Warum keine Beinschienen?

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Nomad

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Liebes Forum, beim Experimentieren mit dem Kämpfen mit dem Wikingerschild fiel mir auf, dass man eigentlich hauptsächlich Treffer an den Beinen unterhalb der Knie abbekommt. Man schützt ja sinnvollerweise (und instinktiv) Kopf, Hals und Rumpf, was die Deckung tendenziell nach oben zieht. Bei der Größe der Schilde sind dann immer die Schienbeine frei. Ja, man kann den Schild rechtzeitig nach unten ziehen, dann wird aber der Kopf frei, was auch mit Helm nicht so wünschenswert ist (und auch nicht immer rechtzeitig gelingt). Nun ist es sehr einfach, die Unterschenkel zu panzern; schon ein paar Metallschienen, aufgenäht auf eine Stoffunterlage, etwa wie japanische Suneate, bieten einen ganz hervorragenden Schutz (solche bau ich mir deswegen auch gerade. Schützen wirklich gut.). Geschweige denn geschlossene Beinschienen aus einem Stück Metall, wie sie etwa die ebenfalls Rundschild tragenden Griechen hatten, die die Unterschenkel fast unangreifbar machen. Gleichzeitig sind mir aber keine so rechten Funde bekannt, die zeigen würden, dass die Wikinger einen eigenen Schutz für die Unterschenkel entwickelt, geschweige denn flächendeckend getragen hätten. Woran liegt das? Überseh ich da was? Kennt Ihr entsprechende Funde? Oder hatte man eine Fechtweise, bei der das nicht so`n Problem war?
 
Die Frage stelle ich mir auch oft. Und nicht nur auf das Frühmittelalter bezogen, richtige Beinschienen tauchten erst im 13ten allmählich auf, und selbst danach scheinen die Beine oft, im vergleich zum restlichen Körper, mehr oder weniger schlecht geschützt gewesen zu sein. Im 15ten sieht man zum Beispiel oft Soldaten welche eigentlich gut gerüstet sind, aber kein gescheites Beinzeug besitzen (und dann sieht man wieder Bogenschützen in voller Rüstung, was auch so ne Sache ist die ich mir nicht erklären kann...). In Wisby wurden viele Schien- und Wadenbeine gefunden welche auffallend viele Schnittspuren aufwiesen, was nahe legt das auch und vorallem auf die (grösstenteils ungeschützten) Beine gezielt wurde. Man muss aber bedenken dass man, in dem Moment wo man die Beine seines Gegenüber angreift, seinen eigenen Kopf entblösst, und das ist, wie du schon schriebst, keine gute Idee. Deshalb mache ich das, insofern ich keine längere Waffe als mein Gegner habe, auch nicht gerne.
 
Hallo Nomad, in dem kleinen Buch, Wikinger-Krieger-Seefahrer-Händler ISBN 3-932077-01-6 findet sich ab Seite 32-35 die Abbildung eines Varäger 988-1071 dort wird sowohl die Armschiene als auch die mit Eisenstreifen beschlagene Beinschiene - Eisenstreifen leicht rund gebogen über das Knie führend auf Lederreimen aufgenietet, dargestellt. Wohl gemerkt Varägergarde Byzanz - Also Wikinger im Dienst des Oströmischen Kaiser. Ob es hierzu wirklich Funde gibt ist leider nicht beschrieben und mir nicht bekannt. Die Darstellung in diesem Buch von 1997 ist nicht zwingend ein Beweis für diese Beinschiene oder ähnlichen Schutz in Skandinavischem Gebrauch. Bei den vielen Büchern (ca. 500 zu Frühmittelalter/ Wikinger) die ich besitze kann ich mich nicht erinnern das mir Beinschienen aufgefallen wären - aber die Bücher sind bei mir Nachschlagewerke, vollständig gelesen habe ich bisher nur einen Teil davon. Ich nutze die Bücher zur Entwicklung von Repliken - erst selbst eines Modell oder zumindest einer bemaßten Zeichnung - sowohl Tonwaren, Gläsern, Waffen, Schmuck etc.. lasse ich dann von guten Handwerkern zum weiterhandeln fertigen. Ich probiere mich in allen Handwerken und habe schon mal alles von den Dingen die ich fertigen lasse selbst hergestellt aber größere Anzahl der Dinge lasse ich von handverlesenen Meistern Ihres Faches fertigen. Grüße sendet Olegsson :wiki4
 
