Schnittmuster Cotte 14tes Jahrhundert

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So, meine Cotte ist endlich in Arbeit. Ich habe mich für eine zum Reinschlüpfen mit Knöpfen an den Ärmeln entschieden und werde wenn sie fertig ist noch ein gefüttertes Surcot mit dreiviertel Ärmeln nähen. Ich habe nach Sarah Thursfield ein Muster aus altem Stoff erstellt, wobei ich die Ärme am Ansatz etwas geändert habe, da sie so noch weniger Falten werfen. Empfehlen kann ich ein Muster zu entwerfen und dieses dann Stück für Stück enger zu machen indem man es immer wieder neu absteckt und näht, bis man gerade noch reinkommt. Ich war gestern jedenfalls doch sehr erstaunt, in was für ein enges Kleid man sich tatsächlich noch zwängen kann, bin allerdings auch froh, dass man sich im Allgemeinen nur einmal am Tag an- und ausziehen muss :D . Es dauert so doch ein wenig länger. LG Martina
 
Je mehr man von den Dingern macht, umso schneller hat man raus, wies geht. bei meinem aktuellen musste Firiel nur 2 Nähte nachbessernd abstecken. Und ich noch so: Äh, nicht mehr enger bitte, sonst komm ich nicht mehr raus ^^
 
Mich interessiert jetzt einfach mal wie viel Nähte Eure Cotten am Torso haben. Ich habe bisher einmal nach Herjolfsnes Nr. 38 gearbeitet (sonst immer 4 Viertel Schnitt) und nach einiger Fuddelei mit den großen Geren ging es eigentlich gut. Aber ich musste eine falsche Rückennaht um's Kreuz herum machen damit es saß. Egal was ich mache, es bleibt hinten immernoch etwas Stoff übrig (hab aber auch eine ziemliche S-Rückenpartie). Oder könnte es daran liegen, dass der Wollstoff etwas festeres Tuch war? Habt Ihr da Erfahrungen? Als zweites lässt mich das Bild aus HS 2505 (Hörder Heilsspiegel) mit den grün und der rot gekleideten Frauen nicht mehr los. Quelle: UB Darmstadt. Ich überlege seit Tagen, ob ich bei der Dame in grün eine seitliche Schnürung sehe. Wirft auch so verdächtige Falten während bei der anderen Dame alles glatt sitzt. Wenn ich jetzt keine Gespenster sehe, weiß vielleicht jemand noch mehr über mögliche seitliche Schnürung Mitte des Jahrhunderts? Dankeschön.
 
Das könnte schon eine seitliche Schnürung sein, ist bei uns zu der Zeit leider nicht denkbar, drum bin ich da nicht so informiert. Was die Geren angeht, so habe ich ein Kleid nach dem Herjolfsnes 10-Geren Kleid, habe aber nur 6 Geren, da sich die seitlichen 4 Geren partout nicht mehr unterteilen lassen in der Mitte, ohne Naht auf Naht zu nähen. Bei mir sind die Körperproportionen einfach so blöd, dass sich die Seitengeren in der Taille so verschmälern, dass ich keinen Platz mehr für zusätzliche Nähte hab :) Ich persönlich würde dir von zusätzlichen, nicht belgten Nähten abraten. Zieh lieber auf der Seite den Stoff noch enger zusammen bei den Nähten. Und wenn du auf der Seite maximal eng abgesteckt hast und es wirft horizontale Falten, dann wirft es eben Falten. Ich würde da das Schnittmuster höher halten als den in ideal gestalteten Abbildungen dargestellten Sitz ohne Falten. Wir wissen nicht, ob man diese Falten abgebildet hätte, wenn sie da gewesen wären, oder ob das ganz normal war und man es einfach hingenommen hat. Gerade auf dem Bild, das du hier postest, seh ich viele viele horizontale Falten bei der Dame rechts. Wir haben heute auf Grund unserer sehr fortgeschrittenen Nähtechnik ein Idealbild vom Faltenlosen Kleidungsstück, das uns mit vielen vielen Ahnähern perfekt passt, das war damals sicher nicht so der Fall.
 
Ab 1360 wären extra schnürungen nicht so abwegig agnes. Aber evtl auch mod. Extreme um ans ideal heranzukommen. Denk an den einsatz v. Schnürungen auch im ärmelbereich wie z.b. In nürnberg. Kurz: dem adel bzw. Reichen bürgertum trau ich diese narrheit zu ;-)
 
Es gibt ja zwei Arten von Schnürungen. Die, die wir in Nürnberg gesehen haben an Armen und an der Front sind keine Schnürungen, wie wir sie heute kennen oder wie sie im 12. Jahrhundert vorkamen, wo man wirklich versucht, ein weit geschnittenes Kleid aus geometrischen Formen zusammenzubinden, um es auf den Körper anzupassen, sie sind nur eine Verschlussart an bereits auf den Körper zugeschnittenen Kleidern, die schneller geht als der damals schon übliche Knopf. Solche Schnürungen wie hier auf dem Bild mit den dazwischen-gewurschtelten Stofffalten entsprechen eher dem Bliaut. Ist also echt was neues zu der Zeit, aber wie du schon sagst: dem Adel ist alles zuzutrauen.
 
