Als Thema: Der alltägliche, respektvolle Umgang miteinander, quasi der MA-Knigge. Mir missfällt heutzutage die eigenartige gesellschaftliche Attitüde, dass "Respekt" immer nur irgendwelchen gerade populären Randgruppen entgegen gebracht werden soll. Ob das nun Behinderte, Homosexuelle, Flüchtlinge oder was auch immer sind. Der ganz normale Mitmensch fällt irgendwie raus, der braucht ja keinen Respekt. Das Ergebnis sehen wir tagtäglich. Wie biete ich (ritterlich) jemandem Hilfe an, wie begegne ich unbekannten Leuten respektvoll, wie frage ich Fremde höflich, wie begrüße ich einen (noch) Fremden, aber auch Situationen wie: Wie kläre ich eine Situation, der ein potentieller Konflikt innewohnt? "Mittelalterlich" stilvoll natürlich, es ist ja ein Spiel. ("Verzeiht, mein Herr, dass ich Euch störe, doch mein Ranzen ist leider zu groß, als dass ich hier ohne Eure Hilfe vorbeipassen würde. Wäret Ihr so freundlich, kurz zur Seite zu treten um mich passieren zu lassen?" oder "Mei Mudda? Ja, ich habe eine, sie ist für Ihr Alter sehr schön und eine weise Person, die als Mutter zu haben mich mit großem Stolz erfüllt, auch wenn ich ihr allzu oft nur ein ungeratener Sohn zu sein vermochte. Es ist sehr nett, dass Ihr nach ihr fragt, ich werde ihr Eure Grüße überbringen.") Es geht nicht um ein Mediävistikseminar mit authentischen, belegten Ritualen und Floskeln, es geht um ein Prinzip. Das Prinzip, zwar standhaft, selbstbewusst und mutig, aber auch gütig, sanft, freundlich und nachsichtig zu sein. Und natürlich kritisch der Situation, aber auch sich selbst gegenüber zu sein. ("Seid gegrüßt, mein osmanischer Freund. Möge der Gott, den wir beide verehren, sich nicht daran stören, dass wir ihm verschiedene Namen gaben, möge er über unsere menschliche Einfalt gnädig lächeln und unsere Begegnung segnen." Zumt Thema Verantwortung und Respekt: Ich mache mit meinen Schülern, aber auch mit Kindern auf Märkten, oft folgende Übung: Material: Einer hat ein Schwert (erstmal aus Gummi, LARP-Bedarf), der andere nix. Setting: Der mit dem Schwert ist der alte, erfahrene Ritter, der mit nix sein "Lehrling", also der Page, der gerne mal Knappe und dann Ritter werden möchte. Der Page hat noch nie mit Waffen zu tun gehabt. Der Ritter erklärt ihm, dass, der eine Waffe benutzen möchte, erstmal lernen muss, sich sicher zu bewegen, damit er mit der Waffe später keine Gefahr für sich selbst darstellt. Durchführung: Aufgabe des Pagen ist es schlicht, nicht getroffen zu werden. Er darf sich nicht weiter als eineinhalb bis zwei Armlängen vom Ritter entfernen (wenn er mal über diese Distanz ausweicht, dann muss er auch wieder herankommen), sonst wird das nur ein Fangen-Spiel, was nicht Sinn der Sache ist. (Notfalls halten beide Personen mit der freien Hand ein Seil, um diese Distanz zu gewährleisten, aber dieses Seil behindert die freie Bewegung eigentlich zu sehr) Der Ritter schwingt sein Schwert und greift den Pagen permanent an. Herausforderungen für beide: Der Page muss lernen, sich flüssig und geschmeidig zu bewegen, dabei soviel wie nötig auszuweichen (Nur ausweichen! Schwertklingen blockt man nicht mit der Hand, auch wenn sie aus Gummi sind!), aber so wenig wie möglich um nicht zu schnell zu ermüden. Die meisten Kinder fangen bei dieser Übung an, wie wild umherzuhüpfen. Hippeligkeit und planloses Gezappel sind aber hier gaaanz schlecht. Sie müssen eine gewisse Ruhe und Konzentration, aber auch ein (Selbst-)Vertrauen in ihre Gefahreinschätzung (Distanz, was hat der andere vor?...)lernen. Das ist im Übrigen das pädagogische Ziel, wenn ich die Übung in der Arbeit verwende. Nebenbei trainieren sie dabei einen sicheren Stand, auch in der Bewegung (Kampfsportler wissen,was ich meine). Der Page muss außerdem lernen, nicht das Schwert zu fokussieren, sondern eher den, der das Schwert führt, als Ganzes. Er muss sich quasi innerlich zurücklehnen, um den Überblick zu behalten. Und er muss immer bereit sein. Sich auf den Boden werfen ist keine gute Idee, weil man da nicht mehr rechtzeitig hochkommt. Nach dem Ausweichen ist vor dem Ausweichen. Man kann bei dieser Übung schön erkennen, ob jemand bestimmte Blockaden hat (Der duckt sich ja immer, selbst wenn das blödsinnig ist, und weicht nie zur Seite aus...) Der Ritter hat keineswegs das Ziel, den Pagen zu vermöbeln! Er soll mit ihm üben. Er hat als Verantwortlicher den eigentlich schwierigen Job. Er muss seine Angriffe so langsam (fast schon Zeitlupe) und mit weiten Ausholbewegungen so sauber und klar erkennbar machen, dass der (ungeübte) Page auch eine faire Chance hat, zu reagieren. Er muss den Drang, punkten zu wollen, unterdrücken. Ziel ist nicht ein toter, sondern ein lernender, ein besser werdender Page. Ein einmal eingeleiteter Angriff wird auch sauber in der ursprünglichen Richtung durchgezogen, selbst wenn der Page erfolgreich ausweicht. (Es wäre bei dem langsamen Tempo ein Leichtes, die Richtung zu ändern und den Pagen trotzdem zu treffen, aber das ist nicht Sinn der Sache). Auch muss der Ritter stets aufpassen, dass der Page nirgends rücklings hineinrennt, Unbeteiligte gefährdet werden oder er den Pagen irgendwie, z.b. weil dieser ausrutscht, oder zu langsam reagiert, verletzt oder weh tut. Notfalls wird der Angriff gestoppt oder vorbeigeleitet. Das Ganze ist als Zusammenspiel von Ritter und Page schwieriger, als man meinen sollte, da beide Ruhe, Übersicht und (vor allem der Ritter) Verantwortung brauchen. Als Erweiterung kann man auch einen Stab nehmen. Der Stab ist zwar grundsätzlich langsamer als das Schwert, hat aber zwei Enden, was die Sache schwieriger macht. Außerdem ist er erheblich schwieriger zu führen, was dem Ritter eine Herausforderung bietet. Für Star-Wars-Fans: Auch mit dem Schwert: Mit verbundenen Augen abwehren. Ja, das geht, wenn man weiß wie, sehr konzentriert ist und der Angreifer mitspielt. Wer den Trick nicht selber rausfinden möchte, darf gerne fragen