Pferd - Mittealter - Heute

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Hi Ulrich, dann möchte ich dir doch ein bisschen ehrenrettend beispringen 8)
Trab ist die unruhigste Gangweise überhaupt.
Diese Aussage stimmt und stimmt nicht. Wie ruhig eine Gangart ist hängt von mehreren Faktoren ab: 1. vom jeweiligen Pferd selbst (das eine Pferd hat ruhigere Gänge als das andere, manche gehen in der einen Gangart sehr bequem und in der nächsten wieder ganz unangenehm) 2. vom Reiter und seinem Sitz (jede Gangart will richtig gesessen werden können) 3. und auch ganz wichtig: vom Sattel!!!!!!!!!! (in einem "mittelalterlichen" Sattel, nach der Bauart eines iberischen Sattels - Vaquero, Portuguesa -, sitzt sich auch ein Trab sehr komfortabel, wenn man dazu nicht verzweifelt versucht die englische Reitweise anzuwenden) Die Zelter waren ein beliebtes "Reisepferd" da sie natürliche Passgänger sind ("Tölt", Zeltgang) - aber auch im Trab lässt sich "bequem" reiten - die passende Ausrüstung und Reitweise vorausgesetzt. Die englische Reitweise, die den Trab etwas unbequemer werden lässt, passt nicht zum mittelalterlichen Reiten. Der mittelalterlichen Reitweise entspricht eher die Doma Vaquera, die auch einen reiterlichen Umgang mit der Lanze beinhaltet oder die sogenannte "akademische Reitweise" (barockes Reiten ) - ich denke hier kann man sehen, dass der Trab dabei nicht "rumpelt". Trab und "Rennpass" dürften die gängisten Gangarten beim Reiterangriff gewesen sein, sie ermöglichen es die Formation einigermaßen einzuhalten (auch bei helmbedingt eingeschränkter Sicht) und ließen das Pferd nicht 2 Meter vor dem Feind erschöpft zusammenbrechen. :bye01
 
Also ich denke man muss sich definitiv von unserer heutigen Sichtweise der "Rassezucht" entfernen, da dies ein Produkt der sagen wir mal so letzten 200 Jahre ist. Somit muss man auch sagen das die sogenannten "Alten" Rassen heute in der Regel nur noch sehr wenig mit ihren Vorfahren gemein haben, sich also in den letzten Jahren stark verändert haben durch die züchterische Selektion. Kann man z.B. sehr gut am Friesen sehen, schaut Euch da einfach mal Bilder von Friesen an die so vor 40-50 Jahren gemacht wurden. Weil weiter oben die Idee auftauchte, Pferde mit Ahlstrich und Mausgrauerfarbe, also Graufalben (gibt es auch als Braun- und Fuchsfalben) wären ein Indiz für ursprüngliche Pferde. Das muss nicht sein, klar ist gehört das zur Aguti-Gen Sequenz kommt aber auch bei hochgezüchteten Rassen vor, wie Quarter Horses, Achal-Tekkiner, Lusitanos. Man denkt ja auch beim Dülmener Wildpferd an ein "Wildpferd", aber gemeint ist da ursprünglich ein "Wildes"-Pferd, also ein Pferd das in einer Wildbahn gezüchtet wird. Eine Pferdezuchtmethode die bis in das Mittelalter zurück reicht. Zum Thema der Wildbahnen in der Geschichte kann man gerne hier viel nachlesen: "So frei so stark. Westfalens wilde Pferde" (ISBN-10: 3898610829) Zum Aspekt Körperbau und Gangarten sollte man auch differenzieren für welchen Gebrauch die Pferde gedacht waren, Kriegspferde oder Pferde für die Jagd bzw. Transport des Reiters. Man hat ja schon im Mittelalter hier differenziert und auch sogenannte Zelter gezüchtet, mehrgängige Pferde mit Tölt, welche angenehm zu reiten waren. Da wäre noch wichtig, der Tölt war wohl im Mittelalter viel weiter verbreitet als heute in der Sportpferde geprägten Zucht, in welche er weitflächig absolut unerwünscht ist. Mal genau hingeschaut findet man immer mal wieder Pferde, gerade bei historisch lange gezüchteten Rassen, wo immer wieder mal Tölter auftreten. Dülmener, Andalusier, Berber etc., da findet man häufiger Pferde mit Gangverschiebungen. Generell kann man wohl sagen das heute moderne Modell eines hochwüchsigen (weit über 160cm hinaus gehende), feingliedrige bzw. langrückige Pferd mit weiten flachen Gängen war nicht das mittelalterliche Zuchtziel. In der Hauptsache dürfte ein klein bis mittelrahmiges Pferd, mit eher quatratischem Grundriss sein. Auf vielen Bildern sieht man eher Pferde mit kurzen kadenzierten Bewegungsabläufen, wie man es heute noch bei den klassisch Barocken Rassen findet. Auch deren noch heute oft vorkommenden Ramsköpfigen Profile scheinen früher viel weiter verbreitet gewesen zu sein und wurden erst in moderner Zeit wohl recht unbeliebt. Ausnahme wohl hier die orientalischen Pferde im Wüstenarabertyp, auch wenn diese nicht immer so extreme Pofile hatten wie man sie heute auf Araberzuchtschauen sieht. Auch muss man schauen wo die Pferde angesiedelt waren, da die Umwelt natürlich auch sehr das Aussehen prägt. Ein Pferde aus eher alpinen Gegenden ist eher kurz und steil gefesselt im Gegensatz zu den langfesseligen Orientalen. So, ich könnte jetzt noch stundenlang weiter schreiben über Pferdezucht, aber meine Hunde wollen endlich mal raus.
 
