Jorunn
Well-known member
Ich finde das sehr schön, wie Du es formuliert hast. Denn hier kann man den grundlegenden Unterschied zwischen einer fiktiven Geschichte und der Vermittlung kultureller Hintergründe erkennen. Auf den ersten Blick mögen die beiden Herangehensweisen ähnlich sein, bei näherer Betrachtung jedoch sind sie so unterschiedlich wie Feuer und Wasser. Eine fiktive Geschichte mit pathetischen Aussagen wie "Das arme gebeutelte Waisenmädchen wurde in seiner Not von der XY-Sippe aufgenommen, im Kampf unterrichtet und zieht seither rastlos durch die Lande" gehört tatsächlich mehr in den Bereich des LARP. Eine ernsthafte historische Darstellung mittelalterlichen Lebens (egal, welche Epoche) kommt aber tatsächlich ohne die Kenntnis der kulturellen Hintergründe nicht aus. Dabei ist m.E. keinerlei Notwendigkeit da, eine Person zu "spielen" (es sei denn, die gesamte VA ist als solches konzipiert), denn der Mensch, der in der Klamotte steckt, ist immer noch der moderne Mensch, der sein Wissen weitergibt. Der Unterschied: "Ich bin eine Kaufmannsfrau, die durch den Handel mit teuren Stoffen zu Reichtum gekommen ist und deshalb zeigt, was sie hat ." "Die städtischen Einwohner imitierten in dieser Zeit die Schnitte und Stoffe des Adels, weshalb aus Sicht der Stadt Kleiderordnungen zur Erhaltung von Anstand und Sitte notwendig wurden. Darin werden z.B. teure Stoffe wie Damast, Samt und Taft verboten, ebenso wie Perlen und Gold an den Kopfputzen. Eine Kaufmannsfrau wie diese hier konnte durch teure und voluminöse Stoffe zum Ausdruck bringen, dass sie sich diese leisten könne."So ähnlich sehe ich das auch, wobei es mir durchaus hilft, etwas Geschichte um meine Figur herum zu basteln, um mehr erzählen zu können. Eigentlich bin ich schließlich nur deshalb Nonne geworden, um ein zweites Hobby (Kalligraphie und Malerei) zu integrieren. Die Idee war, sich hinzuhocken und das vorzuführen. Andererseits ist es mir auch ein bisschen wenig, nur zu sagen: Ich bin Nonne und male/schreibe. Also waren meine erste Fragen: Was für einem Orden müsste meine Figur angehört haben, um das zu tun? Hätte sie sich überhaupt in der Öffentlichkeit bewegt? Würde sie mit anderen Menschen sprechen (als Zisterzienserin hätte ich die beiden letzten Fragen schon mal mit "nein" beantworten müssen). Das führte dann ziemlich schnell zu der Frage nach dem "passenden" Kloster und der, welcher gesellschaftlichen Schicht so jemand angehört hätte. Nicht zu vergessen, welche Gründe es gab, ins Kloster zu gehen ... Genauso muss ich als Magd wissen, wer meine Herrschaft ist, was meine Aufgaben sind, wer alles über und wer alles unter mir steht usw. Die meisten Besucher werden davon nichts mitbekommen und natürlich kann man sich Hintergründe auch abstrakt aneignen. Aber für mich ist es einfacher, mit einer konkreten Fragestellung zu einer bestimmten Figur an die Sache heran zu gehen, da ich das Angelesene dadurch besser behalte.