Ein Versuch der Einordnung Der von Wedel angeführte Fund datiert in das letzte Viertel des 13ten Jahrhunderts. Die Kostümkunde ging, so zumindest die Angabe in dem oben verlinkten Fundbericht aus ArchaeoMontan 2014 Beiheft 29, bisher von einem Auftreten von ledernen Beinlingen oder hohen Stiefeln erst ab der Mitte des 14ten Jahrhunderts aus. Danach war die bisherige Lehrmeinung von einer Entwicklung ab der Mitte des 14ten Jahrhunderts von adeliger Jagdkleidung in Richtung arbeitender Bevölkerung ausgegangen Dies belegt der Artikel auch mit 4 Bildern. Das Älteste aus der Manesse, die weiteren dann aus dem 15ten Jahrhundert. Und hier sind dann auch Jäger, Fischer und Bergleute gezeigt. In diesem Zusammenhang wird dann die Bedeutung des Fundes deutlich. Er zeigt erstmals dinglich in Deutschland auf, dass es diese Dinge überhaupt gegeben hat. Und zwar deutlich früher als bisher angenommen. (Den Fund aus Oslo, von Schia veröffentlicht, kann ich jetzt nicht zeitlich einordnen). Wobei auch nicht gesagt ist, dass die Lersen von Niederpöbel einem Hauer gehört haben. Es finden sich wohl keine hervorgehobenen Abnutzungsspuren an den Kniebereichen wie man sie bei diesem Beruf erwarten könnte, sehr wohl jedoch im Fußbereich. So könnten diese Kleidungsstücke wohl auch einer höhergestellten Persönlichkeit im Bergwerksbetrieb gehört haben.. Aber das ist erst einmal reine Spekulation. Die Bilder, die Friedjoph aus dem Werk von Agricola (1494-1555) verlinkt hat, liegen alle deutlich später im 16ten Jahrhundert. Interessant ist dabei das die Bergleute hier keine über Knie hohen Stiefel tragen sondern die aus späteren Zeiten für Bergleute so typischen langen Gamaschen, dies lässt sich an der kleinen Überlappung im Bereich des Spanns sehr gut erkennen oder enge Beinkleider und seitlich geschlitzte Halbschuhe. Damit sind diese Bilder für die Diskussion um die Verbreitung von Ledernen Beinlingen / Lersen im hohen Mittelalter erst einmal hinten anzustellen. Praktische Betrachtungen Lederne Schutz- oder Überbekleidung ist wohl immer wieder dagewesen. Aber da auch Leder ein vergängliches und nur in bedingter Menge zur Verfügung stehendes Material ist kann es zeitweise sehr teuer sein. Daher ist die Verbreitung von ledernen Kleidungsteilen in der jeweiligen Zeit immer intensiv zu hinterfragen. Leder selbst ist an für sich kein wärmendes Material, es verzögert jedoch das Durchdringen von Strahlungsenergie, besser bekannt als Hitze und Kälte. Das ist nun von Vor- als auch von Nachteil den genauso wie ein schnelles Auskühlen durch z.B. Wind verhindert wird kann es zum Hitzestau bei schwerer Körperlicher Arbeit führen. Wohl deshalb sieht man auch auf den Bildern oft halb herabgelassene Stulpen bei sehr hohen Stiefeln Und Schmiede tragen nur eine der Hitzequelle zugewandte Schürze und keine Volllederkleidung. Auch ist Leder nicht wasserundurchlässig. Das kann jeder feststellen der sich mit normaldicken Lederschuhe ins Wasser stellt oder einen trockenen Wasserschlauch befüllt. Durch fetten kann dies verbessert werden. Im Rückschluss bedeutet dies jedoch auch dass unter dem Leder getragene Materialien feucht beziehungsweise klamm werden können. Und nasse Wolle in Leder ist ersteinmal recht unangenehm. Da ich keine Funde von gefüttertem Schuhwerk aus dem hohen Mittelalter und auch keine Abbildungen kenne die diesen Rückschluss zulassen, würde ich das Füttern von Schuhwerk lassen. Dieses wäre in meinen Augen eine sehr weite, zu weite Interpretation. Zu meinen Beiträgen weiter oben. Die Erwähnung der Abbildung des Schweinehirten sollte diesen nicht mit einem Falkner gleichsetzten. Vielmehr sollte nochmal aufgezeigt werden das sowohl gewickelte Beinbekleidungen, wie auch Gamaschenartige aus Stoff im Laufe des Mittelalters immer wieder auftauchen und in vielen Gesellschaftsschichten auftraten. Zu Wedels Anmerkung zur Verweildauer im Bergwerk. Das trifft wohl für einige Bergwerke der späteren Zeit zu. Im 13ten Jh gehe ich jedoch davon aus , das die Bergwerke noch nicht so tief waren. Dafür gibt es 2 einfache Gründe 1) Die Technik der Grubenentwässerung hat erst später mechanische Hilfsmittel gefunden das eindringende Wasser aus tiefen Schichten zu fördern. 2) Das gleiche gilt für das Entwettern der Schächte, also die Zufuhr von Frischluft in das Bergwerk. vorsichtiges Resümee Selbst als Vertreter der weitgefassten Interpretation von Funden sehe ich in diesem Thread leider klare Beispiele für das schmale Band von fantasievoller Interpretation hin zur Fantasy. Und hier gilt dann im Zweifel, zu mindestens für mich. Vergleichsstellen finden, darüber reden, diskutieren, Versuche anstellen, etc. etc. Aber nicht einfach Umsetzen und dem Publikum ein, es war so, Bild vermitteln. P.S. Auf die Quellenangaben im Einzelnen habe ich verzichtet, da sie in den vorangegangenen Beiträgen oft genug (besonders von Friedjoph und Adalbert) genannt worden sind. P.P.S. Auf einem der Bilder in der Veröffentlichung zu den Lersen aus Niederpöbe ist ein Fischer zu sehen bei dem der Stiefel seitlich bis zur Hüfte hochgeht. Dabei sollte man aber auch sehen, dass dieser am oberen Rand nicht spitz zuläuft sondern im Gegenteil abgerundete Ecken hat und einen relativ breiten oberen Abschluss aufzeigt. Des Weiteren gehört dieser Stiefel auch in das 15te Jahrhundert. Soweit meine Auffassungen zu diesem interessanten Thema.