In Punkto Pferdezubehör könnte ich noch dieses Buch empfehlen, behandelt aber hauptsächlich SpäMi und Barockeausrüstung: "Mittelalterliches und frühneuzeitliches Reit- und Fahrzubehör" von Axel Gelbhaar (ISBN: 3 487 08380 9) geht aber sehr schön auf die Entwicklung von z.B. der Hebelstangentrensen etc ein, ist sehr spannend.
 
Ich mag Kaltblüter sehr gerne und weiß, daß bei Shire Horses immer wieder betont wird, sie gingen zurück auf Englands mittelalterliche Ritterpferde. Das halte ich durchaus für möglich. Die enorme Größe dieser Tiere wurde sicherlich erst viel später hineingezüchtet, ebenso die üppigen Behänge. Schaut man sich die Rasse davon unabhängig an, bleiben kräftige Pferde, temperamentvoll aber nervenstark, die vielseitig verwendbar sind. Entgegen landläufiger Meinung, es handle sich dabei um reine Zug- & Arbeitspferde, lassen sie sich gut reiten - auch Western & Dressur.
 
Naja, wie Du schon sagst. Das Shire geht auf das große schwarze Pferd des Mittelalters zurück, aber nicht in der Form wie wir es heute kennen. Größe, Masse etc. sind eine moderne züchterisch veränderte Erscheinungsform auf Grund veränderter Gebrauchsform des Pferdes. Wir können eher annehmen das diese Pferde im MA eher im Typ eines Merens etc. war, also völlig anders. Was natürlich der reiterlichen Verwendung nicht völlig entgegen stehen sollte, es ist ein rahmiges Pferd mit guten Bewegungen. Es wurde ja auch häufig zum traideln (schreibt man das so?) und vor Kutschen wo auch ein Pferd mit einer guten akzentuierten Trabaktion gewünscht war und nicht rein für die Arbeit am schweren Pflug auf dem Acker.
 
