Unterkleid 12. Jahrhundert

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Mara

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So, in Anbetracht der Tatsache, dass ich am Sonntag verzweifelt in meinem vorhandenen Fundus nach einem tauglichen Unterkleid für meinen Bliaut suchte, und dann doch einen Kompromiss eingehen musste, jetzt mal meine Frage an alle: Hat jemand eine Idee, wie man den Halsausschnitt auf diesem Bild hier herstellt: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/di...gesearch&sid=237cf2a05a3942ab214be80fca6ef31d Oder etwas Ähnliches, was möglichst weit ist, oben am Halssauschnitt dann geschnürt wird und dann in kleinen Falten liegt. Die Ärmel habe ich jetzt schon überlang gebastelt und ziehmlich eng genäht, das ergibt den typischen Faltenwurf, den man von der Figur am Westportal in Chartres kennt: http://www.friendsofart.net/static/...3th-century-IV-figures-on-the-west-portal.jpg
 
Wow, was ist das denn? Ich recherchiere ja auch viel im Internet, aber dieses Teil ist mir noch nicht begegnet … das Ding hat sogar Schulterpatten. Irre. Im ersten Moment dachte ich an Smokarbeit, also ähnlich wie der Gerenansatz im Hemd des Thomas Becket. Aber vermutlich ist es wohl gestaffelt – ich kenne den Fachbegriff nicht - ähnlich wie bei heutigen Zunfthemden (Zimmermannshemden z.B.) und dann aufgenäht. Das musste ein hauchdünner weicher Stoff gewesen sein, sowohl das Kleid als auch der Besatz. [Warum macht man sich diesen Aufwand, wenn man es unter dem Bliaut nicht sieht?] Ich kenne ansonsten etwas, was wie ein Schnürbündchen mit senkrechten Falten aussieht, wobei man die Schnürung nicht sieht, scheint gerafft und dann per Naht fixiert zu sein, z.B. von der „Staufischen Madonna“ aus Schwäbisch Gmünd.
 
Hallo! Sind das Falten? Könnten das nicht eher sowas wie Biesen sein? Auch wenn im Text Falten steht, so eine gebogene Form ist mit Falten eher schwierig herzustellen. Vom Bild her würde ich etwas wie Cording oder wie bei der Boutisstickerei tippen. LG Therese
 
Ja genau, Biesen. Das ist das, was bei den Zunfthemden auch gemacht wird. Danke für den Fachbegriff.
 
@ Susanna: habe das Wörterbuch von Violett-le-Duc mal per Zufall gefunden. In Band 3 und 4 sind relativ viele Zeichnungen drin, mit ein wenig Französisch- oder Fachbegriffkenntnissen kann man damit gut was anfangen. Das hemd müsste das gleiche sein, dass die Dame auf dem anderen Bild anhat (Westportal Chartres). Aber Violett-le-Duc hat sowieso kunstgeschichtlich alles analysiert, was bei 3 nicht auf dem Baum war... :D An Smokearbeit habe ich dabei auch schon gedacht, aber noch kein vernüftiges Schnittmuster gefunden. Vielleicht werde ich meine Smokeblsue heute abend mal als Vorlage nehmen und daraus was entwickeln. Sieht dann allerdings doch anders aus, als mit diesem Ausschnitt. Der scheint nachträglich aufgesetzt, aber wie sie die Falten da rein bekommen haben, weiß ich auch noch nicht. Werde Euren Vorschlägen mal nachgehen. Danke.
 
Obwohl Biesen auch schwierig in der Rundung sind. Ich glaube der deutsche Begriff für Cording ist Schnursteppung. Im Prinzip werden auf 2 Stofflagen die Muster aufgestickt, so dass Tunnel entstehen und dann mit Kordeln gefüllt.
 
Ich habe mal in der Galerie ein Bild (Boutis) eingestellt, das eine Möglichkeit zeigt, wie so gerundete Formen entstehen könnten. Im Motiv mittig, wie soll ich das beschreiben?
 
In dem Buch von K.Kania sind verschiedene Methoden beschrieben, Stoff in Falten zu legen....ich schau nachher mal nach, hab es im Moment leider nicht in Griffweite. Darüber hinaus, gibt Viollet-le-Duc eigentlich irgendwelche Abbildungsquellen an? Häufig sind Autoren aus dem 19. Jahrhundert ja auch recht freizügig mit ihren Quelleninterpretationen, und eine solche Ausschnitt-/Schulterpartie (mit den Schulterpatten und den unten gerundeten Falten) hab ich noch nie gesehen....
 
hm... also der Text sagt ja schon kleine Falten. Also ich könnte mir jetzt auch vorstellen, dass der Ausschnitt vorher hergestellt wurde und dann extra aufgenäht. Sonst würde der Rest des Hemdes anders fallen. Angesichts der Schulterklappen würd ich ja schon mal sagen, dass das ein aufwändiger schnitt ist.
 
