Der Rugger (Hauswehr/Bauernwehr) ist fertig, bzw beinahe, da ich noch meine Signatur aufbringen muss. Mein Ätzapparat ist gerade nicht verwendbar. Diese Art of Klinge ist typisch für deutsche Gebiete im 15. Jh. und wurde von Soldaten wie auch der Zivilbevölkerung gerne getragen. Ähnlich dem frühmittelalterlichen Sax und auch dem späteren Bowie besitzt die Hauswehr sowohl Waffen- als auch Werkzeugeigenschaften. Welchem Spektrum sie eher zuzuordnen ist, kann von Stück zu Stück unterschiedlich sein. Meine Version ist mit der Rückschneide und der schlanken Spitze mehr Waffe als Werkzeug, erfüllt aber trotzdem problemlos Aufgaben der Holzbearbeitung o.ä.
Daten: Stahl: 80CrV2, vergütet auf 58-60 HRC Gesamtlänge: 37cm (14.5“) Klingenlänge: 25.5cm (10“) Klingenbreite: 3.3cm (1.3“) Schwerpunkt: 2cm (0.8“) Gewicht: 380g (0.8lbs)
Die Klinge weist über den Großteil der Länge volle 5.5mm Stärke auf. Erst mit Beginn der Rückschneide verjüngt sie sich zu einer schlanken, doch noch sehr robusten Spitze. Die Schneide ist convex geformt und geht nahtlos in die Klingenflächen über. Der Anschliff ist bis zum Rücken hochgezogen, um trotz der erheblichen Dicke eine schneidfreudig Klinge zu gewährleisten. Die kurze Rückschneide weist naturgemäß einen steileren Winkel auf, ist aber ebenso rasiermesserscharf ausgeschliffen und absolut in der Lage, Schaden anzurichten. Besonders bieten sich dafür Techniken an, die mit der Rückschneide in einer kleinen peitschenden Bewegung aus dem Handgelenk heraus auf die Führhand des Gegners zielen. Auch im Stich ermöglicht die beidseitige Schärfe und die für einen Rugger typische schlanke Spitze ein erheblich leichteres Eindringen. Durch ihr geringe Länge und stabilen Querschnitt ist die Klinge absolut steif und es geht im Stich keine Energie durch Klingenbiegung verloren. Ich könnte mir gut vorstellen, dass ein solide ausgeführter Stoß dünnen Gambeson oder vielleicht auch leichte Kette durchstoßen kann. In die Lücken zwischen Platten passt die Klinge jedenfalls ganz ausgezeichnet.
Eine solche Klinge ohne Hohlkehle oder komplexe Linienführung erscheint leicht etwas langweilig. Um dem Stück deshalb noch das „Gewisse Etwas“ zu geben, habe ich die Zwingen und den Nagel aus mehr als 150 Jahre altem Puddelstahl gefertigt. Das Material ist etwas zickig zu bearbeiten, da es nur sehr heiß geschmiedet werden kann, ohne zu zerbröseln, lässt sich aber gut feilen und zeigt, wenn geäzt, eine schöne Maserstruktur. Ich bin etwas enttäuscht, wie wenig man dies auf den Bildern erkennen kann, da muss einfach eine besser Kamera her. Ich versuche, eine aufzutreiben... Wie bei den Originalen geht der Nagel durch Zwingen und die Angel und ist auf der einen Seite vernietet. Die Griffschalen sind aus Birnenholz gefertigt und mit Messingrohr verstiftet, was an einigen Originalen ebenfalls zu sehen ist. Der Kontrast zwischen der polierten Stahlklinge, dem „rustikalen“ Puddeleisen und dem Holz mit den hellen Messingelementen gibt dem Stück seinen Charm.
Der Rugger fühlt sich sehr angenehm in der Hand an. Er hat eine positive Klingenpräsenz, ohne jedoch wie eine reine Hiebwaffe daherzukommen und vermittelt ein Gefühl absoluter Verlässlichkeit. Sowohl die Spitze wie auch die Schneide lässt sich problemlos einsetzen, für fechterische wie auch für alle anderen Belange. Wie üblich folgt nachher noch ein Einsatz-Video
Von all den Stücken, die ich bisher gefertigt habe, ist dieser Rugger definitiv eines meiner Favoriten. Rundherum ein sehr befriedigendes Stück Stahl
Da der Rugger eine passende Scheide verdient, sende ich ihn bald an
www.3wunder.at. Ich bin kein Fan von Lederarbeit und mir fehlen auch einige Utensilien, die für eine historisch korrekte zweilagige Lederscheide nötig sind. Ich werde Bilder von dem fertigen Gesamtkunstwerk posten, sobald es soweit ist. Viele Grüße, Lukas