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Das ist eines der großen Mysterien des Reenactments. Analog zu den Beinen hat der geneigte Dengler ja auch schon die schmerzhafte Erfahrung gemacht, dass man ständig was auf die Finger bekommt, selbst wenn der Gegner/Partner das überhaupt nicht will. Trotzdem sind Hand- und Armschutz genausowenig (fund)belegt wie der Beinschutz. Geht nicht nur Dir als Wiki so, auch mir als Karolinger und anderen frühmittelalterlichen Regionen und Zeiten. Die Logik dahinter erschließt sich auch mir nicht. Solcher Schutz ist sinnvoll und wer Helme, Schildbuckel und Rüstungen herstellen kann, für den ist, etwa der beschriebene, Bein- und Armschutz ein Klacks. Bei Handschutz aus Metall sieht es etwas kniffliger, weil filigraner und anspruchsvoller aus, aber gegen leichte Schnitte und Risse reichen schon Handschuhe aus Leder. Besser als nix. Dass es bei den Wikingern grundsätzlich Handschuhe gab, halte ich in Anbetracht der kalten nordischen Winter für selbstverständlich. Diese aber dürften, wie so viele andere organsiche Materialen auch, selbst falls damals vorhanden schlicht nicht erhalten sein. Bleiben Arm- und Beinschutz. Für die Karolinger - also Eure südlichen Nachbarn - zumindest kann ich deren Existenz zumindest bildlich und schriftlich belegen. Bildlich, wenn auch zahlenmäßig eher karg, etwa in der Vivan-Bibel, wenngleich die dortigen Wachen sicherlich stark historisierend römisch zu sehen sind. Und im Stuttgarter Psalter ist der ein oder andere Krieger zu sehen, der eine Art Schuppenhose trägt. Wie weit diese allerdings nach unten, zum Fuß hin, reicht, ist nicht genau zu erkennen. Schriftlich fällt mir da spontan die Gesta Karoli Magni ein, von Notker dem Stammler. Jajaja, der Mann war kein Zeitgenosse Karls mehr, die Gesta wurde von Karls Enkel in Auftrag gegeben und ihr Zweck war erkennbar die Verherrlichung des großen Ahnen, so dass Notker nebst seiner Gesta im Detail etwas umstritten ist, aber trotzdem kann er nichts beschreiben, was er nicht kennt. Bei der Belagerung von Pavia wird Kalle beschrieben als "mit eisernen Spangen an Armen und Beinen", worunter du Dir jetzt im Detial vorstellen darfst, was Du magst. "Das ganze Heer", so Notker, "eiferte in der Ausrüstung seinem großen Führer nach". Warum man, bei solcherart weiten Verbreitung, dann nichts von den Dingern gefunden hat, ist, wie Du Dich ja auch schon gefragt hast, seltsam. Allerdings hat man aus der Karolingerzeit auch keine Rüstungen, Helme und (kaum) Schilde gefunden. Von daher ist das Fundloch also nicht exklusiv für Arm- und Beinschutz. Fakt ist, es gab Rüstungen, Helme und Schilde. Also liegt die Vermutung nahe dass es auch Arm und Beinschutz gegeben haben muss. In der Bronzezeit gab es das, in der Antike gab es das, in der Spätantike gab es das, in der Völkerwanderungszeit gab es das (zumindest bei den Römern), in Byzanz gab es das, im Hochmittelalter gab es das, im Spätmittelalter gab es das. Nur im Frühmittelalter soll es das plötzlich nicht gegeben haben? Sehr unwahrscheinlich. Der Grund, weshalb man keinen Arm- und Beinschutz gefunden hat, dürfte der selbe sein, weshalb man auch andere Rüstungsgüter kaum gefunden hat. Wie üppig ist denn, mal ehrlich, die Fundlage bei wikingerzeitlichen Helmen oder Rüstungen? Die meisten Rekonstruktionen sind doch selber Anleihen aus Byzanz, der Rus oder aus anderen periphären Regionen. Wie viele endemisch skandinavische Funde sind denn nun bekannt? Analog zu den Franken: Mit Axt, Sax, Schwert, Speer und Schild wurden die Jungens gerne beerdigt (zumindest die Merowinger noch), davon haben wir Funde in großer Zahl. Aber Rüstungen? Oder Helme? Fehlanzeige. Das war wohl schlicht die Grabbeigabensitte. Waffen