Wie dreckig war das Mittelalter?

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

Rhonwen

Well-known member
Registriert
02. Dez. 2012
Beiträge
808
Reaktionspunkte
343
Ort
34121 Kassel
So. Ich mache jetzt mal ein ganz großes Fass auf und behaupte, dass wir uns in der Szene das Mittelalter oft allzu schön reden. Damit meine ich jetzt ganz undifferenziert die große Epoche von 600-1300 n.Chr., also unser Aller geliebter Darstellungszeitraum. Natürlich war die Darstellung desselben im jüngsten Fernsehfilm (nein, das soll jetzt nicht das Thema sein) unsäglich. Natürlich gab es Menschen, die sich sauber gehalten haben, weil sie genug Personal hatten, genug Seife oder genug Selbstachtung. Aber nach meinem Wissen... - waren die Straßen überwiegend ungepflastert - wurde der Abfall und der Inhalt von Nachttöpfen schlicht auf die Straße gekippt, - gab es kein allgemeines Wissen über den Zusammenhang von Hygiene und Gesundheit, - Hat man im ländlichen Gebiet mit den Tieren unter einem Dach gelebt, - war der größte Teil der Menschen so arm, dass sie nicht mehr als eine Garnitur Kleidung hatten und diese so lang trugen wie möglich, - gab es keine Kühlmöglichkeiten, sodass Lebensmittel, soweit unkonserviert, schnell verdarben (aber wegen der Armut trotzdem gegessen wurden), - war im Frühmittelalter die Leibeigenschaft und Sklaverei noch gang und gäbe (auch gerne ausgeblendet, aber kein primär hygienisches Problem). Hätte ich mehr Zeit, dann würde ich jetzt noch Vermutungen anfügen, wie es zu einer Schräglage zwischen historischen Fakten und Darstellung kommt. Bitte kommt jetzt nicht mit den Ausnahmen, die hab ich in der Einleitung ja schon angeführt. Ich selbst ziehe gerne Vergleiche mit den Armen dieser Welt und ihren Lebensbedingungen. Ich meine, da kommt man der Wahrheit der Historie schon recht nah... *zurücklehn und abwart* :badewanne
 
Der Vergleich zwischen MA und heutigen Ländern, in denen Armut und schlechte hygiene herrscht, bietet sich an. Er passt aber allenfalls dort, wo man schon Stadtbildung nachweisen kann. Und derartige Slums, Favelas oder gar ganzen "Städten auf Müllkippen", wie es sie heute gibt, gab es nicht im MA. Vor allem nicht, wenn man sich die Ausmaße und Einwohnerzahlen einer mittelalterlichen Stadt wie Köln und eines elendsviertels meineswegen in Lima vor Augen hält und miteinander vergleicht. Wo aber viele Menschen auf einem engen Platz leben (müssen), da wird es schnell dreckig. Das gilt nicht nur fürs MA, das gilt auch für die Elendsquartiere der Arbeiter im 19. Jahrhundert oder so manche WG ;) Auf dem Dorf dürften die hygienischen Bedingungen schon allein deshalb besser gewesen sein, weil die Menschen mehr Platz hatten. Ungepflasterte Straßen sind nicht unbedingt unhygienischer als gepflasterte. Sie stauben bei Trockenheit und sind bei regen evtl. nur schwer passierbar. Für die Füße sind sie aber besser als Pflastersteine oder gar Beton. Zudem kann auf ungepflasterten Straßen so manches gnädig im Erdreich versickern, was auf Straßenpflaster lange liegen bleibt, wie Ausscheidungen aller Art, gerade wenns keine Kanalisation und Straßenreinigung gibt. Das Entsorgen von Nachttöpfen und Müll auf die Straße war ein häufiges Übel und Anlass zu städtischen Verordnungen mit Strafandrohungen. Hausbesitzer waren verpflichtet, die Sickergruben regelmäßig reinigen zu lassen. Das wurde allerdings trotzdem oft ignoriert. Auf dem Dorf hatte man das Problem weniger: Man kippte alles in die Jauchegrube oder auf den Misthaufen; Abfälle bekamen die Schweine zu fressen. Diese hatten auf dem land ja auch viel eher die Möglichkeit, ihren Mist auf feld oder Wald zu machen wie arme Stadtschweine, die sich in den gassen erleichterten. Der Zusammenhang zwischen hygiene und gesundheit war nicht wissenschaftlich fundiert und nicht allgemein bekannt, das ist richtig. Hier wussten eher die gebildeten Schichten um den Wert von reiner Luft und reiner Wäsche. Das ist heutzutage aber auch in Deutschland nicht anders, wenn man sich die Wohnungen mancher Leute anschaut... Den Zusammenhang zwischen Bakterien und Krankheiten leugnete der berühmte Arzt Rudolf Virchow noch Ende des 19. Jahrhunderts! (So, die Hunde müssen raus, nis später)
 
