Fragen zu Gewandung/Rüstzeug um 1475

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Falk

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Vorab, ich habe diese Frage hier in den Anfängerthread gestellt, da ich eben noch genau das bin, ein Anfänger ;) Falls das nicht passen sollte, bitte verschieben :) So, nun aber zu meinen Fragen: 1. Was für eine Art von Schuhen wurde um 1475 getragen? Sowohl auf dem Schlachtfeld als auch im zivilen Umfeld. 2. Was trug ein Kämpfer zu Fuß in dieser Zeit unter seiner Brustplatte? Einen Gambeson? Ein gepolstertes Wams? 3. Als Beinbekleidung wurde in dieser Zeit eine Schamlatzhose getragen, oder irre ich mich da? Ich bedanke mich schonmal im Vorraus für eure Hilfe :D P.S.: Über die SuFu habe ich leider nichts entsprechendes gefunden. Falls es doch iwas passendes bereits geben sollte, bitte ich um Entschuldigung :/
 
Mäh, das Forum hat meinen Beitrag gefressen, na danke auch. :) Man möge mir verzeihen dass ich das jetzt nicht noch mal schreiben möchte, war recht viel. Ich werde mal versuchen, den Beitrag wiederherzustellen.
 
Zunächst einmal sei das gesagt, was hier wohl viele direkt am Anfang schreiben würden: Es empfiehlt sich, erst einmal weitere Informationen über den angestrebten Zeitraum einzuholen (Eigenrecherche, Quellenstudium). Als grober Einblick ist der Kitguide der Company of Saynt George schön, jedoch natürlich durch die Art der Darstellung (eine burgundische Geschützmannschaft unter Kahl dem Kühnen) nur eingeschränkt zu gebrauchen. http://www.companie-of-st-george.ch/cms/?q=en/Costume_Guide Weiterhin ist es mehr als hilfreich, sich auf einen geographisch beschränkten Raum festzulegen. Italien und Frankreich waren in Sachen Mode die absoluten Vorreiter, viele andere Länder (besonders die skandinavischen) hinkten -salopp gesagt- oftmals doch etwas hinterher. England hatte z.B. beim Rüstzeug eine ganz eigene Mode usw. Eine derartige Einschränkung würde auch die Beantwortung der Frage deutlich erleichtern. Ebenfalls sollte man sich bewusst sein, auf welche Personengruppe die Frage abzielt. Ein reicher Kaufmann trug andere Kleidung als ein armer Bauer, ein Ritter verfügte über eine deutlich bessere Ausrüstung als ein einfacher Soldat und so weiter. Nun zu den Fragen an sich: 1) Eben angesprochene Problematik. Auf diversen Abbildungen erscheinen z.B. etwa knöchelhohe Lederschuhe mit teils dicker (!) Sohle, die in seltenen Fällen sogar deutlich sichtbar mit Profilnägel ausgestattet sind (ein gutes Beispiel in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist in der Hinsicht eine Tafel der Laurentiuslegende im LWL-Kunstmuseum in Münster, die um 1420 datiert). Aber wie gesagt, ohne klare Eingrenzung ist da eigentlich keine sinnvolle Aussage möglich. 2) Das Wort "Gambeson" an sich ist -nur einmal am Rande bemerkt- in der Kostümkunde relativ umstritten. Es hat sich aber in der Szene (wohl der Einfachheit halber) eingebürgert. Naja, seis drum. :-D Deine Vermutung mit dem gepolsterten Wams geht schon in die richtige Richtung. Was wir hier nicht vor Augen haben dürfen sind dick gestopfte "Michelinmännchen"-Textilpanzer, wie sie aktuell in der Szene Hochkonjunktur haben. Die wichtigste Eigenschaft eines solchen Polsters sollte eigentlich in seiner Festigkeit bestehen, Quellen sprechen von teils 20-30 Lagen Leinenstoff als Kernbestandteil dessen. 3) Schamlatzhosen sind 1475 definitiv das Mittel der Wahl, jedoch tauchen im unteren militärischen Bereich vereinzelt immer noch Beinlinge auf. EDIT: Juhu, es hat funktioniert. :thumbsup:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Eine herrliche Ausführung, Patty! Leider finde ich die Wahl des "Polsters" als sehr problematisch. 20 - 30 Lagen und dennoch nicht, wie ein Michellinmänchen aussehen, das erfordert doch ein wenig handwerklichen Geschicks. Leider ist mir niemand bekannt, der das noch so historisch fertigt. Kleines Beispiel: Ich selbst habe mir erst dieses Jahr ein "Arming Doublet" nach einer Quelle von 1405 anfertigen lassen. Allerdings nutze ich es für eine Darstellung ca. 40 Jahre später, bitte steinigt mich nicht dafür. Der Torso besteht aus 4 Lagen Leinen, die Arme aus 2. Trotz weniger Schichten, fühle ich mich trotzdem sehr dick eingepackt, was mich etwas stört. Auch ist mir das gute Stück im Hüftbereich etwas zu groß, was meinen Hintern doch etwas stark betont. Was mich jedoch etwas beruhigt, ist der Umstand, dass selbst einige Darsteller des Reichsaufgebots ähnliche dicke Wämser tragen.
 