ja, warum auch immer, Rüstungen nicht, warum auch immer. Kann man jetzt spekulieren. Wenn man dem Gliederschutz bezüglich der Beleglage so skeptisch gegenüber steht, dann müsste man das beim genausowenig gefundenen Rest ebenso tun. Da sehe ich in der Szene aber eine gewisse Ungleichbehandlung. Zu Deiner Frage nach der Relevanz bei diversen "Fechtweisen": Ob das, was wir heute als "frühmittelalterlichen Kampf" praktizieren, mit den realen Verhältnissen übereinstimmt, wage ich zumindest im Detail zu bezweifeln. Ob Arm- und Beinschutz für eine klassische wikingsche Raiding-Party notwendig war, sei dahingestellt. In Schlachten zwischen Heeren, wie es sie auch bei den Skandinaviern gab (nein, die haben nicht nur 365/24 fremde Küsten geplündert), sah es sicherlich anders aus. Aber der heutzutage so beliebte, klassische MA-Todeskreis-Zweikampf zweier Eisenmänner dürfte doch eher selten vorgekommen sein. Auch zwei Schlachtreihen bzw Schildwälle, die sich gegenüberstehen und irgendwie aufeinander eindengeln, erscheinen mir eher den heutigen Spielregeln geschuldet. Das macht in der Realität eines echten Kampfes keinen Sinn. Führe ich eine solche Formation richtig, dann hat der Gegner keine große Gelegenheit, zwischen den Beinen seiner Vordermänner durchzustochern. Ein großer Unterschied von heute zu damals ist der Umstand, dass wir heute ja nicht wirklich verletzen wollen. Von daher sind unsere Hiebe um Längen schwächer und sanfter als sie damals gewesen wären. Das verleitet (heute) sehr zu elegantem, flinken Fechten, Stochern oder sonstigen Techniken, die zwar in einem "Treffer" in Form einer Berührung münden, aber selbst bei moderatem Schutz keinen wirklichen relevanten Schaden verursachen. Und nein, es ist im Kampfgeschehen selbst für mich vollkommen uninteressant, ob der Getroffene vielleicht nach zwei Wochen am Wundbrand stirbt. Ich will, dass er jetzt aufhört, gegen mich zu kämpfen. Ich will keinen Schnitt an seinem Bein, das Teil soll ab. Es dürfte also viel mehr ausgeholt worden sein als heute, was Schwerthand und -arm seltener in die Gefahrenzone bringt als heute, wo viele Kämpfer ihre Waffenhand eher vorne platzieren, um die Gelegenheit zu einem schnellen Wischer ausnutzen zu können. Auch dürften, wenn wir schon von Zweikämpfen reden, die Distanzen anders gewesen sein als heute. Ran, Angriff, dann sofort wieder weg. Liegt er da, hat es nicht geschadet, dass ich wieder weg bin, steht er noch: gut, dass ich wieder weg bin! Dieses Schild an Schild Geprügel erinnert eher an studentische Mensur. Da ist es über kurz oder lang eher Zufall, wer einen abbekommt, das will ich aber nicht. Ich will Kontrolle über das Geschehen. Fazit: Bei aller gesunder Skepsis gegenüber den "Notwendigkeiten", die aus heutigen Kampfspielchen abgeleitet werden, war Arm- und Beinschutz zumindest in richtigen Gefechten durch alle Zeiten hindurch sinnvoll und auch vorhanden. Die Fundlücke im FMA ist eigenartig, aber eher unrealistisch. Historisches Nichtvorhandensein ist dafür nur eine mögliche Erklärung, die bei anderen Rüstungsgütern (Körperpanzer/Helm) seltsamerweise weit weniger in Betracht gezogen wird. Ich bin überzeugt, es gab dieses Zeug. Dass es nicht haptisch überliefert wurde (=Fund) muss andere Gründe haben, welche auch immer. Ein Wikinger etwa, der lange Jahre in byzantinischen Diensten stand (Harald Hardrada) und dort mit nachweislich üblichen Gliederschutz ausgestattet war, hat diesen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit mit zurück nach Skandinavien gebracht. Und dort war bzw blieb er sicherlich nicht der einzige. Eine Antwort auf Deine konkrete Frage, warum man nichts davon gefunden hat, muss ich aber leider auch schuldig bleiben.
 
