"Bettelorden" ist in der heutigen katholischen Kirche, ebenso wie in der historischen Forschung ein
feststehender Begriff für ganz bestimmte Ordensgemeinschaften. Man kann da (wenn man gut arbeitet) nicht zwischen "herkömmlichen Bettelorden" und dem eigenen achsowunderbarspeziellen Sonderbettelorden rumdifferenzieren wie es einem gefällt. Punkt. Der Begriff steht und das sowohl im populären - siehe wikipedia, z.B. hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bettelorden - als auch im professionellen Bereich:
Bettelorden (Mendikantenorden) Mit den B. entstand im 13. Jh. eine Form des Ordenslebens, die sich durch Spiritualität und Funktion, Besitz und Erwerb, Organisation und Wirkungsfeld wesentl. vom älteren Mönch- und Kanonikertum unterscheidet. Die B. stehen in einem engen Zusammenhang mit den orthodoxen und heterodoxen religiösen Bewegungen des HochMA, deren Zielsetzung - Erfüllung der Forderungen des Evangeliums, Nachfolge Jesu und der Apostel, Buße und Verbreitung des Wortes Gottes - sie teilen bzw. in ihren heterodoxen Ausprägungen bekämpfen. Ihre Entstehung ist nicht ohne den sich im 12. und 13. Jh. vollziehenden sozialen und ökonom. Wandel - Intensivierung der Geldwirtschaft und der gewerbl. Produktion, Wachstum der Städte und Anstieg der Bevölkerung sowie Zunahme der horizontalen und vertikalen Mobilität - zu erklären.
Quelle: Lexikon des Mittelalters. CD-ROM Ausgabe. Metzler 2000. LexMA 1 Sp. 2088-2093. Zur Erklärung: Das LexMA gilt als der kleinste gemeinsame Nenner der ordentlich zerstrittenen Mittelalterforschung. Es ist nicht unfehlbar, aber bietet einen zuverlässigen Satz von Grundbegriffen, Definitionen und Ausführungen, die wissenschaftliche Arbeit zum Mittelalter erheblich erleichtern. Ihm widerspricht man nur mit guten Belegen und klarer Argumentation. Da fallen die Lazarener nicht rein. Das kann man so akzeptieren. Man kann sich aber auch noch die folgende Textwand durchlesen.
--- Die Lazarener waren ja nicht freiwillig arm und bettelnd, weil sie Christus nachfolgen wollten, die Wirtschaft und Gier ihrer Zeit verachteten, und/oder der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten wollten. Sie waren arm und bettelten, weil das eben das ist, was in der mittelalterlichen Gesellschaft Hauptbetätigung und -verdienst für Leprakranke ist. Bettelorden sind nicht einfach nur Bettler. Das "arme Kleid" des Franziskus ist nicht das Kleid eines armen Bettlers, eines einfachen zivilen Menschen: Franziskus Kleid ist die Konstruktion eines Apostelkleides, des Kleides eines besitzlosen ganz auf Gott ausgerichteten evangelisierenden und evangelisierten Menschen, der sich ohne Not in Not begibt. Noch weniger trage die anderen Bettelorden "Bettelgewänder": Sie, wie Beispielsweise die Dominikaner, tragen die Kleider des geistlichen Standes, während sie sich evangelisierend ohne Not in Not begeben. Wie passt das zu Leprakranken. Die kann man im Sinne der Bettelorden pflegen, sie selbst aber sind per se in so großer Not, dass sie den freiwilligen Schritt nicht mehr vollziehen können, der den spirituellen Kern der Bettelorden (zumindest in ihrer Frühzeit) ausmacht. Heribert, Du sagst selbst, dass die Lazarener 1262 als
ordo militiae bestätigt wurden. Ein Ritterorden kann aber per Definition schwerlich ein Bettelorden im Sinne der allgemein üblichen Definition sein: Pferde und Rüstungen und so - das muss entweder dem Bruder oder dem Orden gehören, obwohl in den Bettelorden der Frühzeit Besitz solcher Werte absolut verpönt war. Die Bezeichnung der Brüder als "arm" hat in dem Kontext gar keine Aussagekraft: Eigentlich ist jeder Ordensbruder eines jeden Ordens "arm". Nach Deiner Ausführung waren die Brüder ja noch nicht einmal ein "neuer", ein "Reform-"Orden, sondern kamen aus griechisch-armenischer Tradition, die das Konzept des