Hallo! Erstmals Glückwunsch zur Entscheidung für dieses Hobby! Bevor ihr euch jetzt jedoch ans Schneidern aufs Geratewohl macht, einige ernst & zum Nachdenken gemeinte Inputs, bevor ihr in eine finanzielle, tiefe Grube fallt, in die alle Einsteiger im Living History vor euch auch gefallen sind: Wenn ihr nur Fantasy machen wollt: Macht was Karfunkel euch sagt. Wollt ihr es richtig angehen - und das entnehme ich deinem Perfektionismus bedenke bitte: 1. Karfunkel, Pax & Gaudium, Miroque: Das alles sind Zeitschriften, keine Fachpublikationen. Entsprechend liest es sich zwar nett am Klo oder Zwischendurch, der inhaltliche Wert dieser Heftchen endet aber meist auch bei ihrem Unterhaltungswert. Es finden sich leider - für Neulinge meist nicht erkennbare - Fehler in den Texten, bzw. erst recht in den Schnitten, die meist eher an 21.-Jh.-Faschingskostümschnitte erinnern (von einigen Tunika-Schnitten mal abgesehen vielleicht). Daher: Finger weg, wenn ihr "richtig" machen wollt. Alternativ schlag ich euch vor, euch von Sarah Thursfield "Mittelalterliches Schneidern" für die Nähgrundlagen zu besorgen; auch hier sind ab und an Fehler drin, aber im großen und ganzen ist die Übersicht, auch wenn anfangs evtl. erschlagend, da sehr detailliert, zumindest nicht uninteressant (z.b. Welche Nahtformen gabs usw.) Weiters als Ausbau von der von euch gewählten Zeitstellung - und das 12. Jh. ist nicht einfach, da die Quellenlage im Vergleich zum 13.-15. Jh. eher mau ist für eine "einfache" Reko, gibts noch die Einsteigerwerke, großteils auch über Bibliotheken erhältlich:
Weiterer Hinweis: Ist euch bewusst das ADEL als Darstellung nicht nur ein Gefolge/Pferd im Fall des Mannes falls "Ritter" erfordern würde? Zudem ein Wollkleid und ein paar Schuhe keinen Adel machen? Und auch ein Schwert und Kettenhemd machen nicht automatisch einen Ritter aus Mann (auch wenns die gern so hätten), aber das zeigen bereits zeitgenössische Textquellen des Mittelalters, dass nicht nur die Wahl der Bekleidung, und auch Accessoires, "mehr" aus euch machen, sondern auch die Haltung damit kongruent gehen muss. Z.b. Meier Helmbrecht hält sich - dank seiner bestickten Kappe und von seiner Familie wie ein feiner Herr ausgestattet, quasi für den "König der Welt" (um es überspitzt auszudrücken
) - geht schief
. Ebenso lief das ganze auch umgekehrt, vgl der z.b. soziale Abstieg eines Franz von Assissi, vom allseits beliebten "Geck", und als er aus diesem sozialen Räderwerk ausbricht, verachteten "Spinner" (in den Augen seiner von der - was die Abstammung anbelangt - sozialen Hierarchie her Gleichgestellten). Wenn dich das Thema Repräsentationscharakter von Kleidung interessiert lege ich dir "Die Wahl des Gewandes" von Jan Keupp (oder wenn du die selben Inhalte (das erstere ist seine Dissertation) kürzer, aber auch in der Formulierung populärwissenschaftlicher haben willst "Mode im Mittelalter" vom selben Autor) ans Herz! Weil wenn ihr nicht "komisch angeguckt" werden wollt, oder Mann vermeiden will, als ein Faschingsritter mehr aufzutreten, dann ist das Thema nicht zu unterschätzen! Mein Tipp: Klein anfangen - nicht umsonst beläuft sich die Anzahl der Adelsdarstellung auf ein Minimum in der Living History-"Szene". Es war damals bereits schweineteuer, und wenn ihr anfangen würdet es richtig zu machen, reden wir hier von in Handarbeit auf Kundenwunsch gefertigte Seidenstoffen, Broschierten brettchengewebten Borten aus Goldlahn, Schmuck aus Gold und Edelsteinen... kurz: Finanziellem Ruin. Die IG Wolf macht eine Darstellung Adeliger, aber da wirkt das ganze durch die Gesamtlinie der Gruppe auch stimmig:
http://www.igwolf.net/ Fürs übern Markt schlendern reicht eine einfache Bäuerin, Magd, oder Handwerkerin, bietet auch für Frau/Mann den Vorteil ohne Gruppe "darzustellen" bzw. sich ggf in eine evtl. bestehende Gruppe rascher eingliedern zu können, als als Adelige! Ist auch in der Herstellung "rasch" gut umsetzbar: Unterkleid aus Leinen, im einfachen Grundschnitt von einem Rechteck mit 2 seitlichen Dreieckigen Keilen ab der Achsel bis zum Knöchel); Mann das selbe aber ca. Knielang, dazu lange Ärmel) Das Oberkleid ist im Schnitt ident (Keile bei Mann ab Hüfte, vgl. z.b. als ungefähres Richtschema
http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/kraglund.html oder
http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/arras.html), nur eben aus Wollstoff. Dazu Strümpfe/Beinlinge bei Frau bzw. Mann aus Wollköper, ein paar Schuhe, Ledergürtel um den Bauch, und einen Schleier für Frau bzw. entsprechend zeitlich passende Kopfbedeckung bei Mann. Der Bliaut ist tatsächlich ein Kleidungsstück des 12. Jh., aber auch hier gibt es Varianten abhängig von der jeweiligen Zeit (Anfang 12./Ende 12. usw.), und bedenke: Der Bliaut ist v.a. für Leute, die sich nicht bewegen mussten, d.h. wer Geld und nix zu tun hatte, und vieeeel Muße und Angestellte hatte. Was Mann/Frau im 12. Jh. so trugen zeigen Bildquellen, beachtet jedoch die Thematik der Quellenkritik (wer ist dargestellt? Heiliger oder "Normalo"? Arbeitender oder Adeliger? Für wen wurde die Handschrift gemacht? usw.):
http://wh1350.at/literatur-und-quel...inierte-handschriften-quer-durch-die-epochen/ z.b. hier hat unsre Andrea schon einiges zu verschiedenen Zeiten an Digitalisaten gesammelt. Durchklicken! Diverse Schnittmuster nach Funden, Art der Bekleidung & Datierung:
http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/bockhome.html Kann dir halt nur vorrangig im 14. Jh. wirklich helfen, da das meine Primärzeit ist!