Wieder einmal war der Panzerreiter schneller und hat fast alles vorweg genommen was mir dazu so durch den Kopf ging. :rolleyes: Trotzdem nochmal meine 2 Cent dazu: ACHTUNG: Alles was jetzt kommt basiert lediglich auf meinen eigenen Erfahrungen und überlegungen. Es ist gänzlich ohne Anspruch auf Historische Beleg- und Wahrhaftigkeit! - Im Zweikampf Rundschild und Einhandwaffe gegen Einhandwaffe werde ich eigentlich nie unterhalb des Knies getroffen (ja, auch wenn die Schienbeine und Füsse erlaubte Trefferzonen sind!). Schläge des Gegners die auf die unteren Extremitäten Zielen sind eigentlich leicht zu blocken wenn man gelernt hat den Schild aktiv einzusetzen und nicht nur wie eine Schrankwand vor sich herzutragen. - Die meisten Treffer im unteren Bereich kassiere ich im Schildwall wo ich als Kurzwaffenträger immer in der ersten Reihe stehe und nicht viele möglichkeiten habe mit dem Schild aktiv zu reagieren weil ich ständig das Ziel mehrere Gegner mit Langwaffen bin. - Meine Gedanken dazu sind folgende: Der Kampf im dicht gestellten Schildwall wie er im heutzutage versportlichten Reenactmentkampf standardmässig praktiziert wird (Rundschild überlappt Rundschild) ist nicht sehr Realistisch und wurde meiner Meinung nach auch so nicht Praktiziert! - Warum? Ganz einfach: Der Herausragende Vorteil des Rundschildes besteht in der vielseitigkeit seines Einsatzes, also der möglichkeit in in verschiedenster Art und weise Offensiv zu benutzen ( Schildkantenschläge, ablenken der Gegnerischen Waffe durch umklappen etc..). Stelle ich mich jetzt überlappend mit meinen Nachbarn in den Schildwall nehme ich mir damit selbst alle Vorteile des Rundschildes und bin nur Teil einer Starren Wand. Das Problem kann man übrigens sehr gut Nachvollziehen wenn man einmal in Neustadt Glewe inmitten von 400 - 500 Menschen gekämpft hat. Viele Leute in der ersten Reihe sind zur Passivität verdammt weil die Massen (zusätzlich behindert durch die am Boden liegenden "Toten" ) einen so einzwängen das man praktisch nur rumstehen kann und hofft nicht getroffen zu werden. Sinnvoller erscheint mir da eine Aufgelockerte Linie (skeleton Line oder open order wie sie mittlerweile auch von einigen reenactment Gruppen trainiert wird ) die dem einzelnen Kämpfer auch Platz zum agieren lässt. Die in vielen Osprey Publikationen abgebildeten "Waräger" Arm und Beinschienen kennt wohl jeder, allerdings kenne ich keinen Realfund der die existenz bestätigt. Ähnliche Beinschützer kenne ich aus der Vendelzeit. Da gibt es auch Funde. Die Frage ist also: Wenn wir mal davon ausgehen, dass jemand der mit Einhandwaffe und Rundschild ausgerüstet war eher Aktiv gekämpft statt passiv und dichtgedrängt in einer Schildwand gestanden hat, braucht man dann unbedingt schienbeinschoner ??
 