Schöne Überlegungen, Morgan. Danke. Ich möchte noch anfügen, dass ich kürzlich in einem Museumsdorf in der Eifel in einem kleinen Bauernhof mit festgestampftem Lehmboden stand. Nur ein Zimmer hatte einen Holzfußboden. Dort wurde im Begleittext ein Arzt zitiert, der um die Jahrhundertwende das Dorf inspiziert hatte und voller Entsetzen feststellte, dass die Menschen den Straßendreck an ihren Füßen in die Wohnungen trugen und nicht wenige krank wurden, weil der Staub der Lehmböden beim Fegen im Sommer immer wieder aufgewirbelt wurde. @ Elric: Du darfst trotzdem mitspielen... :kopfstreichel
 
Meiner Ansicht nach leben wir über-hygienisiert, wobei viel von der praktizierten Hygiene noch nicht mal was mit Sauberkeit oder dem Fernhalten von Bakterien oder sonstigen Krankheitserregern zu tun hat, sondern wo es um blinkende Oberflächen, angenehme Gerüche und das Gefühl "was für die Familie zu tun" geht. Die Vergleiche mit der heutigen Zeit und auch der heutigen Armut sind in Bezug auf die Lebenssituationen nicht ohne weiteres möglich. Das Größte Detail bei dem Vergleich ist die Bevölkerungsdichte und auch die Bevölkerungszahl, zudem die Lebensmodelle. Im von Dir angesprochenen Zeitraum lebten die meisten Menschen in Familienverbänden auf den Landwirtschaften, die ihren Lebensunterhalt sicherten. Die vorhandenen Städte waren klein. Das Pflastern der Straßen ist wichtig für den Verkehr mit Fahrzeugen, nicht für das Zu-Fuß-Gehen. Da reichen ein paar Holzsteckerl um einen trockenen und halbwegs sauberen Weg zu legen. Ich lebe mit mehreren Tieren (Hunde und Degus) in einer kleinen Innenstadtwohnung und habe mein Klo nur mit einer Türe von den Wohnräumen getrennt. Unsere bäuerlichen Vorfahren hatten oft Wohnhaus und Stall (wo auch das Klo war) in getrennten Gebäuden. Die Pariser kippen immer noch ihren Dreck auf die Straße, weil es billiger ist mit dem Kehrwagen durchzufahren als Mülleimer aufzustellen. Ist außerdem Paris, die ehemals dreckigste Stadt der Welt - nur wurde die nach dem Mittelalter derartig dreckig, durch die Verdichtung von Gewerbe und Menschenmengen. Beim Schlachten am Bauernhof bleibt immer Fett und Talg übrig. Mit der Asche des Küchenfeuers kannst draus Seife machen, um Dich, die Sippe und die Wäsche zu waschen. Eben weil viele Lebensmittel verderben können, gibt es Konservierungsmethoden, die weit über das berüchtigte "Loch in der Erde" hinausgehen. Genaueres steht zB im "Kochbuch der Bäuerin", das seit den 1960ern ein Standardlehrbuch für Hauswirtschaftsschulen war (wird leider nicht mehr verlegt). Viel von dem heutigen Staub, den wir von unseren glatten Böden saugen und wischen, entstammt der Industrie und dem Verkehr. Den ganz feinen Staub gab es vor 1000 Jahren noch gar nicht! Viele von den heutigen Europäern sind so arm, dass sie sich keine Kleidung aus europäischer Fertigung leisten können sondern nur minderwertige Ware kaufen können, die von Ausbeuterbetrieben in Asien hergestellt wird und eine wesentlich kürzere Lebenserwartung hat als traditionelle europäische Kleidung. Auch sind die verwendeten Materialien (Baumwoll, Kunstfasern) für unsere Klimazone nur bedingt brauchbar und auch daher pflegeintensiver. Eine Lederhose, ein paar Goiserer und ein Walkjopperl kosten zusammen halt gleich mal vierstellige Eurobeträge, würden dafür aber Jahrzehnte lang halten und wären auch in abgetragenem Zustand noch jahrelang benutzbar. Also, um das mal zusammenzufassen: 1. Urbaner Lebensraum und Leben am Bauernhof sind schwer vergleichbar. 2. Wenn wir die Industrieprobleme wegdenken, ist es gleich viel sauberer. 3. Nur weil es nicht nach Febreeze riecht, ist es nicht dreckig.
 