Ich habe meine Cotte in vier Teile aufgeteilt und vorne und hinten eine Mittelnaht gesetzt. Wenn man sich die Bilder der Trierer Weltchronik von 1383 mal etwas genauer betrachtet, scheint es bei einigen Damen eine Art Mittellinie im Front- und auch im Rückenbereich zu geben, die auf eine Naht hindeuten KÖNNTEN. Mit den vier Nähten an den Seiten und Front und Rücken habe ich die Cotte relativ gut abgesteckt bekommen. Geren werde ich vier ab etwa zwei Finger breit unter dem Bauchnabel einnähen, an den Seiten und vorne und hinten. Im Taillenbereich habe ich am Rücken auch leichten Faltenwurf und denke mal, dass dies gerade bei einer Cotte zum Reinschlüpfen normal ist. Im Übrigen bin ich mir bei den Herjolfsneskleidern auch nicht so ganz sicher, ob die eng gesessen haben, dann müssten die damaligen Besitzer nach den Bilder zu urteilen ziemlich stark gebaut gewesen sein ;) Schnürungen habe ich im Willehalm (Front und Ärmel) gesehen und im Alexanderroman (Ärmel), beides leider vor 1350 und bei einem weiteren Buch, das müsste ich aber dann raussuchen Die Abbildung aus dem Heilsspiegel finde ich auch sehr interessant, da ja neben der eventuellen Schnürung auch noch Knöpfe existieren, was mich wiederum irritiert, warum beides? Zudem bin ich mit Knöpfen bei den Damen auch immer noch sehr skeptisch, da ich in der zweiten Hälfte des 14. Jhdts. relativ wenige Frauenabbildungen vor allem in den deutschen Schriften gefunden habe, die geknöpfte Gewänder trugen, das kam bei den Männern definitiv wesentlich häufiger vor. Durchsucht habe ich dabei mittlerweile das Morgan Library, British Library, Imareal, Bodleian Library, Digitale Sammlungen der Universitäten Heidelberg, Düsseldorf und Freiburg, sowie die Badische und Würtenbergische Landesbibliothek, einige kleinere Datenbanken und die Faksimileausgaben der Uni Göttingen. Wobei mir bei der Vielzahl natürlich die eine oder andere Abbildung auch entgangen sein kann. Auch mit den dreiviertel Ärmeln bei meinem Surcot bin ich noch nicht weitergekommen, da auch hier nach 1350 immer weniger zu finden ist, im Deutschen Raum habe ich bisher noch gar nichts entdeckt, was später wie 1350 ist. Da unsere Zeitstellung mit 1360 nicht so weit entfernt liegt und belgische und französische Mode diese Ärmelform noch selten aufgreift, wäre es wohl möglich gewesen, aber mir fehlt halt der Beleg. Vielleicht aber sehe ich das Ganze auch nur zu eng :D LG Martina
 
Ich bin gerade noch auf eine weitere Abbildung gestoßen, die auf eine Nahtlinie im Frontbereich hinweisen könnte: http://www.e-codices.unifr.ch/de/vad/0342/8/medium Von der Verarbeitung her finde ich es mit Mittelnaht auch relativ einfach, das Kleid so faltenfrei und enganliegend hinzubekommen. gefunden in den E-codices der Uni Freiburg, Schweiz (http://www.e-codices.unifr.ch/de) unter: Kantonsbibliothek St. Gallen, Vadianische Sammlung, Vaticinia de pontificibus LG Martina
 
Danke für die Antworten. Stoff für weiteres Nachdenken. Einfach vier Nähte wären natürlich praktisch.
 
Vierviertelschnitt ist auch für die 2. H. des 14. Jh. völlig plausibel :) Vgl. die Schecke des Charles de Blois! :) Die Herjolfneskleider waren sicher nicht die Kleider hochadeliger Frauen aus Europa, allein schon wegen der Grobheit des Materials und den eher kargen Lebensumständen der Gegend. Da stand sicher Praktikabilität im Vordergrund. Allerdings sind sie sicher eine gute Ausgangsbasis für die Kleidung einfacherer Schichten / Handwerker, welche nicht so im finanziellen Überfluss schwammen :)
 
Allerdings sind sie sicher eine gute Ausgangsbasis für die Kleidung einfacherer Schichten / Handwerker, welche nicht so im finanziellen Überfluss schwammen
Wenn man das als Grundlage nimmt, hat man natürlich nach oben hin schon recht viel Gestaltungsspielraum gewonnen. Wobei ich es dann schon wieder beinahe erstaunlich finde, mit was für einer Stofffülle und aufwendigeren Schnitten sich dort die einfacheren Leute gekleidet haben, zumal bei dieser Art des Zuschneidens auch mehr Verschnitt anfällt. Weiß jemand, ob die Originale in den Stoffbahnen gestückelt wurden? In meinen Bücher scheint dies nicht der Fall zu sein, lediglich bei den Ärmeln. Es bleibt auf jeden Fall ein sehr spannendes Gebiet. LG Martina
 