Und mal eine gewagte These die dann lautet "weil Bein & Armschutz anders umgesetzt wurde und somit nicht erforderlich war" @Panzerreiter aus deinen o.a. Beitrag "... Art Schuppenhose trägt... " aus The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England Ausgabe 1999 Blackwell Publishers Ltd Zitat Eintrag zu Arms and Armour "(b) Byrnies" ... a frieze Fragment from Winchester cathedral suggests that they were worn closely gathered around the arm and leg - a protection devised for infrantry warfare. Liest sich so wie die von dir angesprochene Schuppenhose Nur mal so ein spontaner Gedanke :whistling:
 
Ich kann das Bild ja mal einstellen, dann kann sich jeder selbst ein solches machen:
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(Quelle: mit Dank für die Digitalisierung die württembergische Landesbibliothek, eigentlich aber eher der Stuttgarter Psalter selbst, Rechteinhaber unbekannt und ohnehin nicht mehr am Leben.) Die Übergänge sind leider sehr unprofessionell gemalt (verdeckte Linien sichtbar und so), so dass interessante Details nicht allzu gut erkennbar sind. Geht die Hose nun unter Wadenwickeln, Strümpfen, Stulpen und den typischen karolingischen hohen Stiefeln weiter oder ist es nur eine Kniehose? Ich tippe auf die Kniehose.
 
richtige Beinschienen tauchten erst im 13ten allmählich auf
Jain, zumindest nicht im Bezug auf Gesamteuropa. Bezüglich Splintenarm- und beinzeug gibt es mehrer Funde vor dem 13. Jahrhundert: Nymphaeum (Ukraine, 5. Jahrhundert), Kölked-Feketekapu (Awarisch, 6. bis 7. Jahrhundert), Kozji Skaly / Beshtau (Nordkaukasisch, 8. bis 12. Jahrhundert). Zudem deuten mehrere awarische und byzantinische Abbildungen auf eine Nutzung von Splintenzeug hin.
Trotzdem sind Hand- und Armschutz genausowenig (fund)belegt wie der Beinschutz.
Geschlossene Armschienen (die den späteren "Röhren" ziemlich ähnlich sehen), datiert zwischen 7. und 10. Jahrhundert wurden in Sogd (Khazarisch, Schwarzmeerregion) gefunden. Ich meine sogar, in diesem Zusammenhang mal was von "einteiligen" Beinschienen mitbekommen zu haben, aber da ich die Quelle im Moment nicht finde, nagelt mich da bitte nicht fest. Bei den Sassaniden (zugegebenermaßen nicht Europa, sondern Vorderasien - aber Frühmittelalter / Spätantike) gab es Plattenhandschuhe (Fund in Amlash, 6. bis 7. Jahrhundert).
 
Wie sähe`s denn mit ner dicken Fellwicklung aus? In mehreren Lagen müsste das doch auch ganz gut schützen (hab da aber keine Erfahrungswerte)? Und sowas wär ja längst vermodert.
Schläge des Gegners die auf die unteren Extremitäten Zielen sind eigentlich leicht zu blocken wenn man gelernt hat den Schild aktiv einzusetzen und nicht nur wie eine Schrankwand vor sich herzutragen.
Results may vary. Ich führ mit dem Schild (durch aggressives Nachvornestoßen, um eine Reaktion zu provozieren und Angriffe im Ansatz zu blockieren, eher eigentlich wie mit nem Buckler). Problem ist, dass das Ding nicht durchsichtig ist, man weiß also selbst nicht, von wo was kommt. Dann triffts halt oft das vordere Bein (in meinem Falle also links). Klar, theoretisch kann man sich bzw. sein Bein immer genau rechtzeitig zurückziehen. Klappt halt nicht immer, wenn man treffen will. Hand und Arm ist eher nicht das Problem, die stoßen ja nur kurz hinter dem Schild hervor, und sind dann auch sich schnell bewegende Ziele. Und ja, zumindest die Hand zu panzern, ist doch um einiges komplexer. Und wie gesagt, die Griechen etwa haben trotz Phalanx ihre Schienbeine gut gepanzert. Ich dachte ja ursprünglich, das Zeug würde mords was wiegen, dann wärs ja verständlich, wenn zumindest ein bewegliches Überfallkommando zu Fuß die weglässt. Tatsächlich reichen relativ dünne, leichte Stahlstreifen. Die merkt man gar nicht.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ein großer Unterschied von heute zu damals ist der Umstand, dass wir heute ja nicht wirklich verletzen wollen. Von daher sind unsere Hiebe um Längen schwächer und sanfter als sie damals gewesen wären. Das verleitet (heute) sehr zu elegantem, flinken Fechten, Stochern oder sonstigen Techniken, die zwar in einem "Treffer" in Form einer Berührung münden, aber selbst bei moderatem Schutz keinen wirklichen relevanten Schaden verursachen. Und nein, es ist im Kampfgeschehen selbst für mich vollkommen uninteressant, ob der Getroffene vielleicht nach zwei Wochen am Wundbrand stirbt. Ich will, dass er jetzt aufhört, gegen mich zu kämpfen. Ich will keinen Schnitt an seinem Bein, das Teil soll ab.
Ohne das jetzt zu sehr ins offtopic zu führen: Wir prügeln uns mit gepolsterten, ziemlich kopflastigen Stöcken. Und da man ja schnell sein muss, beschleunigt man die maximal. Das kracht dann sehr ordentlich. Mit ner scharfen Klinge wäre da sicher das Bein halb oder ganz ab. Und, eben, beim Kühlen der verbeulten Beine haben wir uns ja gerade gefragt, ob wir da irgendwas übersehen. :) Dein genanntes Problem seh ich eher, wenn man sich aus "Realismusgründen" mit Stahl kloppt. Logisch, wenn man kein Psychopath ist, geht man damit sanfter um. :D
 