Danke dir für diese ausführliche Antwort, Patty :D Ja, ich war ein wenig arg ungenau :p Die Person, die ich darstellen will, ist ein Fußsoldat aus Deutschland, dem mittleren bis südlichen Deutschland um genah zu sein ;) Er soll schon ein wenig rumgekommen sein, daher will ich nicht nur strikt deutsche(s) Kleidung/Rüstzeug verwenden, aber da man Schuhe schon von Anfang an bei seiner Reise benötigt, sollen diese schon deutsch sein ^^ Und als Polsterung dann ein gepolstertes Wams? Mit ca. 4 Schichten? Und noch zu deinem ersten Punkt, ich habe mich bereits in das Thema eingelesen und auch schon diverse Museen besichtigt ;)
 
Na, damit lässt sich doch schon etwas mehr anfangen. :thumbsup:
Er soll schon ein wenig rumgekommen sein, daher will ich nicht nur strikt deutsche(s) Kleidung/Rüstzeug verwenden
Dann aber bitte nicht in das Muster "ich bin ein verwegener Söldner und deshalb darf ich eine Mischung aus 5 verschiedenen Rüstungsstilen tragen, die sich über 350 Jahre erstreckt" verfallen. ;-) Zu dem Wams schicke ich dir mal eine Pn.
 
350 Jahre??? Das ist noch gar nix!!! Vor kurzem war ich auf der Burg Falkenstein im Harz zum Burgfest. Dort lief ein ... Ritter...Krieger...Zeitreisender herum. Er trug unvernietetes Kettenzeug samt Hemd und Haube, dazu ein Schwert mit rundem Knauf, Schnabelstiefel und...jetzt kommt´s...Lorica Segmentata! :help Ich war platt! Sprachlos! :nein Ich meine, ich bin bestimmt nicht das, was heutzutage "AAA" genannt wird, aber das war einfach zu viel für mich.
 
Moment, Römisches Kettenhemd von um 100 nChr, ein Scheibenknaufschwert aus dem HoMi, Schnabelstiefel aus dem SpäMi ab ca 1400, und dazu ein Pseudoringpanzerhemd aus dem Zeitrum 1980 bis 2015 in Ländern des "westlichen blocks" bzw den "industriestaaten"? 1950 Jahre an einer Person!? :back Rüstteile aus verschiedenen Gegenden? hmmm, 1475... Der 100-Jähriger Krieg ist nun auch formal vorbei (Kämpfe seit etwa 1435), Frankreich ist relativ befriedet und dort hat sich statt Söldnertum zumindest in Teilen eine Art stehendes Heer entwickelt. Allerdings hatten sich im deutschen Bereich Kaiser Friedrich III und Karl der Kühne von Burgund in den Haaren und die Schweizer siegen in den Burgunderkriegen. Insofern beitet "Süd-West-Deutschland" (mit Anleihe ins linksrheinische und die Schweiz) durchaus Konflikte mit verschiedenen Rüstmoden. Aber achte bitte darauf, dass es logistisch passt - das Rüstzeug auf die letzten 30 Jahre einschränken klappt vielleicht, aber es sollte stimmig sein. Also selbst wenn es im Zeitbereich liegt - ein 1475 Helm aus Russland mit Französischen/Englischen JackChains und italienischem Kürass zu kombinieren geht so garnicht!
 
Hallo! Ich suche auch nach Informationen über Rüstwams, hat einer Links, Tipps wenn es ums Selbstmachen geht? Gruss Chris
 
Rüstwams... Du meinst ein Doublet, oder? Letzteres hat sich wohl aus dem Gambeson entwickelt, ist aber von etwas anderem Schnitt. Allerdings kommt das Doublet erst um 1500 in Mode, soweit ich das ersehen kann. Frühe Doublets kann man auch unter den Stichworten pourpoint oder gipon finden ( sehr interessanter Artikel zum Doublet ist übrigens http://fashion-history.lovetoknow.com/clothing-types-styles/doublet - insbesondere "Origins") Für einen Pourpoint hab ich einen Schnitt gefunden - http://cottesimple.com/articles/cut-to-pieces/ - dieses Stück gehörte wohl Karl von Blois aus der Bretagne (1318-1364) und würde damit 1475 wahrscheinlich einen etwas veralteten Schnitt haben. Auf der Analyse, die auch diesem Artikel zugrundeliegt, basiert auch eine Rekonstruktion auf MyArmory: http://myarmoury.com/talk/viewtopic.php?t=28169
 
