Das mit den Schuppenhosen ist so eine Sache. Ja, es ist problemlos möglich, Röhren, die sich nicht groß dehnen oder stauchen, mit Schuppen zu besetzen. Wobei das mit dem Stauchen durchaus möglich ist, weil sich die Schuppen schön übereinanderschieben können, solange die Stauchung gleichmäßig passiert (komplette Verkürzung der Röhre) oder nur eine moderate Biegung der Röhre stattfindet. Der Grund ist schlicht, dass sich die einzelnen Schuppen nun mal nicht in ihrer Form verändern können. Sobald eine Biegung so stark ausfällt, dass sich dazu die Geometrie einzelner Schuppen verändern müsste, geht das nicht mehr. Man kann also ohne große Schwierigkeiten einen Oberschenkel- oder Unterschenkelschutz als Schuppenpanzer realisieren. Um das ganze Bein herum, auch hinten, solange das An- und Ausziehen möglich ist. Über Gelenke hinweg indes, wo eine starke Beugung/Biegung stattfindet, ist eine Schuppenlösung wie oben beschrieben nicht oder nur sehr schwer möglich.Dabei ist die Außenseite der Biegung zwar u.U. noch leidlich möglich (Beisp. Schulter"platte"), die Innenseite ist aber vollkommen raus (Beisp. Achsehöhle). Im Prinzip dasselbe Problem wie bei Blechplatten späterer Vollplattenrüstungen. Für solche Lücken muss man dann auf flexiblere Lösungen zurückgreifen (Kettengeflecht). So weit, so nachvollziehbar. Jetzt kommt aber der große Gag: Zeitgenössische Propagandabilder, heute meist ohne große Quellenkritik als "Bildquellen" hergenommen, zeigen durchaus solch technisch vollkommen unmögliche Rüstungen. Bestes Beispiel die Trajansäule, in der selbst die Pferdebeine bis zum Huf hinunter vollkommen in Schuppen gehüllt sind und die feindlichen dakischen Eisenmänner mehr oder weniger Ganzkörperoveralls aus Schuppen tragen.
(Quelle: Wikimedia, gemeinfrei) Nicht nur Papier ist geduldig, auch Marmor. Die hier abgebildeten Rüstungen sind im Detail technisch bzw ergonomisch vollkommen unmöglich. Auch hier geht die Schuppenhose übergangslos über das Knie, auch hinten, in der Beuge. Sie folgt jeder noch so kleinen Struktur des Pferdes, ohne Lücken aufzuweisen. Völliger Blödsinn, das. Auch nicht mit dem klassischen "die hatten's halt drauf, im Gegensatz zu mir" zu erklären. Der Zweck dieser Darstellung ist eine rein propagandistische, es sollen die dakischen Eisenmänner übertrieben werden, die von den heldenhaften Römern trotzdem glorreich bezwungen wurden. Präzise rüstungstechnische Details zu dokumentieren war nicht Sinn der Sache. Ähnlich dürfte es bei vielen Darstellungen im Stuttgarter Psalter und anderen karolingischen Miniaturen sein. Die geben sicherlich allzu oft auch nicht das historisch-technische Detail korrekt wieder. Man muss dazu noch anmerken, dass viele karolingische Psalter gar nicht indigen karolingisch sind. Während der karolingischen Renaissance, als man versuchte, innerhalb kurzer Zeit eine Kultur aus dem Boden zu stampfen, die dem Erbe des (west)römischen Reiches würdig wäre, orientierte man sich sehr stark an byzantinischen Vorlagen, was zum Teil so weit ging, dass regelrecht abgemalt wurde. Man kann also annehmen, dass die karolingischen Psaltermaler häufig noch nicht einmal eine gesteigerte technische Ahnung von dem hatten, was sie da kopierten. Fazit: Nur weil etwas in karolingischen Psaltern so oder so aussieht, muss es noch lange nicht auch so gewesen sein.