Ich dachte ja ursprünglich, das Zeug würde mords was wiegen, dann wärs ja verständlich, wenn zumindest ein bewegliches Überfallkommando zu Fuß die weglässt. Tatsächlich reichen relativ dünne, leichte Stahlstreifen. Die merkt man gar nicht.
Ja. Wenn man Waffen, Schild, Helm und Rüstung an sich herumschleppt, dann kommt's auf die Dinger definitiv nicht mehr an. Dieses Argument halte ich auch für nicht sehr stark.
Wir prügeln uns mit gepolsterten, ziemlich kopflastigen Stöcken.
Halte ich hin und wieder genauso. Aber die führen sich trotzdem irgendwie "anders". Aber meine Gedanken waren auch gar nicht auf Euch speziell gerichtet, eher allgemein. So lange ich Euch nicht selber kämpfen habe sehen, kann ich da ja schlecht was dazu sagen. @Thorkell Ivarsson Ja, wenn man weiter weg geht, findet man schon was. Ich bezog mich jetzt speziell auf Nord- und Mitteleuropa. Von daher würde mich, falls Du mal wieder drüberstolperst, das awarische Zeug näher interessieren. Immerhin waren die eine gewisse Zeit lang quasi meine Nachbarn. Die Byzantiner stehen ja in direkter (ost)römischer Tradition, bei denen ist es nicht weiter verwunderlich. Und bei denen ist die Quellenlage definitiv besser als bei uns Franken oder Euch Wikis. Schön, wenn man sich zwischendurch ein wenig an die halten kann :whistling:
 
Ganz allgemein: für die überwiegende Anzahl an Kriegern dürften Schild und ein paar Lagen Wollkleidung der einzige Schutz gewesen sein.
Dann triffts halt oft das vordere Bein (in meinem Falle also links).
Das Bein, welches auf der Schildseite ist, nach hinten zu stellen, schränkt zwar in der Offensive etwas ein, verhindert aber dass man häufig am Schienbein getroffen wird.
Ein Wikinger etwa, der lange Jahre in byzantinischen Diensten stand (Harald Hardrada) und dort mit nachweislich üblichen Gliederschutz ausgestattet war
Was war der nachweislich übliche Gliedschutz und woher wissen wir, dass er an Söldner ausgegeben wurde?
Only specialised troops wore limb defenses in this period. Apart from the klibanophorii already mentioned, Kolias gives an example of how transport ships were equipped for the invasion of Crete in 949 - although there was body and head armour for up to 140 men per vessel, only 8 pairs of cheiropsella were included, plausibly just for the helmsmen and fire-siphon operators. Unless recreating special units it seems limb protection (whether splint armour or otherwise) is not appropriate for accurate representation of the typical Byzantine soldier.
http://members.ozemail.com.au/~chrisandpeter/limb_defences/limb_defences.htm#splints?
Notker’s claim that greaves were made of iron is supported both by their relatively high price in the law code, 6 solidi, presumably for a pair, and by their inclusion among Eberhard’s bequests. No capitulary included them in the lists of equipment which troops were expected to own, and they were almost certainly luxury items which few possessed.
http://deremilitari.org/2014/02/carolingian-arms-and-armor-in-the-ninth-century/ Der Fund von Arm- und Beinschienen in Valsgärde 8 (7.jh), einem außergwöhnlich reichen Grab, unterstützt die Einschätzung, dass man sich den Luxus, nicht-lebenswichtige Körperteile zu schützen, erstmal leisten können musste. Und auch noch ganz interessant zu lesen: https://www.sippe-guntursson.de/reenactorismen-die-waraegerschiene.html
 
