Doch nochmal ich. Ich kann's nicht lassen.
Als Heiden später als Ketzer bezeichnete man alle die die nicht dem Christlichem Glauben anhingen
Sorry, ich will mich ja nicht mit jemandem "vom Fach" anlegen, aber das stimmt einfach so nicht, wie es der Pater sagt. Die beiden Begriffe "Heide" und "Ketzer" lassen sich im Lexikon nachschauen und haben nunmal eine bestimmte Definition. Sie bedeuten ganz entschieden
nicht dasselbe. "Heide": (veraltet) Nichtchrist;
auch für Ungetaufter, Religionsloser [zitiert nach meinem Duden] "Ketzer": seit dem 13. Jahrhundert übliche Bezeichnung für den Anhänger einer von der kirchlichen Lehre abweichenden Lehre [zitiert nach Meyers Lexikon online 2.0] Also, der Unterschied: Ein Heide glaubt nicht an den christlichen Gott. Ein Ketzer schon, aber nicht in der Art und Weise, die die katholische Kirche vorschreibt. Vielleicht hat der Pater vereinfacht ausdrücken wollen, daß es eben "später" keine Heiden mehr gab und daher in den Büchern "nur noch" von Ketzern die Rede ist? Eigentlich wollte ich aber nochmal ganz allgemein was sagen: Ich glaube, man muß im Bereich "Religion" grundsätzlich unterscheiden zwischen drei Dingen. 1.) Dem "Volksglauben". Das wäre das, woran die "Leute auf der Straße" tatsächlich in ihrem Alltag konkret geglaubt haben. Und wie bibelfest und wirklich
gläubig das einfache Volk war, wird sich bestimmt nicht mehr feststellen lassen. Man kann den Leuten ja heute schon nicht ins Hirn schauen, um zu sehen, was sie denken, um wieviel weniger Leuten, die seit tausend Jahren tot sind. Alles, was wir sagen können, ist, daß zumindest äußerlich das Alltagsleben ziemlich von der Religion durchdrungen war. Ich kann mir gut vorstellen, daß sich konkret auch eine Menge Aberglauben mit der christlichen Lehre vermischt hatte. In manchem davon stecken bestimmt auch noch Erinnerungen an die "heidnische" Religion. Für einen Bauern war es auf irgendeiner Ebene wahrscheinlich ziemlich egal, ob ihn jetzt der Heilige Florian oder der heidnische Donar vor Hagel und Blitz beschützt - Hauptsache, einer tut's.
Nur: Zu wem hätte ein solcher Bauer jetzt konkret gebetet? Wußte ein Mensch um 900 oder 1000 oder 1200 überhaupt noch etwas von diesem Gott, und wenn ja, hätte er ihn dann nicht als eine Art bösen Teufel gesehen? Daraus, daß die Leute "gesündigt" haben, würde ich jedenfalls noch nicht eine generelle Ablehnung der christlichen Lehre ablese. Eher im Gegenteil.
