Mythos vom armen "Landadel"

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

Niklas Girdler

Well-known member
Registriert
10. März 2014
Beiträge
218
Reaktionspunkte
28
Ort
1230 Wien
Ich frag mich auch wo dieser Mythos vom armen "Landadel" herkommt??? "Das schwarze Auge"??? Alleine schon der Terminus Landadel .. Adel war immer mit Landbesitz verbunden, was soll also Landadel sein? Und verarmt? Sehr romantisch, aber auch sehr unrealistisch! Der Adel musste und wollte standesgemäß leben und wenn er dafür um neue Zölle ansuchte oder Land verpfändete. Natürlich gibt es auch beim Adel Abstufungen .. zwischen Seidenbrokat mit Perlen bestickt und gewalktem Scharlach in Kermesfärbung z.B. Aber die Stufe Wadenwickel (um 1250!!!!!) und Rechteckmantel (um 1250!!!!) ist schlicht und einfach Humbug. Was ich als Mimimum ansehen würde: - teure Färbungen (Kermeslaus, Rotholz, Indigo, Doppelfärbungen) - Pelze (und da nicht Schaf oder Biber) - Silberschmuck vergoldet - Seidendamaste (und seis nur der Almosenbeutel) - teure Schuhe (Durchbruchsarbeit, gefärbtes Leder oder mit Seide gefüttert)
 
nun, in Norddeutschland um 1250 ff lebten auch "Adlige" in der Stadt. Nun sollte man vor der weiteren Diskussion erstmal klären, was unter Adel zu verstehen ist und dann eben unter "niederem Adel" , ein Stand, der 1250 gerade im entstehen ist/bzw entstanden ist. Und dann kann man ja mal gucken, welche Familien im heutigen Stadtgebiet Hamburgs denn begütert waren und zu welchem Stand sie gehörten .. Und wer Lehnsherr war, wenn es denn nicht Eigenland war. Dann kann man in dem Gebiet nach der Ertragslage gucken, und dann kann man vermuten, was denn der Herr so an hatte. "Old fashioned" , da habt ihr recht, wirds wahrscheinlich nicht gewesen sein.
 
Na das es Adelige gab die Stadtbesitz hatten, hat ja auch keiner in Frage gestellt ... mich würde nur interessieren woher die Mär kommt, aus Adel etwas ärmliches zu machen in dem man den Wortteil "Land" dazupappt. Ob du für einzelne adelige Familien einer eingeschränkten Region um 1250 jetzt einen Ertrag feststellen kannst wage ich zu bezweifeln, lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Nichts desto trotz hast du dann immer noch das Problem mit mehreren Kindern, Streulehen, verpachteten Einkünften, gepachteten Einnahmequellen, Naturalienwirtschaft und und und ... Letztlich ist das Problem doch relativ einfach: - einem dargestellten Adeligen muss man ja auch im 21. Jahrhundert ansehen, dass das Adel sein soll! Jetzt den von der Mutter bei Wölfen ausgesetzten, verarmten Landadelgrafen in der Waldläuferklamotte mit Strohhut zu zeigen ist nicht nur historischer Blödsinn sondern es gehört einfach ins LARP und nicht in die historische Darstellung. Oder verteilt der gute Jan dann ständig Flyer mit einer tragischen und völlig aus der Luft gegriffenen Hintergrundgeschichte einer fiktiven Figur die seine Ausrüstungsmissstände erklären soll? - ein damaliger Adeliger MUSSTE mit seiner Kleidung seinen Stand repräsentieren, "Kleider machen Leute" war damals kein Snobismus sondern Notwendigkeit. Jetzt die große Ausnahme irgendwo herauszukitzeln ist einfach enorm unseriös.
 
sorry, aber mit Ausstattung wie hier beschrieben könnte der "verarmte Landadlige" auch genauso gut ein gut gestellter Handwerker sein. Sowohl in seiner Zeit um 1250 als auch heute könnte ihn kein Mensch von einem solchen unterscheiden. Und dann wird ihn auch damals wie heute niemand ernst nehmen. Entweder gscheit oder sag halt einfach Handwerker oder Händler dazu, recht viel mehr is das nämlich nicht. Da geb ich Nikolaus recht, wenn Adel dann bitte auch repräsentativ mit entsprechendem Schmuck, aufwändigen Färbungen und entsprechendem anderem Bling Bling. Zumindest ein repräsentativer Mantel muss drin sein (also ein Halbkreis, den hat doch glaubich auch der Ekkehard von Naumburg), und eine bodenlange Cotte mit entsprechender Seidenfütterung.
 