(...) In Wisby wurden viele Schien- und Wadenbeine gefunden welche auffallend viele Schnittspuren aufwiesen, was nahe legt das auch und vorallem auf die (grösstenteils ungeschützten) Beine gezielt wurde. Man muss aber bedenken dass man, in dem Moment wo man die Beine seines Gegenüber angreift, seinen eigenen Kopf entblösst, und das ist, wie du schon schriebst, keine gute Idee. Deshalb mache ich das, insofern ich keine längere Waffe als mein Gegner habe, auch nicht gerne.
Hi! Völlig richtig, in Wisby trafen ein Bauernheer und eine professionelle Söldnerarmee aufeinander. Die Folgen für die Gotländer.sind gut dokumentiert. Ich habe in der Doku gelesen, dass wohl mit Stangenwaffen angegriffen wurde, aus zweiter Reihe, die erste Reihe zielte auf die Beine unter den Schilden. Dazu noch Armbrustschützen, die auf die Köpfe der Gotländer zielten. An fand viele verletzte oder durchtrennte Beinknochen und viele schwere Gesichtsverletzungen durch Bolzen und/oder Stangenwaffen. Im reinen Zweikampf gebe ich Dir völlig recht, in einer solchen Schlacht denke ich verhält es sich wohl anders. Gruß Chris
 
Moin, eines vorneweg: Krieger Seefahrer und Händler, von Schulze, Nurman und Verhülsdonk, ist locker(!) 15 Jahre alt und auf dem damaligen Stand! Was mich jedoch erstaunt, warum die Arm und Beinschienen aus den Vendel Gräbern (Grab VIII) noch keine Erwähnung finden? Hier finden sich ein Satz Arm und Bein Schienen aus Splinten. In Nymphaeu auf der Krim/Ukraine wurde in Grab 6 ebenfalls eine Beinschienenkonstruktion aus Schienen gefunden, eventuell ist das die Quelle für die Warägerschienen?
 
Der Fund von Arm- und Beinschienen in Valsgärde 8 (7.jh), einem außergwöhnlich reichen Grab, unterstützt die Einschätzung, dass man sich den Luxus, nicht-lebenswichtige Körperteile zu schützen, erstmal leisten können musste.
Von Stahlmenge und Arbeitsaufwand her dürfte ein Kettenhemd durchaus den Wert von 50 Beinschienenpaaren haben. ICH wüsste, womit ich meine Leute lieber ausstatten würde.
 
Der Fund von Arm- und Beinschienen in Valsgärde 8 (7.jh), einem außergwöhnlich reichen Grab, unterstützt die Einschätzung, dass man sich den Luxus, nicht-lebenswichtige Körperteile zu schützen, erstmal leisten können musste.
Von Stahlmenge und Arbeitsaufwand her dürfte ein Kettenhemd durchaus den Wert von 50 Beinschienenpaaren haben. ICH wüsste, womit ich meine Leute lieber ausstatten würde.
1. Hättest Du Dir die Mühe gemacht, meinen Beitrag inkl. weiterführende Links zu lesen, wüsstest Du nun, das Beinschienen bei den Karolingern die Hälfte von einem Ringpanzer kosteten. 2. Die Leute hatten sich (größtenteils) selbst auszustatten. 3. Man schützt zuerst die Stellen, wo auch ein leichter,verirrter Treffer gleich mal zum Tod führt. Also Kopf vor Rumpf, Rumpf vor Extremitäten. Rüstung war allgemein schon Luxus im Frühmittelalter - Rüstung für nicht-lebenswichtige Körperteile noch viel mehr.
 
Was den Kostenfaktor angeht, denke ich grad an das englische Schienbeintreten - die Wettkämpfer polstern sich, indem sie Stroh in die Hosenbeine stopfen. Wenn ich nun überlege, dass Holzstreben darüber sicherlich die Schlagwucht auf eine größere Fläche verteilen, hat man einen recht effektiven Schutz, der zumindest eine Weile hält und auch der Ärmste die Möglichkeit hat sowas zu improvisieren. Das große Problem wird aber sein, dass niemand weiß, wie tatsächlich gekämpft wurde und heute nur das experimentieren und eventuellem Ableiten späterer überlieferten Techniken, die selbst auch nur Interpretationen alter Quellen sind übrig bleibt. Eigentlich könnte man sagen, dass wenn eine Kampfweise mit zeitgemäßer Bewaffnung nicht funktioniert wahrscheinlich ein Anwendungsfelder vorliegt... ;)
 

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