[...] aber ist es wirklich richtig, dass man wenn man abend am Feuer sitzt und singt GEMA-Gebühren zahlen muss?
Völlig ohne Gewähr: Nein. Wenn man am Lagerfeuer sitzt und singt, dann ist das privat. Wenn jemand zufälligerweise zuhört ist das nicht Eure Sache. GEMA-Gebühr wird fällig, wenn man GEMA-geschütztes Kulturgut öffentlich nutzt, egal, ob man dafür Geld verlangt oder nicht. "Nutzen" heißt nicht notwendigerweise vorführen, auch gemeinsames Singen im beruflichen Rahmen ist eine öffentlich Nutzung. (Siehe Kindergarten-Beispiel neulich. In der Schule darf so was nur deshalb genutzt werden, weil es dafür eine Ausnahmeregelung gibt, sonst müsste der Lehrer für jedes Lied oder jeden Film löhnen, den er im Unterricht nutzt, und sei es nur in Ausschnitten) Natürlich exisitert durch die bescheuerte Formulierung im Urheberrecht eine Grauzone, ab wann eine private Sangesstunde öffentlich wird. Im Urheberrecht steht:
Die Wiedergabe eines Werkes ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.
Die Auffassung der GEMA zu diesem Recht lautet wie folgt:
Vereinfacht heißt das: Jede Nutzung ist öffentlich, bei der wenigstens zwei Personen, die nicht miteinander verwandt oder eng befreundet sind, Musik hören. Betriebsfeste sowie Vereinsfeiern sind deshalb in der Regel öffentlich, die private Party oder auch die Geburtstagsfeier dagegen nicht. [Quelle:
www.GEMA.de]
Die GEMA mag diese Auffassung haben, rechtlich einwandfrei ist sie jedoch nicht. Denn im Urheberrecht steht das Wörtchen "bestimmt". Zufällige Zuhörer sind nicht dazu bestimmt, die Musik zu hören. Desweiteren steht im Urheberrecht "persönlich verbunden". Dass man dazu "verwandt" oder "eng befreundet" sein muss steht nirgends geschrieben. Allerdings ist die Definition von Öffentlichkeit im Urheberrecht selbst ausgesprochen bescheuert, denn nach dem Wortlaut derselben wäre jedes Lied, das mein Nachbar aus Versehen mithört, wenn ich meine CDs höre, eine öffentliche Aufführung. Und jeder GEMA-Fuzzi könnte sich darauf berufen, aus meiner Wohnung, an der er gerade vorbeigelaufen ist, ein Lied gehört zu haben, obwohl er mir persönlich nicht verbunden ist. Wobei im Rechtstext selber auch noch das Wörtchen "Mehrzahl" steht und wenn es nichts zu bedeuten hätte, stünde es da nicht. Eine einzelne zur Öffentlichkeit gehörende Person gegenüber mehreren persönlich Verbundenen ist keine Mehrzahl. Daraus folgt für mich: Die GEMA-Auslegung ist grundsätzlich anfechtbar. Die Musik muss zur Öffentlichkeit gehörenden Personen
bewusst zugänglich gemacht werden. Ob die Rechtsauffassung, dass eine Wandergruppe, die gemeinsam ein Lied singt, es der Öffentlichkeit zugänglich macht, weil sie nicht verhindert, dass andere Leute es hören können, rechtlich haltbar ist, bezweifle ich. Genauso würde ich auch argumentieren, wenn ich mit Freunden am Lagerfeuer
für uns singe. Zur Definiton des Begriffes der "Verbundenheit" und der Angrenzung gegenüber "Nichtverbundenen" dürfte folgendes
Urteil des Amtsgerichts Bochum interessant sein. Übertragen auf die Lagerfeuersituation auf Markt hieße das für mich: Die Mitglieder eines einzelnen Lagers auf einem MA-Markt sind definitiv miteinander verbunden. (Nicht die gesamten Teilnehmer des Marktes, wohlgemerkt!) Eine Abgrenzung nach außen findet durch die Befriedung des Lagers selbst statt. Wenn erkennbar ist, dass ein Betreten durch Fremde nicht erwünscht ist, also etwa durch eine der klassischen Seilabspannungen, dürfte die Abgrenzung nach außen ausreichend gegeben sein. Wenn ich allerdings als klar erkennbare Musikgruppe während den Öffnungszeiten eines Mittelaltermarktes singe, dann mache ich das Sangesgut bewusst der Öffentlichkeit zugänglich. Auch wenn ich hinter meiner Lagerabsperrung stehe und das Lied in die Welt hinaus schmettere. In diesem Falle könnte ich mich nicht auf eine spontane, private Sangesstunde unter Freunden berufen. Da das Urheberrecht nur davon spricht, dass
... das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird
ist es nebenbei erwähnt völlig unerheblich, wovon ich den Text ablese oder ob ich ihn gar auswendig kann. Ein GEMA-freies Lied wird nicht dadurch plötzlich GEMA-pflichtig, dass es auf Papier steht. Umgekehrt wird ein GEMA-pflichtiges Lied nicht GEMA-frei, nur weil ich es auswendig kann. Genauso ist es grundsätzlich unerheblich, ob ich gut oder schlecht singe. Nur wenn ich das Werk erkennbar absichtlich verändere (neuer Text z.B.) ist es eine künstlerische Variation und damit eine Eigenkreation. Geschichten von Leuten, die von der GEMA verklagt wurden, weil sie beim Autoradiohören das Fenster offenhatten und ähnliche angebliche Fälle halte ich für urban legends. Selbst wenn die GEMA auf diese abstruse Idee käme (ok, die kommt auf viele abstruse Ideen) müsste sie auch einen Richter finden, der den Fall zu ihren Gunsten entscheidet und das dürfte schwer werden. Ganz abgesehen von der Beweislage. Interessant und recht aussagekräftig für die selbstherrliche und gleichzeitig einschüchternde Einstellung der GEMA ist im Übrigen der Umstand, dass auf der GEMA-homepage nur Urteile zu deren Gunsten aufgeführt sind. Forscht man nach, stellt man aber fest, dass häufig GEMA-freundliche Urteile der ersten oder zweiten Instanz gegenüber Privatpersonen, die klar erkennbar ohne irgendwelche Betrugsabsichten oder kommerzielle Interessen handelten, von höheren Instanzen (teils BGH) gekippt wurden.
also gebt mir [verbindlichen] rechtlichen Rat
Das dürfen wir nicht.