Hi Leute, mal zurück zu den Stählen. Einen wirklichen Vorteil von geschmiedeten Schwertern im Vergleich zu Schwertern in Stock-Removal Bauweise ist nicht anzunehmen. Ferritische Stähle rekristallisieren erst unter 750 Grad, so die Ferritkörner gestreckt bleiben. Stark übereutektoide Stähle, z.B. ein Stahl mit 1,4% Kohlenstoff, geht erst bei ca. 1000 Grad vollständig in feste Lösung. Um Grobkorn zu vermeiden sollten diese Stähle allerdings unter S-E-Linie zuende geschmiedet werden. In diesem Fall werden die Eisenkarbide (Zementit) gestreckt. Ferritisch-perlitische Stähle geben nur bei Temperaturen unter G-O-S- Linie ein zeiliges Gefüge, da die Karbide bei Überschreiten vollständig gelöst sind. Für Stähle zwischen 0,5% und 0,8% Kohlenstoff bedeutet das, dass ein evtl. gestrecktes Gefüge bei Überschreiten von Temperaturen zwischen 730 und 770 Grad vollständig gelöst wird. Diese Temperaturen werden aber schon beim Härten der Stähle erreicht. Lange Rede kurzer Sinn: Reine Stähle mit Kohlenstoffgehalten zwischen 0,5% und 0,8% können durch Schmieden und anschließende WB kein zeiliges gestrecktes Gefüge erhalten. Evtl. wahrgenommene Verbesserungen der Eigenschaften von geschmiedeten Schwertern sind rein subjektiv und lassen sich aus metallurgischer Sicht nicht bestätigen! Ganz im Gegenteil: Wie Timm schon richtig geschrieben hat, ist es eher wahrscheinlich, dass man diese Stähle durchs Schmieden schädigt. Ab der Temperatur der vollständigen festen Lösung der Karbide beginnt das Kornwachstum. Dem kann man durch starke Umformung entgegenwirken. Allerdings kann man bei einer großen Klinge nie alle Teile gleichmäßig umformen und die Temperatur absolut präzise steuern. Das bedeutet, nach dem Schmieden eines Schwertes haben wir immer Gefügeungleichmäßigkeiten und partielles Grobkorn! Es ist daher unumgänglich den Rohling nach dem Schmieden zu normalisieren und weichzuglühnen um ein gleichmäßig feines Gefüge einzustellen. Wenn mann das also eh machen muss, kann man auch von vornherein einen ideal eingestellten Stahl verwenden, also die Klinge einfach aus dem Flachstahl schleifen!!! Das soll nicht bedeuten, dass das Schmieden keine Berechtigung hat. Ich selber Schmiede alle meine Klingen, einfach weil es mir um den Erhalt des Handwerks geht und weil eine gute Klinge auch immer eine "emotionale" Komponente hat. Eine Verbesserung der Eigenschaften ist allerdings, zumindest bei den für Schwerter geeigneten reinen Stählen mit 0,5-0,8% Kohlenstoff, nicht möglich. Dazu muss man aber sagen, dass 0,5%-0,8% Kohlenstoff nicht unbedingt des historischen originalen entsprechen. Ich habe gerade ganz aktuell weit über hundert Analysewerte diverser Klingen und Werkzeugfragmente von der Antike bis in die frühe Neuzeit ausgewertet. In allen Epochen gibt es Beispiele für Schwerter die einen aus heutiger Sicht zu geringen Kohlenstoffgehalt aufweisen. Kohlenstoffgehalte zwischen 0,15 und 0,3% bei Schwertern und Messern sind keine Seltenheit. Auch darf man nicht vergessen, dass es zwar seit Beginn der Eisenzeit, durch die Verhüttung geologischer Erze die Möglichkeit gab, sehr reine Stähle herzustellen, dass dies jedoch aufgrund der ausschließlichen Raseneisenerzvorkommen diverser Regionen nicht die Regel war. Raseneisenerze zeichnen sich generell durch einen hohen Phosphorgehalt aus, der sich bei der Rennofenverhüttung unumgänglicher Weise auch im Eisen/Stahl niederschlägt. Phosphor schürt mit steigenden Gehalt das Gamma-Gebiet ab. Ab 1,7% Phosphor ist das Gamma-Gebiet ganz abgeschnürt und die Stähle sind eh nicht mehr Härtbar, Kohlenstoff macht da also eh keinen Sinn. Des Weiteren bewirkt Phosphor ab ca. 0,05% eine enorme Verschlechterung der Kerbschlag- und Schlagzähigkeit, die besonders stark bei kohlenstoffhaltigen Legierungen zum Tragen kommt. Phosphor in kohlenstoffarmen Legierungen setzt aber auch die Kaltfestigkeit herrauf. Also, verwendet man phosphorhaltige Stähle, welche im MA einen sehr großen Teil des zur Verfügung stehenden Materials ausmachten, macht es Sinn den Kohlenstoffgehalt geringer zu halten! 52hrc sind zumindest für historische Klingen ganz und gar kein schlechter Wert. Freilich gibt es auch immer wieder erstaunliche Gegenbeispiele, wie z.B. das Kölner Domschatzschwert mit ca. 1% Kohlenstoff und Phosphor und Schwefel unter 0,02%. Das war aber wohl nicht die Regel. Diese Erkenntnisse bedeuten aber nicht zwangsläufig, dass man bei heutigen Repliken auch phosphorhaltige Stähle verwenden muss. Wenn wir die Möglichkeit haben, gute Stähle zu verwenden, sollten wir es auch tun. Von den modernen Stählen sind wohl die reinen Kohlenstoffstähle mit 0,5-0,8% Kohlenstoff am nächsten an sehr hochwertigen historischen Stählen dran. Die Verwendung von historischen oder authentischen Stählen wäre aber wirklich nicht im Rahmen deiner finanziellen Möglichkeiten. Wohlwollend gerechnet würde ich den feritig raffinierten Rennstahl für ein Schwert auf ca. 800 Euro ansetzen. Inkl. Herstellung, Aufbereitung (ca. Aufkohlen etc.) und Raffinieren. Also, der Klingenfertige raffinierte Rennstahl (unbearbeitet) für ein Einhänder hätte bei mir schon einen Preis von mindestens 800 Euro. Nur mal so zum Nachdenken... Gruß Jannis