Hallo! Sorry, hatte vergessen spätes 15 Jhd. :). Was trug man denn nun unter dem Rüstzeug? ?( Das verwirrt mich noch etwas ... Thx Christoph
 
Das, lieber Christoph, kommt ganz auf dein Rüstzeug an! Wenn wir mal von dem typischen Plattenzeug ausgehen, dient ein Rüstwams oder Arming Doublet vor allem der Befestigung der Rüstung an deinem Körper, dick gepolstert, sind die aber meines Wissens nicht. Selbst wenn du jetzt sagst, du möchtest eine Art Söldner des 15. JH. darstellen, solltest du dir überlegen, was du an Rüstung tragen möchtest. Manch Kämpfer der damaligen Zeit trug außer Helm gar keine Rüstung.
 
Wobei das Rüstwams/Arming Doublet auch einen gewissen Scheuerschutz bietet. Spätes 15 Jhd (also ca 1460 bis 1500) ist (mir modetechnisch) für diese komischen Schmalzhosen und halt Pourpoint & Doublet bekannt. Im späten 100-jährigen Krieg (frühes 15 Jhd!) hatten die Piekeniere und Hellebardiere flache Helme oder Sturmhauben und "padded jacket", Handschuhe/Armschienen oder Jack(et) Chains. Doppelsöldner und Landsknechte aus dem späten 15 Jhd sind sehr kurios (Pluderhosen, Schmalzhosen, riesige Hüte und Rüschen überall usw.) aber außer einem vereinzelten Kürass oder Halbharnisch kenne ich kaum Rüstungsteile, die dazugehören. Die große Frage ist: Was willst du wann wo darstellen? Dann recherchiere in die Gegend und Zeit, dann findet sich auch die dortige Rüstmode.
 
Dann aber bitte nicht in das Muster "ich bin ein verwegener Söldner und deshalb darf ich eine Mischung aus 5 verschiedenen Rüstungsstilen tragen, die sich über 350 Jahre erstreckt" verfallen. ;-)
Das ist nicht mein Ziel, bloß nicht! :O
...Aber achte bitte darauf, dass es logistisch passt - das Rüstzeug auf die letzten 30 Jahre einschränken klappt vielleicht, aber es sollte stimmig sein....
Werde ich stets im Kopf behalten, danke! :D
 
Für einen Pourpoint hab ich einen Schnitt gefunden - http://cottesimple.com/articles/cut-to-pieces/ - dieses Stück gehörte wohl Karl von Blois aus der Bretagne (1318-1364) und würde damit 1475 wahrscheinlich einen etwas veralteten Schnitt haben.
Beim de Blois ist aber ja nicht mal hundertprozentig geklärt, ob es sich nicht um ein ziviles Kleidungsstück handelt, zumal der in einer 1475er-Darstellung auch überhaupt nichts mehr zu suchen hätte.
 
Du kommst ja aus dem Südwestdeutschen, da gibt es einige sehr schöne Bildzeugen für "regionale" Moden aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts. Oft zitiert wird z.B. die Munderkinger Passion (datiert auf 1473), das dürfte für dich recht nah dran sein. An so was würde ich mich eher orientieren als an der fixen Idee, man habe als "Söldner" eben ganz Europa bereist und sich allüberall mit Klamotten eingedeckt. Die Frage ist nämlich, wie typisch für die Zeit so ein wilder Mix ist – zumal wir mit den entsprechenden, wenn auch oft stilisierten Bildern Zeugnisse dafür besitzen, was den Zeitgenossen reichte, um z.B. den typischen Knecht zu erkennen. Pauschale Antworten sind also schwierig. Man muss zwar das Rad nicht neu erfinden, kann sich also z.B. mal die Seite von Jens Börner zur ersten Orientierung anschauen. Vom schlichten Nachmachen aber rate ich dringend ab.
 
Danke nochmal an alle für die vielen wertvollen Tipps! Das hilft mir stark weiter!! :D
 
Hallo! Da sind sehr interessante Bilder dabei, die auch in die Richtung meiner Vorstellung gehen würden. Besonders dieses hier: https://www.flickr.com/photos/46414289@N02/4261826311/in/photostream/ Wenn ich das richtig sehe hat dieser Lampentragende einen Schaller oder Eisenhut, Brustplatte, Kettenhemd, langes Schwert, soetwas wie Schamlatzhose und Schecke? Ich werde mir hier und in meiner Heimat die Museen mal genauer anschauen was ich dort so finden kann. Gruss Christoph
 

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