Erbfolge im 12. Jh

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Lena-

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Oje, oje, jetzt komme ich schon wieder mit einer Frage an, und ich hoffe, ihr verzeiht mir meine blöden Fragen. :S Ein neues Konstrukt. Der Graf stirbt und hinterlässt keinen männlichen Nachkommen, aber eine Ehefrau. Er hat aber einen Bruder, der als zweitgeborener die kirchliche Laufbahn eingeschlagen hat. Erbt der nun die Güter? Und wenn ja, wird er die Kirche dann verlassen und Burgherr werden, oder wie würde das ablaufen? Was passiert mit der Frau? Schon mal vielen Dank an jeden, der Lust hat zu antworten. lg Lena
 
Soviel ich weiß, ist das Erbrecht im ganzen Mittelalter stark privatrechtlich geprägt. Eigentlich erbt der Sohn / die Söhne, die Frau erhält von Fall zu Fall Aussteuer, Mitgift und ihre persönliche Habe zurück. Gibt es keinen Sohn, erben die Brüder, gibt es auch keine Brüder, der Vater oder ein anderer männlicher naher Verwandte. Allerdings kann durch Testament eine ganz andere Regelung getroffen werden, so dass die Frau alles erbt oder einen Teil oder niemand etwas bekommt außer seiner persönlichen Habe und das Erbe zB an ein Kloster geht. Eine hochrangige Witwe wird auch , anders als eine Bürgersfrau, nach dem Tod ihres Gatten kaum aus der Munt herauskommen, sondern der älteste Sohn, ein Bruder des Verstorbenen oder ein anderer naher Verwandter der männlichen Linie wird die Vormundschaft für die Witwe übernehmen. Das kann auch bedeuten, dass sie ins Kloster abgeschoben wird oder - wenn sie noch jung und schön ist - wieder dem Heiratsmarkt zu Verfügung steht. Gibt es also kein Testament, wird der Bruder erben. Ob er das Erbe behalten kann, kommt auch darauf an, ob er ein Klosterbruder (Mönch) mit entsprechendem Gelübte der Besitzlosigkeit ist - dann ginge das Erbe ans Kloster. Ist er etwas Höheres, zB ein Bischof, darf er Besitz haben und das Erbe antreten. Seine kirchliche Laufbahn muss er deswegen nicht aufgeben.
 
Eine Frage, Lena, wo findet Dein Drama statt??? Und wann genau? Ein Graf ist schließlich nicht irgendein Adliger, sondern auch "Verwaltungsbeamter", im kompliziertesten Fall ist er mit Lehns und Eigengut begütert, usw. Und es gilt im HRR durchaus unterschiedliches Erbrecht. In Deinem Fall muß also ein Nachfolger her ....
 
Im Großen und Ganzen geht es um König Heinrich VI, den Sohn Barbarossas. Dazu gibt es aber noch ein paar vereinzelte fiktive Personen, wie diesen Grafen. Nachfolger muss her, genau. Wenn der jüngere Bruder, noch keine Weihe empfangen hat und somit der einzige Erbe ist, kann er es dann anstelle des Grafen antreten?
 
Wenn der Grafentitel vererbbar ist, dann schon. Ob er das Lehen behält, kommt drauf an, ob es Erblehen ist oder wieder an den Lehnsherr zurückfällt. Eigenes Gut kann er behalten.
 
Auch hier empfehle ich den Blick in die erhaltenen Gesetze. Z. B. Sachsenspiegel Landrecht Buch 1 Art. 17. Da ist nämlich genau der Fall geregelt: Es erbt vorrangig der Vater, ist der Vater tot, erbt die Mutter. Nur, wenn die auch schon gestorben ist, erbt der Bruder und zwar unabhängig davon, ob er die Priesterweihen empfangen hat oder nicht (Landrecht Buch 1 Art. 5). Das Lehen erbt der Bruder jedoch nicht, denn Erblehen gehen nur vom Vater auf den Sohn über (Lehensrecht Art. 20). Als geweihter Priester kann der Bruder auch sonst kein Lehen empfangen, es sei denn, es ist ein Burglehen, das keine Dienste im Kriegsfall leisten muss (Lehnsrecht Art. 2).
 
Lass mich raten - Du schreibst ein Buch? Nicht dass wir jetzt die gesamte Recherche für Dich übernehmen sollen... :whistling: Kleiner Tipp - Unibüchereien bringen gaaaanz viel Input. Macht zwar etwas mehr Arbeit, aber die Quellen sind dann stimmig.
 