Die Stoffbahnen werden bei Herjolfnes nicht gestückelt, allerdings ist der Zuschnitt eigentlich praktisch genauso platzsparend wie jeder Zuschnitt nach 13.-Jh.-Modell - auch die Stoffbahnen der seitl. Geren sind nicht wirklich anders als Keile, der Mittelteil ein Rechteck, welches durch abstecken an den Körper angepasst werden kann. Bild mir ein bei meinem blauen Kleid warens ca. 4-4,5 m insgesamt Stoffverbrauch bei 1,5 m Breite. Bei der Schecke von Charles de Blois jedoch wurde mit vielen kleinen Einzelteilen gearbeitet um diese Enge zu erhalten was ich mich erinnere.
 
Super. Dann können wir das Schlupfkleid meiner Bekannten ja im Vierviertelschnitt nähen. Ganz nachvollziehen kann ich aber das Argument ein Herjolfsnes-Schnitt sei geeigneter für ein körpernahes Kleid einfacherer Schichten nicht. Ich brauche dafür auf jeden Fall mehr Stoff als beim Vierviertel-Schnitt. Ich glaube eher, diese Art Anpassung hat sich aus den dreieckigen Geren entwickelt, die bis zu den Achseln reichten, und ist eine regionale Besonderheit. Aber glauben und wissen sind ja bekanntlich zwei verschiedene Dinge.
 
das dieser Schnitt sich aus den Keilen entwickelt hat ist auch meine Annahme, allerdings ist dieser Zuschnitt nach Herjolfnes in meinen Augen eine Art Übergang, ehe sich der Viertelschnitt gegen Ende des 14. Jh. allgemein durchgesetzt hat. Dafür spräche auch die vermehrte Verwendung von Brustschnürungen in dem Zeitraum dann.
 
Wenn man sich die Geschichte des Kleidungszuschnitts ansieht, so ist Herjolfsnes eigentlich eine herausragende Technik. Frühere Kleider bestanden immer aus 2 Rechtecken und ein paar Dreiecken, damit erreicht man keine ausreichende Taillierung, das war aber auch nicht nötig, denn man trug es ja gerne weit und schlabberig. Vom schneidertechnischen her sind die seitlichen Geren von Herjofsnes eine echte Revolution, sie sind oben breit, in der Mitte schmal und werden dann wieder breiter und sie machen es möglich, das Kleid perfekt auf den Körper anzupassen und ihn dabei noch gut aussehen zu lassen. Schaut man sich zB spätere Korsagenschnitte an, sieht man, wie ähnlich sie diesen Schnitten sind. Da hat jemand sein Handwerk sehr gut verstanden. Deswegen denke ich auch, dass zumindest die Damenkleider aus den Funden enganliegend gewesen sein müssen. Sonst hätte man sie auch stoff- und zeitsparender zuschneiden und nähen können. Auch die Rockweite spricht sehr für ein bisschen mehr Luxusbedürfnis. Ich würde hier die Stoffersparnis nicht als die oberste Devise ansetzen. Es gibt zu dieser Zeit schon wesentlich effizientere Webstühle als in früheren Jahrhunderten mit dem mühseeligen Gewichtswebstuhl. Außerdem kommt es da einfach nur auf die Platzierung an, ich hatte noch nie einen wahnsinns Verschnitt bei dem Modell.
 
Deswegen denke ich auch, dass zumindest die Damenkleider aus den Funden enganliegend gewesen sein müssen.
Damit tue ich mich noch ein wenig schwer. Die Kleider wirken auf den Fotos der Originale und Rekonstruktionen doch sehr weit, um richtig enganliegend gewesen zu sein. Daher irrietiert mich dann auch der Schnitt mit den aufwendigen Geren. Irgendwie passt das nicht zusammen. LG Martina
 
Ich glaube, man sollte sich von den Fundbildern nicht täuschen lassen. Körpergröße war da zwar nicht so hoch, aber meine Kleider sehen auch sehr breit aus (gut ich bin auch füllig). Hat jemand vielleicht die vollständigen Maße zur Hand? Taillenweite usw?
 
Auf die Idee bin ich natürlich noch gar nicht gekommen :( . In meinem Buch sind die Schnittmustervorlagen doch abgebildet. So ganz grob geschätzt liege ich bei einem Kleid an der engsten Stelle zwischen 80 und 90 cm Umfang, was dann tatsächlich für einen engeren Sitz sprechen würde. Somit täuschen die Bilder wirklich. Danke für den Hinweis. LG Martina
 
hab alle Publikationen daheim liegen, bin aber leider heut schon fix und fertig vom Tag... kriegs heut nimmer gerafft nachzuschlagen, evtl. morgen :)
 
wenn du demnächst Gelegenheit haben solltest, kannst du mal einen blick drauf werfen, ob da irgendwo Löcher gestopft wurden? Hatten im anderen Forum grad eine Diskusion deswegen.
 

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