@ Katharina: Naja, unten in der Fußnote hat er die Statue vom Westportal der Kathedrale in Chartres angegeben. Steht auf der gleichen Seite. Also vermutlich die gleiche Figur, die ich oben schon gepostet hatte. Ich kann da zwar bei Weitem keinen so schönen Kragen erkennen, aber was soll´s. Violett-le-Duc ist mir mal im Zuge von Ulrich Lehnhards Büchern über den Weg gelaufen. Der schien im 19. Jh. eine Koryphäe auf seinem gebiet zu sein und hat ziemlich viel über Architektur und Kunstgeschichte veröffentlicht. Sicherlich gibt´s da neuere Erkenntnisse. In dem Zusammenhan mit den Figuren des Westportals in Chartres hier nochmal ein schönes Bild, in dem man die Falten bei den Ärmeln im Unterkleid gut erkennt: http://www.flickr.com/photos/vwilliams/7537243716/ @ Therese: ich tendiere bei dem Halsausschnitt auch immer mehr zur Boutis-Stickerei, zumal ich das hier fand:
Die Stickkunst aus der Provence hat ihren Urpsrung im Sizilien des Mittelalters. Durch die Kreuzritter fand die Boutis-Stickerei Einzug in die französische Kultur....
Quelle: http://www.basteldichblue.com/Basteln/teckniken-5891-quilten.deco Ist also eine Technik, die es damals schon gab. Auf der Seite gibt´s auch eine ganz gute Beschreibung dazu, das werde ich mal probieren. (http://www.basteldichblue.com/Basteln/teckniken-5900-boutis-stickerei.deco) Klingt eigentlich gar nicht so schwer. Und müsste auch mit dem dünnen Leinen machbar sein, das ich mir für den ersten Versuch des Kleides ausgesucht hatte. Auf dem Bild hier: http://4.bp.blogspot.com/-TQc6A3gm42c/T4VrhpESUnI/AAAAAAAABmE/Doy_N1poPsc/s1600/IMG_6376.JPG sieht der Halsausschnitt des Untergewandes allerdings schon wieder mehr nach gesmokt aus. ?( Hier habe ich nochmal ein anderes Bild von der oben schon erwähnte Dame in Chartres: http://employees.oneonta.edu/farberas/arth/Images/ARTH212images/Gothic/Chartres/RoyPort_jamb2.jpg oder hier: http://1.bp.blogspot.com/-X-odULk4I...253B%2Bwest%2Bportal%2Bjamb%2Bstatues%2B1.jpg ?( ?( ?( Vermutlich gab es beides.... Bei Kania kann ich selbst nachschauen, danke für den Tipp!
 
von Katrin Kania gibt es noch in ZAM, Jahrgang 32, 2004 den Beitrag Vil guotiu Kleider hettens an sie hatte auch das Problem mit den wenigen Abbildungen zum Unterkleid. Sie hat sich an der Liegefigur der Geva aus der Stiftskirche in Freckenhorst orientiert. Das Gewand ist ab dem offenbar runden Halsausschnitt in Falten gelegt.
 
Ich habe ein selbst fotografiertes Bild der staufischen Madonna in die Galerie gestellt. Gerade weil mir die Fältelung sowohl beim Kleid Marias als auch dem Jesus' auffiel, bin ich mal näher rangegangen. Muss mal meine Fotos durchkramen, ich bilde mir ein, ich hätte noch was fotografiert mit gefältetem Kragen. Könnte allerdings auch 13. Jhdt gewesen sein.
 