Danke für die Tipps. Nein, ihr sollt natürlich nicht die ganze Recherche für mich übernehmen. Bitte nicht falsch verstehen. Zum großen Teil ist die Recherche schon gemacht und die Geschichte steht. Wie ich schon mal erzählt habe, sind das nur ein paar kleine Überbleibsel, auf die ich keine Antwort gefunden habe. Auf die Idee, mir den Sachsenspiegel vorzunehmen, bin ich ehrlicherweise noch nicht gekommen. Werde ich aber schnellstens nachholen. Also, wenn ich es richtig verstanden habe, wenn bspw. der Graf stirbt (ohne Nachkommen und Eltern) und es ist sein Eigentum , könnte der jüngere Bruder, bevor er die Priesterweihe abgelegt hat, alles hinwerfen und die Burg übernehmen?
 
Deswegen meine Frage nach der Gegend... Die Erbfolge und Erbberechtigung ist nämlich in den von KdG erlassenen Stammesgesetzen durchaus unterschiedlich geregelt. Haut mich jetzt aber nicht, ab wann für den sächsischen Rechtskreis die Töchter durch Auszahlung der Mitgift von der Erbfolge ausgeschlossen waren und wie die in der z.B. Lex Ripuaria ff. geregelt wurde. Im alten sächsischen Recht erben die Kinder zu gleichen Teilen, aber nur den Teil des Erblassers, das Eigentum der Mutter bleibt unangetastet...
 
Da du an anderer Stelle mal erwähnt hast, dass du die Gegebenheiten originalgetreu wiedergeben willst komme ich nicht umhin dich auf etwas zu stoßen. Ein fiktiver Graf? Graf? Das ist Erbadel der höchsten Güte! Erbadel! Die sind nicht fiktiv einsetzbar. Aus dem einfachen Grund, dass kein Flecken werde frei wäre. Alles voll.
 
Wie Eilika schon richtigerweise geschrieben hat, steht alles was man dazu braucht im Sachsenspiegel, wie ich ja auch bei meinen jüngsten Recherchen zu einem anderen Thread festgestellt habe. Und eben noch, habe ich in einem juristischen Lehrbuch von Justinus Gobler aus dem Jahre 1569, welches den Codex Justinianus :!: als Grundlage nimmt, zum einiges erhellendes Thema Erbfolge gelesen ... Anmerkung: das :!: steht oben bewußt, bevor hier gleich wieder der Einwand kommt es würde sich ja um die "Frühe Neuzeit" handeln...
 
@amici Ich möchte das leben damals originalgetreu widergeben. bspw. auch die Erbfolge eines Grafen. Dieser Graf ist keine Hauptperson, er spielt nur eine Nebenrolle, und ist deshalb eigentlich unwichtig. Es ist nur ein Puzzleteil. Deswegen erlaube ich mir die künstlerische Freiheit auch einen fiktiven Grafen einzusetzen. Die tragenden Personen sind hingegen alle historisch belegt. Aber auch hier werde ich Dinge interpretieren, wenn es darüber keine Quellen gibt. Ich weiß, das hört ihr gerade gar nicht gern. Tut mir wirklich leid. :ups
 
Lena, gehts nicht etwas leichter?? Was Du schreibst, muß ja halbwegs passen, denn es gibt ja Leute, die Dir alles als gut recherchiert abkaufen.. Und wie Aixlibris richtig bemerkt, haut zu Deiner gewählten Zeit das römische Recht in die germanischen Stammesgesetze und was da jetzt wo gilt???? Da werden in den Ostgebieten altfreie Gefolgsleute zu Grafen, Grafen erhalten je nach Region einen unterschiedlichen Status, gerade im Adel wird über Rechtskreisgrenzen hinaus geheiratet und es entscheidet aber immer noch die Herkunft über das anzuwendende Recht. Schweig Dich drüber aus
 