Wahrscheinlich kann man eher davon ausgehen, daß sie sich früher an die Gebote der heidnischen Religion auch schon nicht gehalten hätten ^^ . 2.) Der Institution und Organisation, die hinter der Religion steht, die für die Erhaltung und Verbreitung der Lehre sorgt, die Art und Weise der Verehrung festlegt und die Gemeinschaft verwaltet. Im Falle der katholischen oder auch der Ostkirche läßt sich das sehr schön skizzieren: Bistümer mit Bischöfen, Pfarreien mit Pfarrherren, und ganz unten die einfachen Gläubigen. Solche Strukturen lassen sich für die germanische
Religion(en) nicht finden, aber das könnte auch einfach nur damit zusammenhängen, daß man über diese Religion ja sonst auch praktisch nichts weiß. Jedenfalls scheint es doch so etwas wie größere, zentrale Heiligtümer gegeben zu haben. Deren Existenz deutet m.E. schon darauf hin, daß es zumindest bis zu einem gewissen Grad eine organisierte "Kirche" gegeben haben muß. Solche Heiligtümer müssen ja gepflegt werden. (Und nennt mich zynisch, aber wenn es so etwas gab, dann gab es vermutlich auch alle die Dinge, die mit solchen Organisationen immer verknüpft sind: Intrigen, Amtsmißbrauch, Korruption, Veruntreuung des Kirchenschatzes, etc. Hat bestimmt alles ned die katholische Kirche erfunden.) Diese organisierte "heidnische Kirche" taucht nach der Christianisierung einfach nirgendwo mehr auf. Ebensowenig irgendwelche Nachfolge-Organisationen oder Splittergruppen. Durch die Zerstörung der zentralen Heiligtümer und das "Abwerben" vor allem der Oberschicht (aus der die Priester wohl gekommen sein dürften) zum Christentum haben die Missionare wohl gezielt dafür gesorgt, daß die "heidnische" Priesterschaft verschwand. Und wenn da niemand mehr da war, der die Lehre weitergab und die Gottesdienste organisierte, wie sollte sich dann ein Heidentum in einer Region halten? 3.) Den politischen und sozialen Zwecken, für die die Religion oft als Begründung und Deckmäntelchen herhalten muß: Religionskriege, "ethnische Säuberungen", die Hexenverfolgung etc. Ein klassisches Beispiel wäre der Dreißigjährige Krieg. Aber auch da denke ich, daß das kaum eine Erfindung des Katholizismus ist
. Ich bin kein Religionswissenschaftler, aber für mich sieht es ganz so aus, als ob selbst das aus den isländischen Sagen bekannte Götterpantheon noch die Erinnerung an mindestens einen alten "Religionskrieg" enthält (Asen und Vanen). Ähnliche Fälle kenne ich aus der griechischen Mythologie (der Streit zwischen Poseidon und Athene um Attika). Es gehen ja einige Historiker auch davon aus, daß die "Oberhoheit" bei den germanischen Göttern wohl verschiedentlich gewechselt hat (von Tyr zu Donar und/oder Wodan). Auch solche geänderten Machtverhältnisse könnten sehr wohl die Folge eines Kriegs sein, bei dem ein Tyr-gläubiger Stamm einem Wodan-anbetenden unterlag. (Das eigentlich nur, weil mich die Romantisierung des "Heidentums" auf einer anderen Webseite gestern wieder fürchterlich geärgert hat
. Na klar. War alles eitel Freude Sonnenschein damals. Durfte jeder glauben, was er wollte. Liebe zur Natur, Leben mit der Natur, Friede Freude Eierkuchen und Butterblümchen. Und die ganzen Moorleichen sind alle bloß leider in ihrem täglichen Wellness-Schlammbad eingeschlafen...) Um aber nochmal auf Köln zu sprechen zu kommen, Wilhelminus: Köln wäre ja bis zum Zusammenbruch der altrömischen Rheingrenze eine christliche Stadt gewesen, oder? Laut Wikipedia wird Köln 455 durch die (heidnischen) Franken erobert. Fünfzig Jahre später tritt Chlodwig bereits zum Katholizismus über. Dann dauert es vielleicht nochmal hundert Jahre, bis sich die Sache auch ganz nach unten, zum gemeinen Volk, rumgesprochen hat. Falls das nicht im Kontakt mit den alteingesessenen Romanen eh schon von selber christianisiert worden ist. Tut mir leid, aber das sind (im allerhöchsten Höchstfall!) hundertfünfzig Jahre, in denen es in Köln überhaupt einen "germanisch-heidnischen" Glauben gab. Das ist ein sehr sehr dünnes Fundament, um darauf einen Geheimkult aufzubauen, der sich dann, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, im gesamten Mittelalter im Untergrund gehalten haben sollte. Bin nach wie vor nicht davon überzeugt, daß heidnische Sekten nach 700 noch sonderlich wahrscheinlich sind ^^ .