Bettelordens meines Wissens nach gar nicht kennt. Genau genommen noch nicht einmal das Konzept des Ordens (aber das zu erklären würde wirklich zu weit führen). Ein Bettelorden nach allgemein akzeptierter Definition ist Teil der westlichen, römischen Kirche weshalb der Status des Ordens vor seinem Anschluss an selbige sowieso nur wenig Gewicht hat. Ich muss mich deshalb selbst korrigieren. Bei einem Übergang 1212 bis 1255 fällt die Ausformung des Lazarusordens als Teil der römischen Kirche genau in die Entstehungszeit der beiden großen ersten Bettelorden der Minderbrüder und Dominikaner und nicht wie von mir behauptet lange vor diese. Das wiederum bedeutet aber, dass spätestens 1262 der Papst Konzepte, Vorstellungen, ja fertige Urkundenvorlagen und fähige Berater gehabt hätte, um die Lazarener zu einem Bettelorden zu machen. Stattdessen schreibt der
ordo militiae: Es ist also eine schon den Zeitgenossen bewusste Unterscheidung vorgenommen worden. Der Papst wollte dass die Lazarener kein Bettelorden sind, sonst hätte er sie anders bezeichnet. Das ausdifferenzierte Fachvokabular dafür hatte er schon. Der Lazarusorden war ein Orden, dessen Mitglieder bettelten. Er war wahrscheinlich auch (ich habe kein Bullarium der Lazarener hier und die von Dir aufgeführten Werke ebenfalls nicht) ein Orden, dessen Mitgliedern der Bettel päpstlich erlaubt war. Er war ein bettelnder Orden, aber (nach meinem Wissensstand, auf Basis Deiner bisherigen Aussagen, lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber dann bitte mit einem lat. Quellentext etc., etc. ...) kein "Bettelorden". Ohne solche Begriffsklarheit ist eine zielführende Diskussion nicht möglich. Wer im Zusammenhang mit den Lazarusorden "Bettelorden" liest und in diese Richtung weiter recherchiert, der verrennt sich. Das will ich nicht. :no Ein weiterer Punkt: Die immer mal wieder auftauchenden Bezüge auf die Augustiner/Augustinereremiten (OSA/OESA) in Heriberts Posts. Daran bin ich nicht ganz unschuldig, habe ich mit der Übersetzung der Regensburger Statuten von 1290 dieses Ordens doch verführerisch einfache Quellen verfügbar gemacht. Aus meiner Sicht erschließt sich aber nicht, warum sich ein Ritterorden im Heiligen Land, umgeben von anderen Ritterorden, in seinen Kleidungsgewohnheiten an den mühsam ausgehandelten Statuten eines Zwangszusammenschlusses verschiedener italienischer Eremitengemeinschaften orientiert haben soll. Oder umgekehrt. Nur weil sie dieselbe in praktischen Dingen schwammig formulierte Regel haben (die sie wie schon angemerkt mit noch sehr vielen anderen Gemeinschaften teilen, die alle seeehr unterscheidlich gekleidet waren)? Weil die zwangsvereinten Eremiten danach zufällig den Namen des Verfassers dieser Regel im Namen trugen? Da muss mehr kommen. Sicher: Die Grundlagen monastischer Kleidung bestehen für beide Orden und die Konstitutionen von 1290 sind ein gutes Beispiel für solche Grundzüge um 1300. Aber nicht besser oder schlechter geeignet, als die der Dominikaner, Prämonstratenser, Serviten, Mercedarier, oder Kreuzherren. Und definitiv schlechter, als die der Hospitaliter. Und das sind alles der Augustinus-Regel folgende Orden. Deswegen postuliere ich zum Abschluss mal ganz provokant und unernsthaft (und fachlich zu etwa 90% falsch): Die Lazarener trugen ihre schwarzen Mäntel vorne bis zur Brust zugenäht mit angenähter Kapuze und darunter weiße Tuniken und Skapuliere mit angenähter Kapuze. Denn das haben die Dominikaner so gemacht und auch die Prämonstratenser (nur mit weißen Mänteln) und auch die Serviten (nur mit schwarzen Tuniken und Skapulieren). Und die waren ja streng genommen auch Augustiner und Serviten und Dominikaner waren ja sogar auch Bettelorden und die Dominikaner hatten in der 2. Hälfte des 13. Jh. gute Kontakte ins Heilige Land. Und überhaupt. :zunge