Nun Lena, ich hätte da keinen fiktiven, sondern einen realen Grafen in peto, der dazu sogar noch ein Kleriker ist :D : Die Rede ist von Erzbischof Engelbert I. von Köln ( ...genau, der 1225 ermordete...) ! Engelbert`s Bruder Adolf war als, Graf Adolf III. von Berg, der erbberechtigte Sohn des Grafen von Berg. Im Jahre 1218 starb allerdings Graf Adolf III. ohne männliche Nachkommen und eigentlich hätte nach geltendem Recht seine Tochter :!: Irmgard von Berg die Grafschaft erben müssen. Diese war mit dem Sohn des Herzog Walram IV. von Limburg , Heinrich, verheiratet. Und den Limburgern wäre damit ein interessantes Objekt in die Hände gefallen. Nur, Engelbert spielte da nicht mit und da er auf rechtlicher Ebene keinen Erfolg sah ( s. Sachsenspiegel etc.) stritt Engelbert letztendlich in 2 Fehden um die Erbschaft. Dieser Streit dauerte bis 1220 und endete mehr oder weniger mit einem Vergleich: Engelbert verwaltete die Grafschaft als Graf :!: Engelbert II. von Berg bis zu seinem Lebensende und Walram erhielt dafür bis zu diesem Ende eine Leibrente... ...und Engelberts Lebensende kam ja nun, vermutlich durch Walrams Intrigen etc. recht zügig...:D und damit ging die Grafschaft Berg auf Heinrich von Limburg über... Damit gäbe also einen historischen Präzedensfall: Einerseits eine erbberechtigte Tochter, zum anderen einen Kleriker als gräflichen Nachfolger... :D
 
Hallo Aixlibris, vielen Dank für den Hinweis. So etwas in der Art ist schon nicht schlecht. Aber leider spielt es nicht in der Zeit meiner Geschichte, die spielt vor allem in den 1180ern. Es umfasst die Zeitspanne des jungen König Heinrich. Da gibt es übrigens noch ein sehr schönes Zitat von F.v.Schiller: Die literarische Wahrheit ist nicht so, wie es wirklich war, sondern so, wie es hätte sein können. Vielen Dank für eure Hilfe und lg Lena
 
Aber leider spielt es nicht in der Zeit meiner Geschichte, die spielt vor allem in den 1180ern.
Auch das ist kein Problem: die Engelbert-Geschichte spielt zwar knapp 40 Jahre später als die Deinige, aber die meisten Historiker sind sich darüber einig, daß die historischen Entwicklungen im Zeitraum von 1000 - 1300 keine so rasanten Fortschritte gemacht haben wie in der Zeit danach, aber auch davor... ;) Die Wahrscheinlichkeit ist damit also sehr hoch, daß die Ereignisse von 1218/1220 durchaus übertragbar sind, zumal wir ja gesehen haben, daß wir zu diesen zeiten ja noch kein einheitliches universales Rechtssystem vorliegen hatten ...
 
danke aixlibris für die Info. Aber nach ein paar pns mit einem sehr netten User habe ich mich davon überzeugen lassen, dass es besser ist einen Reichsministerialien daraus zu machen. (Den kann man ja leicht erfinden) Zumal es wirklich nur eine Randhandlung ist. Ich habe gestern versucht mich ein wenig über diese Herren schlau zu machen, aber so richtig steige ich da nicht durch. Es ist so kompliziert. Deshalb wieder eine Frage. :S Eine Frage habe ich immer noch nicht ganz kapiert. Reichministerialien können auch eine Burg innehaben. (Die Freiherren?) Aber: sind alle ihre Ländereien nur Lehen, oder haben die auch Besitz? Das wäre natürlich wichtig für die Erbfolge, um dem Bruder einen Grund zu geben, ein Auge auf Burg und Land des Bruders zu werfen. Ach ja, allen vielen Dank auch für die vielen Infos im anderen Thread. Da trau ich mich jetzt nicht mehr rein... ;)
 
1. Ministeriale sind unfrei. (Ja, das stellt jetzt ziemlich viele Vorurteile auf den Kopf, aber es ist tatsächlich so. Auch die Falkensteiner, die "Schatzmeister" Barbarossas waren unfrei) 2. Natürlich konnten Unfreie Besitz haben. Besitz ist die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Sache und auch schon im Mittelalter (genauso wie heute) unbedingt von Eigentum zu unterscheiden. 3. Unfreie konnten aber auch Eigentum haben. Was das im Einzelnen war, hängt vom Einzelfall ab. 4. Ein Lehen ist rechtlich gesehen ein Besitzrecht. Welche Regeln für die Rechtsnachfolge bestanden, hing vom Einzelfall ab. Und noch ein Tipp, der allerdings :eek:ff1 Nimm Dir Diskussionen wie der um die geschwängerte Magd nicht zu Herzen. Das ist harmlos. Wenn Du auf dem Buchmarkt bestehen willst, brauchst Du ein ziemlich dickes Fell, denn da wird viel härter ausgeteilt. Schreiben erfordert Mut!
 

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