Wow! Hätte nicht gedacht das dies so ein Diskussionsbedarf ist :) Danke leute. Also sollte man davon ausgehen das die Pferde im Durchschnitt 145 cm aufwiesen und "Kurzrückig" waren. Das Fell etwas länger, Mähne und schweif wie war es dort o0? Wozu ich auch noch nichts fand wäre der Sattel. Der "Kampfsattel" hatte ja vorne und hinten die hohen "Wandungen?" aber wie ist es bei dem "normalen" Sattel gewesen? Ich fuchs mich die tage auf jeden fall in eure geposteten Infos so schnell kann man ja garnet lesen wie das hier angeschossen kommt :D
 
Wozu ich auch noch nichts fand wäre der Sattel. Der "Kampfsattel" hatte ja vorne und hinten die hohen "Wandungen?" aber wie ist es bei dem "normalen" Sattel gewesen?
Also was man an zwei Varianten im Hochmittelalter definitiv hatte ist einmal der von dir gemeinte ritterliche Krippen- bzw. Lehnstuhlsattel mit seinem sehr hoch gezogenen Vorder- und Hinterzwiseln. Sowie für Frauen der Seitensitz-Sattel, aus dem sich später einmal der mit einem Hörnchen versehenen Damensattel entwickelt. Ich zitier hier mal aus dem von mir ja schon erwähnten Buch von A. Gelbhaar: "... erst auf der Tapisserie von Bayeux (Schlacht von Hastings 1066) tritt der voll ausgebildete, ritterliche Krippen- oder Lehnstuhlsattel mit hohen Zwieseln in die Öffentlichkeit. Die Zwiesel dieser normannischen Kriegssättel sind volutenartig nach vorne bzw. hinten eingerollt. Die Sättel werden durch einen einfachen Brustriemen gesichert, ein Hintergeschirr fehlt in den meisten Fällen..." "... der Cop-Typ als Kriegspferd ist bis ins 11. Jahrhundert nachweisbar, auf der Tapisserie von Bayeux tritt er nochmals gut erkennbar in Erscheinung. Allerdings wirken die normannischen Streithengste schon massiver und sicherlich auch größer als die antiken und spätantiken Militärpferde, hier zeichnet sich bereits die Entwicklung zum ritterlichen Kaltblut ab, die mit der Fortentwicklung des Reitzubehörs eng verknüpft ist und in den gewaltigen Percheron- und Clydesdale-Panzerrössern des 15 Jhd. endet, die gezogen wurden, um einen voll geharnischten Reiter, die Waffen und den massiven Rossharnisch, insgesamt ein Gewicht von ca. 200 Kg, im kurzen Galopp in den frontalen Stoßangriff mit der eingelegten Lanze zu tragen..."
 
mal was aus dem Frümi Rekonstruktion eines merowingerzeitlichen Sattels von Christoph Rieser, dem Gott der Westernsättel: http://www.ulfhednar.org/frame.htm.ö Unter Ausstattung/Equipment, Handwerk/Sattelbau direkter Seitenlink geht leider nicht
 
C. Rieser hat ja schon einige Sattel Rekonstruktionen gemacht, sehr interessante Sachen die er da macht.
 
http://www.spanish-norman-germanika.de/ Die Seite hab ich irgendwann mal gespeichert, passt gut ins Thema glaub ich ;)
Kopiert von der HP:​
[align=justify]Spanish-Norman ist eine Mischung aus den Genen des Andalusiers (P.R.E) aus Spanien und des Percherons aus Frankreich zum wiederherstellen des Erscheinungstyps des mittelalterlichen Ritterpferdes.​
Der Spanish-Norman, ein vielseitiges Sportpferd, verkörpert die Erbschaft seiner noblen Abstammung: -die elegante Schönheit, Kühnheit und natürliche Versammlung der Andalusier -die Größe, Stärke und die festen Knochen der Percheron -ausgestattet mit einer einzigartigen Kombination " Eine Fusion aus Ruhe und Temperament"​
[/align]
Durch den ehrlichen, arbeitswilligen Charakter und das ausgeglichene Temperament ergeben sich wesentliche Qualitäten für ein erfolgreiches und begehrtes Reitpferd.​
Der majestätische Spanish - Norman ist ca. 160 - 170 cm groß und vorzüglich Schimmel oder Rappe. Braune sind erlaubt.​
Große ausdrucksvolle Augen, einen langen und hoch aufgesetzten Hals, eine schräge Schulter die glatt in einen kurzen Rücken übergeht. Eine starke Hinterhand und ein kräftiges Fundament sind charakteristisch für diese athletische Zucht. Der Spanish - Norman bewegt sich frei aus der Schulter mit elastischen flüssigen Bewegungen sowie Engagement und erhabene Ausdehnung. Ein Spanish - Norman hat das Potential zu vortrefflichen Leistungen in einer Vielzahl von Disziplinen -inklusive Dressur, Springen, Fahren und Show.​
 
