltungen die Leute meistens zwar "Was seid ihr?", die Antwort ist aber meistens: "Wir stellen Handwerker und Bürger des mittelalterlichen Wien dar." Und mehr muss man dann auch nicht wissen und wollen die Leute auch nicht wissen. Das Gespräch entwickelt sich nie so, dass ich Gelegenheit hätte, diese Geschichte zu erzählen. Ich stelle mich mit meinem wirklichen Namen vor und tu auch nicht so, als wär ich wirklich ein historischer Mensch. Ich möchte so aussehn wie einer und die Dinge tun, die er getan hat, aber immer mit dem bewussten Abstand: "Ich bin ein Mensch der Gegenwart, der euch visuell vorführt, wie Dinge damals ausgesehen haben." Ich erzähle dann, wie der Alltag der Menschen damals war, zeige an mir selbst, wie sie ausgesehen haben, aber was nutzt meinem Besucher da ein erfundenes Drehbuch. Ich glaube nicht, dass der Besucher so eine fiktive Geschichte benötigt, um sich vorstellen zu können, was ich meine. Unser Fokus liegt allerdings auch auf Handwerk, möglich, dass sich das bei Gruppen mit Showelementen usw anders verhält. Aber die Realität bringt so eine Gruppe durch eine erfundene Geschichte auch nicht besser herüber. Ausgenommen davon sind natürlich klassische Reenactor wie von dem Ami-Gruppen bei ihren Schlachtnachbildungen usw, aber das ist ja auch ein ganz anderes Genre. Reenactment ist ja nach wie vor nicht das selbe wie Living History. Ich glaub der Begriff sagts eh schon von selbst. Ich mache Geschichte in mir lebendig und dass es lebende Geschichte (!) sein kann, setzt voraus, dass ich im Gegenstück die Gegenwart mitbringe.
 
hui vielen Dank für eure Beiträge. Genau das was Rotschopf sagte habe ich mir auch schon oft gedacht... wann soll man die Geschichte denn erzählen??? Wie oft habe ich mir die Homepages von Gruppen angesehen wo ewig lange Geschichten dabei stehen (ich schliese unsre da nicht aus) und ganz ehrlich, wenn ich mir dann 3 von 20 Geschichten ganz durchlese ist das viel. Meistens überfliege ich das oder lese die ersten 2 Sätze. Anderseits das Argument von Eilika finde ich auch super. Sich mit seiner Darstellung auseinandersetzen. Ja richtig ich muss mich informieren um meiner Figur leben einzuhauchen, damit da nicht irgend ein blabla rauskommt. Da musst ich an meine erste Geschichte denken, völlig blauäugig auf Druck eine geschrieben. 1 Jahr später hab ich die komplett umgeworfen, eben weil ich mehr Fakten hatte. Ich glaube für "Neulinge" ist es nicht schlecht sich eine Geschichte auszudenken um eben wie Eilika sagte die Eckdaten zu behalten und sich damit auseinander zu setzen. Das wäre ein gesunder Mittelweg. Auch Tordis ihren Beitrag muss ich voll und ganz zustimmen. Wenn man sich viele (nicht alle!) Geschichten durchliest, sind die meist völlig überzogen und rechtfertigen Sachen wie Kaffe " Ich bin Wikinger und es ist erwiesen das die Wikinger auf ihren Raubzügen bereits Amerika entdeckten, also darf ich Kaffe trinken und Kartoffeln essen" (wahre Geschichte, wurde mir bereits so erzählt)
 

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