Ich glieder das mal in der selben Reihenfolge auf:
Aber nach meinem Wissen... - waren die Straßen überwiegend ungepflastert - wurde der Abfall und der Inhalt von Nachttöpfen schlicht auf die Straße gekippt, - gab es kein allgemeines Wissen über den Zusammenhang von Hygiene und Gesundheit, - Hat man im ländlichen Gebiet mit den Tieren unter einem Dach gelebt, - war der größte Teil der Menschen so arm, dass sie nicht mehr als eine Garnitur Kleidung hatten und diese so lang trugen wie möglich, - gab es keine Kühlmöglichkeiten, sodass Lebensmittel, soweit unkonserviert, schnell verdarben (aber wegen der Armut trotzdem gegessen wurden), - war im Frühmittelalter die Leibeigenschaft und Sklaverei noch gang und gäbe (auch gerne ausgeblendet, aber kein primär hygienisches Problem).
- Straßen ungepflastert ... naja teils, Viele Siedlungsbefunde weißen Bohlenwege auf. Nicht alle aber immerhin: - Abfall auf die Straße: Nein. Dafür gab es Klohäuser, Abfallgruben, etc. Zum Glück! Sonst hätten wir keine Funde, weil genau DA graben die Archäologen um was zu finden. - Hygiene und Gesundheit: doch den gab es. "De Physicae" beschreibt den Zusammenhang von Körperreinigung. Zwar in einem falschen Physiologischen Bild, nämlich der Vier-Säfte-Lehre, aber hey - ein Eimer Wasser ist ein Eimer Wasser und Ob man Zahnhygiene betreibt wegen Karies oder einer der Säfte ist egal. - Kühlmöglichkeiten: Bedingt: Es gab Kühlgruben. Wir bauen uns eine ins Haus übigens ;) Aber eine Gefriertruhe gab es nicht, ja. Weswegen man halt einfach davon abgesehen hat einige Lebensmittel so zu konsumieren wie man es heute gewöhnt ist. Daher ist das ganze nur bedingt ein Argument. - Sklaverei: ... so wie im 19.Jahrhunder auch ... so what?
 
Ist ein nettes Fass und ich find es ein durchweg berechtiges Thema. Sauberkeit im heutigen Sinne hat es sicher nicht gegeben. Aber Methoden zur Reinigung sehr wohl. Wie diese genutzt wurden hängt wohl von mehreren Faktoren ab. Deinen Stand, wo du gewohnt hast, und auch die Religion selbst ist nicht ganz unerheblich. Im Gesindehaus sieht man oft einen dicken Staubschleier auf Tisch und Bank und was sonst noch so rumfliegt. Der kommt aber größtenteils vom Feuer und nicht vom Lehmboden. Ich selbst mag Lehmboden. In meiner Kinderheit war ich oft in Ungarn. Da gab es diese Böden auch noch. sie wurden recht häufig gefegt. Und oft streute man auch duftende Blütenblätter vor dem fegen auf denn Boden. Etwas was wir als Kinder oft zum reinigen nutzten und was an fast jedem Bach zu finden war ist Seifenkraut. Dessen Wurzel reinigen zerieben hervorragend Gesicht und Hände und im schlimmstenfall sogar die Hose wenn sie vom spielen zu dreckig war und man Angst hatte vor dem Donnerwetter zu Hause. Inwieweit es dieses Kraut damals schon gab und ob es genutzt wurde , weiß ich leider nicht.
 
So ganz einfach kann man Rhonwens Gedanken nicht zur Seite schieben. Die Teilnehmer des 1. Kreuzzugs die im Land geblieben sind, haben sich ja in Sachen wie Ernährung, Bekleidung und auch Hygiene, sehr schnell an die dortigen Gewohnheiten angepasst. Das ging soweit das schon die Neuankömmlinge des 2. Kreuzzugs einen "Kulturschock" bekommen hatten als sie ihre Ex-Landsleute in der neuen Heimat sahen. Das man dort mit Ungläubigen ganz normalen Umgang pflegte machte es den Kreuzzugsteilnehmer auch nicht leichter sich im heiligen Land zurechtzufinden. Die erhaltenen Schriften sind ja meistens aus der Sicht vom Adel und Klerus geprägt, also der europäischen Obersicht und wenn die schon einen "Kulturschock" bekommen, muss der Unterschied zwischen Morgen und Abendland gewaltig gewesen sein. Jetzt stellen wir uns das fortschrittliche Jerusalem oder Akkon im 12 und 13 Jahrhundert vor. 10000-40000 Einwohner die ihre Notdurft verrichten, plus Pferde, Hund und Katzen die nicht nur im Stall bzw Haus waren. Metallbetriebe mit Lärm, Gerbereien und Stofffärbereien. Metzger die ihre Waren im Fenster auslegen und im Laden ein Blut-Wasser Gemisch anfällt usw. Jeder der mit Tieren zusammen lebt oder mal auf einen Bauernhof war weis wie stark Tiere riechen können. Das ganze nehmen wir jetzt mal 100 und fertig ist der Lärm und Geruch von Akkon. Und das ganze ist das fortschrittliche Morgenland das die ganzen Neuankömmlinge schockt. Kein Vergleich zu einem Museumsdorf, MA Markt oder deutschen Bauernhof Anno 2014. Die Wahrheit dürfte irgendwo zwischen einem dreckigen und finsteren ZDF/RTL Film und einem cleanen Hollywood Schinken liegen. Aber 99,9% der Gromis und auch A Leuten dürfte das echte MA zu dreckig sein. Kein Dixi sondern Stöckchen. Kein Met nach dem Vollkontakt sondern zerfetzte Körper einsammeln. :)
 
