Ein Hinweis auf Ohrringe im Aragonien des 15. Jhd., findet sich bei Oswald von Wolckenstein: Ein künigin von Arragum, was schön und zart, da für ich kniet, zu willen raicht ich ir den part, mit hendlein weiss pant sie darin ain ringlin zart lieplich und sprach: >non maiplus disligaides.< Von iren handen ward ich in die oren mein gestochen durch mit ainem messen nädelein, nach ir gewonet sloss si mir zwen ring dorein, di trueg ich lang, und nennt man si raicades. Ich suecht zu stund künig Sigmund, wa ich in vandt. den munt er spreutzt und macht ein kreucz, do er mich kant. der rueft mir schier: >du zaigest mir hie diesen dant?< freuntlich mich fragt: >tuent dir di ring nicht laides?< Weib und ouch man mich schauten an mit lachen so; neun personir küniglicher zier die waren do ze Pärpian, ir babst vun Lun genant Petro, der römisch künig der zehent, und die von Praides. Übersetzung: Eine Königin von Aragon, sehr schön und zart, vor der kniet' ich, ergeben bot ich ihr meinen Bart dar, mit weißen Händchen knüpfte sie ein Ringlein zart hinein, freundlich, und sprach: >non maiplus disligaides.< Auch wurden mir von ihrer Hand die Ohren durchstochen mit einer kleinen Messingnadel, nach ihrer Sitte schloß sie mir zwei Ringlein hinein, die hab ich lang getragen, man nennt sie raicades. Alsbald ging ich zu König Siegmund, wo er gerade war. Er verzog den Mund und schlug ein Kreuz, als er mich erkannte. Er rief sogleich: >was zeigst du mir denn da für Tand?< Und fragte freundlich: >Tun die Ringe dir nicht weh?< Die ganze Gesellschaft betrachtete mich da lachend; da waren neun Persönlichkeiten königlichen Rangs in Perpignan, ihr Pabst namens Petrus von Luna, der römische König der zehnte, dazu die Frau von Prades. Strophe III des Liedes "Es fuegt sich, do ich was von zehen jaren alt" (Übertragung/-setzung: Burghart Wachinger, "Oswald von Wolckenstein Lieder", Reclam) Dieser in Aragonien in höfischen Kreisen wohl geläufige Brauch "Raicades" zu tragen, stieß bei König Siegmund, der Oswald 1415/16 im Gefolge einer Frankreich-Spanien-Reise mitführte, sowie seinem Gefolge, auf Erstaunen und Verwunderung, - mit durchaus komischen Zügen. Daher war dies wohl in den derzeit duetschsprachigen Gebieten nicht verbreitet/bekannt. Bei der aragonischen Königin, dürfte es sich um Isabella von Aragon gehandelt haben. Die "Frau von Prades" (Margarita de Prades, Witwe Martins I. von Aragon), lacht ob der komischen Situation erheitert mit. Ihr dürfte der Brauch bekannt gewesen sein. (Die Personeninfos stammen aus dem Anhang des Reclam-Büchleins)