Das eine schließt das andere nicht aus. Auch Quellen, seien es Funde, schriftliche Zeugnisse oder Bildquellen, bilden eben immer nur eine Situation ab, einen punktuellen Zustand, man könnte auch sagen: eine Anekdote. Nun ist der Plural von "Anekdote" aber noch lange nicht "Daten" oder "Allgemeinzustand" (Ein Umstand, den man unseren Gesetzgebern wie auch der Presse mal einbleuen sollte, das aber nur nebenbei). Eine Quelle ist also, in der Terminologie und Systematik der klassischen Argumentation ein Beispiel. Die Beweiskraft eines Beispiels ist arg begrenzt. Ein Beispiel kann niemals einen allgemeinen Schluss bzw die Richtigkeit einer (dogmatischen) Theorie beweisen ("Ich kenne jemanden, der kettenrauchend 107 Jahre alt wurde, was beweist, dass Rauchen gesund ist und ein langes Leben garantiert..."), es kann aber sehr wohl die Unrichtigkeit einer dogmatischen Theorie beweisen (These: "Wer raucht, der stirbt auf jeden Fall jung." Gegenbeweis: "Stimmt nicht, ich kenne jemanden, der kettenrauchend 107 Jahre alt wurde.") So ist es auch in unserem Metier. Eine Quelle, die etwa eine Mikrowelle um 1430 in Nürnberg belegt, beweist, dass es um 1430 in Nürnberg (zumindest) eine Mikrowelle gab. Sie beweist noch lange nicht, dass es damals
deutschlandweit Mikrowellen gab und sie beweist auch nicht, dass es diese in Nürnberg schon 100 Jahre vorher gab. Sie beweist aber sehr wohl, dass die These "Mikrowellen waren um 1430 grundsätzlich unbekannt" nicht stimmt. Das ist ja die Crux an der Situation von Historikern oder Hobbyisten. Wir haben nahezu keine allgemein beweiskräftigen Quellen für die Geschichte, wir haben eigentlich nur einen Haufen Anekdoten. Wir stehen vor der Situation, aus einem Haufen einzelner Wassertropfen ein Meer rekonstruieren zu müssen. Das ist nicht möglich und für den Fall, dass man es trotzdem tut, mit sehr vielen Unsicherheiten behaftet. Was Dein xy-in-Hintertupfingen-Beispiel betrifft: Das Nichtvorhandensein einer entsprechenden Quelle beweist eben NICHT, dass es xy in Hintertupfingen nicht gab. Es beweist nur, dass die Existenz von xy in Hintertupfingen nicht bewiesen ist. Klingt flach, ist aber so. Wer aus der Abwesenheit von Quellen einen Beweis für die Nichtexistenz von etwas herausliest, beweist damit nur, dass er keine rechte Ahnung vom richtigen Umgang mit Quellen hat.