Gothic. Ich habe mal hier im Forum bissl gesucht und bin auf das Thema "An diie Reiter" gestoßen, in dem du etwas schriebst wie wir das Thema Pferd betrachten sollten. Ich war mal so frei dies zu kopieren... "...Eigentlich sollte man weg von dem "Rassegedanken" hin zu der Exterieur/Interieur Beurteilung. Sprich sind Form des Pferdes und sein Temperament/ Arbeitswille / Arbeitsvermögen etc. passend zu dem was so ein "mittelalterliches" Pferd mitbringen muss...." Wenn man nach diesem Bild vorgeht, sind gleich ganz andere Blickwinkel möglich. Ich lasse dies mal im raum stehen und bin mal gespannt was von euch dazu kommt..
 
ja genau, das hatte ich da ja schon mal so gepostet. Das ist das was ich damit gemeint habe, das die Pferde heute sehr verändert sind. Ich stehe auch solchen Retro-Kreuzungen wie dem Spanish-Norman oder was da sonst noch aktuell im Umlauf ist ziemlich skeptisch gegenüber. In der Hundezucht gibt es da auch so das eine oder andere seltsame "Zucht"-Projekt.
 
Hi Stella, :wacko: ööhm, wie soll ich's sagen? Nun, ein Link zu Ulfhednar macht mich nicht sehr fröhlich (guck mal bei Wikipedia oder im Tempus vivit Forum). :thumbdown:
 
Wenn ich es noch recht in Erinnerung habe dürfte Rieser seine Repro-Sättel auch auf seiner eigenen HP haben, da kannst dann gucken ohne über die Site von Ulfhednar zu müssen.
 
Hübsche Tiere, die auf der Seite vorgestellten Spanish-Norman, allerdings noch sehr uneinheitlich im Typ. Man sieht teilweise deutlich die jeweilige Ursprungsrasse. Ich finde manche Rückzüchtungsversuche verständlich (gerade auch bei Hunden, dort bin ich wesentlich "sattelfester" als bei Pferden), man erkennt einige Rassen ja kaum wieder, wenn man sich allein die Entwicklung der letzten 100 Jahre anschaut. Ganz schlimm für mich z. B. der Trend aus robusten Haflingern, filigrane Pferdchen zu machen... :keule1
 
Na dann ist Dir ja auch klar das es in der Hundezucht "solche" und "solche" Versuche der Rückzüchten - in wieweit soetwas überhaupt möglich ist, gibt. Bei Pferden sehe ich da genau die gleichen Auswüchse mittlerweile, teilweise zwar nicht so überzogen wie bei Hunden, da hier der Nutzwert in der Regel noch höher ist als bei vielen Hunden.
 
@Trenck es stehen hier ja nicht die Strömungen innerhalb dieser Gruppe, oder Diskussionen um germanische Symboliken und Neuheidentum zur Debatte, sondern lediglich die Reko dieses frühmittelalterlichen Sattels von Rieser, die handwerklich hervorragend und fundiert gemacht wurde. Ich schätze gute Handwerksarbeit. @Urs
Ganz schlimm für mich z. B. der Trend aus robusten Haflingern, filigrane Pferdchen zu machen... :keule1
das stimmt. Viele dieser Veredlungsversuche erweisen sich als ein Schuss in den Ofen. Es gibt zwar ein paar geglückte Exemplare, aber auch einen sehr großen Anteil an dickschädeligen Ponys, mit der Nervigkeit und dem Temperament eines Arabers, keine glückliche Veredelung, je höher das Pferd im Vollbluttypus steht. Ich habe einen alten Haflinger, vom alten Schlag mit einem Röhrbein, welches einem Araber drei geben würde...gut so.
 
ja, aber ein ähnliches Problem haben wir auch bei der obigen Kombination von Andalusier x Percheron - auch keine unproblematische Kreuzung.
 

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