Die Naumburger Stifterfiguren sind generell eine gute Ausgangsbaisi für die Recherche. Schau mal, ob Du an den Katalog der Naumburger Meister rankommst. Vor 3 Jahren hatten die da mal eine Sonderausstellung, da haben die Replikate der Stifterfiguren im Stadtmuseum ausgestellt. Man konnte drumherum laufen und sich die Damen und Herren sogar von hinten ansehen. Und Ekkehard II. von Meißen war zumindest Markgraf und ist somit als nicht ganz so verarmt, aber auch noch nicht als Hochadel anzusehen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Adelstitel)
 
... und hier eine mindestens ebenso gute niedrige Adelsdarstellung von Historia Vivens : http://www.historiavivens1300.at/hv1300.htm -> Bibliothek -> Kleidung und Ausstattung des niedrigen Adels von 1280 bis 1320(allerdings ebenfalls ohne Pferd, oder habe ich das Apd Angeron übersehen?) Freundliche Grüsse Gerald von Ameningen (der auch immer so knapp über die Runden kommt, bei all den vielen Abgaben, während ihm sein Haushalt die Haare vom Kopf frisst!)
 
Ich kann Niklas und Rotschopf da nur zustimmen! Ich habe viiiiel Zeit, Arbeit und noch mehr Geld verballert, um dahin zu kommen wo ich jetzt bin. Und ich bin noch lange nicht am Ziel... Sehr tolle Bilder gibt es auch auf folgender Seite: www.loewenbanner.de
 
Nun ist ein Herzog aber auch kein niederer Adeliger mehr! Die Spannbreite des niederen Adels reichte vom Verwalter eines kleinen Gutes bis hin zum bereits erwähnten Markgrafen, dessen Familie es sich leisten konnte, einen Dom zu stiften. Da liegen sowohl finanztechnisch als auch von den Vollmachten her ganze Welten dazwischen. Freundliche Grüsse Gerald von Ameningen
 
Und überhaupt war Adel keineswegs immer mit Landbesitz verbunden. Walther von der Vogelweide z.B. war zwar als Ritter ein (niedriger Adeliger), bekam aber erst im fortgeschrittenen Alter ein Lehen (es lässt sich nun füglich darüber streiten, ob ein Lehen ein Besitz war oder eben nur geliehen). Freundliche Grüsse Gerald von Ameningen
 
Natürlich! Da gebe ich Dir voll und ganz Recht! Was ich damit nur sagen, bzw. schreiben wollte, ist, das man sich vorab genau informieren sollte, was belegt ist, damit man sein Geld nicht zum Fenster raus wirft. Den Fehler habe ich gemacht....
 
Du betreibst da ein bisschen Begriffsverwirrung, Gerald. Adel war sehr wohl mit Landbesitz in Form von Eigenbesitz verbunden. Walther von der Vogelweide war ein Ministeriale, das nennt man zwar Dienst"adel" hat aber mit Adel nicht wirklich was zu tun. Im 13. Jhdt. war die Untrennbarkeit von Adel und Rittertum noch nicht gegeben, ein Ritter musste nicht Adelig sein, ein Adeliger nicht gleich ein Ritter. Mit Adel waren neben dem Eigenbesitz auch noch andere Rechte verbunden, Zeugenfähigkeit z.B. Und der "Verwalter eines kleinen Gutes", wie du es nennst, war mit Sicherheit auch ein Ministerialer und kein Adeliger!
 
Nun, um jegliche Begriffsverwirrung im Keime zu ersticken: Wie würdest Du die Untergrenze des niederen Adel um 1250 definieren? Freundliche Grüsse Gerald von Ameningen
 
Und was war der Edelfreie, der selber mit ranmußte, weils für mehr nicht reicht???? Irgendwann wird durch Erbteilung aus dem größten Gut ein Handtuch, da hilft auch die ganze Schidfähigkeit nichts
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Noch etwas, bitte zurück zum eigentlichen Thema. Ich kann die parallele Diskussion gerne in einem Anderen Thema unterbringen.
 
Hermann, die Idee finde ich gut. Hier noch schnell vorher bzw. bis dahin auch von mir ein Link, der Einiges erklärt (jaja, ich weiss, Wikipedia und so, aber dieser Beitrag ist wirklich gut mit Quellenangaben versehen): http://de.wikipedia.org/wiki/Ministeriale Es kommt sogar der verarmte Edelfreie darin vor. Freundliche Grüsse Gerald von Ameningen
 
@Niklas: Für das Hochmittelalter um 1250 unterschreibe ich Deine Aussage ... für spätere Zeiten bis hin zum ausgehenden Spätmittelalter ist aber meines Erachtens nach eine deutlich differenzierte Betrachtung notwendig. Der sowohl wirtschaftliche als auch militärische Niedergang des Rittertums hatte selbstverständlich auch Auswirkungen auf das Einkommen von vielen Adligen. Bedenkt man dann noch Themen wie die Landflucht, Seuchen und diverse Aufstände des niederen Volkes (und manchmal auch des nicht so niederen Volks ;o)), halte ich verarmte Adlige ("den armen Ritter") im gewissen Rahmen für sehr realistisch.
 

Neueste Beiträge

Oben