Sorry, aber hier steht ziemlich viel Mist im Thread. Ich muss es leider so plump sagen, aber hier werden teilweise auf etwas... naive Weise völlig haltlose Spuren verfolgt. Das Altarbild des heiligen Sebastians ist altbekannt und zur Analyse der Schusstechnik, die bei solchen Bögen angewandt wurde, überaus... leidlich. Wie bereits erwähnt wurde, die Malerei zu dieser Zeit war bereits weit fortgeschritten, und die Maler waren ich der Lage, alltägliche Gegenstände sehr präzise und detailliert darzustellen. Aber das gilt nicht für die Schießtechnik eines Bogenschützen, vor allem, da wir hier von einem Altarbild reden, dass von einem Autor aus sozialen Kreisen stammt, in denen mit sehr, sehr hoher Wahrscheinlichkeit so gut wie nichts über die korrekte Schießtechnik mit schweren Kriegsbögen bekannt war. Der englische Kriegslangbogen, bzw. der Warbow (denn solche Bögen werden hier eindeutig abgebildet) ist auf zahlreichen Abbildungen aus sowohl dem 14., 15. und 16. Jahrhundert zu sehen, und diese hier ist nur eine von vielen. Auf fast allen diesen Abbildungen werden Ausrüstungsteile sehr akurat der entsprechenden Zeit angemessen dargestellt (wobei die Maler sich meist auf die Zeit beziehen, in der sie leben, nicht auf die, aus der das Motiv stammt, aber das sind oft nur ein paar Jahrzehnte Unterschied, von daher macht sich das meist nur in Rüstungsstilen bemerkbar). Allerdings werden auch Schusstechniken gezeigt, die oft irgendwelche nach unserem Verständnis unrealistisch aussehenden Abarten und Haltungsverdreher hinsichtlich des Schießens des Bogens zeigen (Pfeile auf der falschen Seite, völlig verkrümmte Arme zu kurzer/zu langer Auszug, usw., usw.). Die Tatsache, dass diese Dinge auch von Bild zu Bild (teils aus denselben Zeiträumen) variieren und nicht selten sogar innerhalb des Bildes selbst verschieden äußern, weist nur umso mehr darauf hin, was ich zu vermitteln versuche: Die Leute, die solche Bilder malten, hatten oft nur sehr wenig Ahnung vom Bogenschießen und begingen entsprechende Fehler. Das ist übrigens nicht nur in Bezug aufs Bogenschießen so, Kampfhandlungen wirken generell häufig gekünstel und unrealistisch dargstellt, schlichtweg weil die Männer, die das malen, selbst nie ein Schlachtfeld gesehen hatten. Die 'richtige' Technik, solche schweren Kriegsbögen zu schießen, ist vollständig bzw. sehr ausführlich und detailliert überliefert, und zwar in den Schriften Roger Aschams, der selbst Bogenschütze war und sich damals sehr intensiv mit dieser Kriegskunst beschäftigt hat. Man schießt diese starken Langbögen bzw. Kriegsbögen ganz ähnlich wie wir heute im mediterranen Stil, nur mit einem Auszug bis ans Ohr und unter vollem Körpereinsatz, d.h. die Oberkörperhaltung ist etwas anders und es wird mehr von dem Zuggewicht mit der Rückenmuskulatur bewältigt. Ich könnte zu dem Thema jetzt ganze Bände füllen, da ich bekanntermaßen selbst so und auch mit entsprechenden Bögen schieße, aber das wäre evtl. etwas zu viel des Guten. Aber nehmt euch meinen gut gemeinten Ratschlag zu Herzen: Die Schusshaltung der Schützen auf diesem Bild ist völlig stilisiert und in keinster Weise wirklich repräsentativ für die damaligen Zeiten. So kann mit englischen Kriegsbögen nicht wirklich vernünftig schießen, und es ist schlichtweg Zeitverschwendung, da so viel Herzblut reinzustecken. Was die Mary-Rose-Bögen angeht, die sind ja auch ca. zu Aschams Lebzeiten mit dem Schiff untergegangen, und ihre Beschaffenheit entspricht sowohl dem, was Ascham über sie schreibt, als auch den bildlichen Darstellungen solcher Bögen aus der Zeit. Es kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Bögen des 15. und 14. Jahrhunderts sich wenn überhaupt nur unwesentlich davon unterschieden. Auch habe ich mich etwas gewundert, dass hier tatsächlich spekuliert wird, die Bögen auf dem Sebastiansaltar-Bild könnten Laminate sein. Erstens mal gibt es keine überlieferten Hinweise aus dieser Zeit, dass damals überhaupt laminierte Bögen in Gebrauch waren, zweitens ist das so eindeutig Eibe wie das Amen in der Kirche. Den starken Kontrast zwischen Kern- und Splintholz kennen viele Bogenschützen von heute vielleicht nicht von Bögen aus deutscher Wald- und Wieseneibe, aber damals wurde wirklich hochwertiges Holz in Massen für solche Bögen abgeholzt (was auch einer der Gründe dafür ist, dass wir heute kaum noch welches finden), und ich habe selbst schon zahlreiche Eibenbögen und auch Bilder von solchen gesehen, bei denen der Farbkontrast nicht minder stark ist. Das variiert enorm mit der Holzqualität und dem Herkunftsort bzw. den Wachstumsbedingungen der Eibe.