Habe gestern mal einen Versuch des Smokens gestartet. Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach. (http://www.pavis-meets-mara.de/Anleitung-Smoken-in-Handarbeit-Wabenstich-11 - das ist Zufall, dass die Erstellerin anscheinend auch "Mara heißt.... :D ) Mein Ärmel sieht jetzt so aus: http://www7.pic-upload.de/29.08.12/ixkrovo3p5.jpg Anscheinend gesmokten Ärmel: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/28/Esculturas_de_Chartres_3.JPG die Figur ganz rechts oder hier: http://www.home.netspeed.com.au/derek.allan/chartres.jpg die Figur ganz links. Die Quernähte hatte ich auf der linken Seite mit einem Abstand von ca. 5 mm vorher angezeichnet (hätte ich bei den Längstnähten auch mal tun sollen... :whistling: ) Naja, mein erster Versuch. Ich hatte allerdings den Ärmel vorher schon zusammengenäht. Es ging, aber teilweise muss man ganz schön fummeln. Muss mal ausprobieren erst zu smoken, dann zusammenzunähen. Leider ist der Ärmel jetzt knalleeng, ich komme zwar rein, aber nur mit Schwierigkeiten (und knackenden Nähten) wieder raus. Jetzt kann ich verstehen, dass sich die Damen manchmal in ihre Ärmel einnähen ließen.Ünerlege auch schon, die gesmokten Teile an der unteren naht wieder aufzutrennen und jedesmal zuzunähen o.ä. Knöpfe waren ja für die Zeit noch nicht drin.... Aber wenn der Ärmel aus dem langen Tütenärmel des Bliauts rausschaut, das sieht schon klasse aus! @ Susanna: Hab die staufisch Madonna mal gegoogelt: http://www.schwaebisch-gmuend.de/brcms/bilddaten/b_bild29343_30886.jpg. Der Halsausschnitt scheint definitiv als Beleg angesetzt zu sein, der Stoff darunter scheint gefältelt. Das ist gar kein Problem, dann kann man sich sicherlich die Geren sparen. Ich würde von einer 50er Stoffbreite einfach auf 80 oder 90 beim Vorder- und Rückteil gehen, dann müsste das mit der nötigen Saumweite ganz gut klappen. Ich vermute allerdings, dass bei der Madonna ein Oberkleid dargestellt wird - soweit ich weiß, gibt es keine Darstellungen von Maria im Unterhemd. Insofern stellt sich wieder mal die Frage, wie weit man diese Erkenntnisse für ein Unterkleid verwenden kann. ?( PS: Kania gibt zwar auch mehrere Möglichkeiten des Fältelns an (u.a. auch Smoken), beschränkt sich dabei aber fast ausschließlich auf Funde aus Birka etc., weniger auf Bilddarstellungen oder Skulpturen.
 
Liebe Mara, ich habe mir soeben eine Schürze à la Hühnerfütterin im Luttrellpsalter genäht und gesmokt, deshalb kann ich hierzu was sagen. Deine Ärmel wären vermutlich nicht so eng, wenn du die Smokarbeit um 90° gedreht hättest, denn sie ist querelastisch. Also die Reihen kreisförmig um den Ärmel laufen lassen. An der Länge dürfte sich wenig bis nichts ändern. Kann man verstehen, was ich meine? Aber das Ganze sieht sehr chic aus. Komisch, dass ich all diese Statuen schon so oft betrachtet habe, ohne je zu realisieren, dass da was gesmokt ist. Danke für die Erleuchtung. Gruss Iðunn
 
@Iðunn: aber dann würde es doch anders aussehen? Die Riffel wären dann hochkant, oder? Wobei man sich bei den Ärmeln fragen kann, ob diese Riffel nicht durch Überlänge entstehen. Wenn ich mir die Modenschau der IG Wolf in Erinnerung rufe, wird dort die Ansicht vertreten, dass die Ärmel überlang waren, auch und gerade die vom Unterkleid. Egal, welche Verrenkungen die Dame macht, es soll nichts vom Arm zu sehen sein. Das Schöne an der Wissenschaft ist, dass man diskutieren darf. :) Bei dem zweiten Link dieser Chartres-Figuren sieht man bei der Dame links tatsächlich auch verdächtige Längsrillen am Kragen ... und die Ärmel sehen aus, wie wenn sie komplett gesmokt wären ... oh jemine.
 
Ja, die Rhomben wären dann hochkant. Ich dachte nur daran, wie man einen schon zugeschnittenen, schmalen Ärmel smocken kann, ohne dass er noch enger wird. Aber jetzt ist es eben wie es ist und wie ich Mara hier so kennengelernt habe, plant sie in Gedanken schon das nächste Kleid mit komplett gesmockten Ärmeln .... Interessant, dass die Chartresfiguren alle waagerecht in die Länge gezogene Rhomben zeigen, und eben damit wird der Effekt erreicht, dass die züchtige Frouwe die Ärmel schoppen oder langziehen kann. Dass man mit so einem einfachen Stich so grosse Wirkung erzielen kann. Smoken als gesellschaftliches Regulativ sozusagen. :rolleyes: oh boy... Gruss Iðunn
 
Hallo! Bei der Geva denke ich, dass sie so ein Kleid wie die staufische Madonna an hat, auf meiner Fotokopie vom Artikel ist sie noch schlechter zu erkennen. Bei der Dame vom Chartres Portal - das Wabenmuster des Stoffes ist am Oberkörper doch das Überkleid, oder? das Bild auf diesem Link http://1.bp.blogspot.com/-X-odULk4IxE/TY…atues%252B1.jpg Wenn es gesmockt ist, dann fehlt aber die Überlänge für die Bewegungsfreiheit, oder braucht man doch keine Überlänge? Die parallelen Falten am Unterkleidärmel könnten plissiert sein, wie bei den Fortuny-Kleidern aus den 1920ern.
 
@Therese: hast natürlich Recht, das ist das Überkleid. Ich seh schon überall Plissee und Smok und überhaupt ...
 

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