Niemand hat behauptet, dass das Mittelalter so reinlich ist wie es bei uns zu geht. Aber das Bild von den verdreckten Straßen, stinkenden Menschen mit Zahnlücken und vergammelten Zähnen stimmt nunmal auch nicht. Im Gegenteil. Unter dem Sonnenkönig ging es dreckiger zu als im Mittelalter und das London des 19. Jahrhundert wäre jetzt auch nicht mein begehrtestes Reiseziel wenn ich ein sauberes Glas Wasser trinken will.
 
und überhaupt... die Wikis hatten Kämme und Ohrlöffel.. nur wohin mit dem Unrat.... die Szene aus "der 13te Krieger" war ja schön, das alle sich eine Waschschüssel geteilt haben . nur bei all den hygienedingen... unwahrscheinlich, wenn man es sich leisten konnte. Aber selbst mit Laub kann man seinen Unrat.... tun.....Eine gewisse Reinlichkeit wird es gegeben haben, aber .... oh eine Anmerking, nciht die Zeit bzw Darstellung aber so richtig gut war das Kühlhaus, ... wir waren als Wikis auf einer Indianer VA irgendwann in den 90ern... der Grundbesitzer nutzt das Gelände immer noch als Kühlhaus. es gibt möglichkeiten.... . Minus 4 grad bei 30° Sonne draussen! Da geht was.... und sonst gibt es Pökelflesihc, trockenfisch (urgh).... moment... Wilhelm du lässt zerfetzte Körper rum liegen... das sind Lebensmittel.... abschliessend... .. es ist reenactment, teilaspekte und egal wie viel wir sticken, weben oder ach perlen machen.... m.E. sind das nur Teilaspekte und ich bin froh, wenn mein Abflussrohr verhindert das ich den ... nachttopf auf die Straße bringen muss. Wer will oder wird das einem Museumsbesucher zumuten wollen.... ok, eeiner noch.... wenn die Socken Löcher hatten, wurden sie geflickt! toll.. und ich soll beim Amt mal in !"Bewerbedress" auftauchen... kein naturgefäärbte Wolle, kein Mantel.. ne Kratwatte und Sakko... ich geh dann ma, vgom Balkon kotzen....
 
Dass man sich im Mittelalter aus Angst vor Krankheiten nicht wusch, wird immer gern kolportiert, stimmt aber nicht fürs Mittelalter, sondern ist ein Phänomen der frühen Neuzeit. Als die Spanier die Syphillis von Amerika nach Europa einschleppten, war man sich sehr schnell der Übertragungswege bewusst - nix Bad, sondern Sex. Bis im 16. Jahrhundert der damalige Heilige Vater an der Seuche erkrankte! Wie sollte das zustande gekommen sein? Verkehr hatte er ja wohl nicht gehabt, aber - richtig: gebadet! Und schon warnte man allerorten vor dem "bösen" Wasser. Das blieb so bis ins 19. Jahrhundert hinein. Tiere und Menschen unter einem Dach? Es gibt da den netten Witz: "Ich hab nu meine Kühe mit ins Haus, ischa so bannig kalt jetzt im Winter." "Ja, Hein, ist dat nich unhygienisch? Ich mein - der Geruch!" "Ach nu, da gewöhnen sich die Tiere dran." Ich weiß nicht, ob man auch Schweine mit im Haus hielt und Hühner. Aber bei Weidevieh, besonders wenn das Haus groß genug war und jeden Morgen die Einstreu gewechselt wurde, dürfte das Ganze nicht wirklich problematisch gewesen sein. Ich halte eine moderne Einstallungsanlage mit Zehntausenden von Winter geschlachtet, da ist es kühl genug. Hühner und kaninchen muss man gar nicht kühlen, die schlachtet man, wenn man sie essen möchte. Milch spielte kaum eine Rolle, jedenfalls nicht als Frischmilch. Man machte Butter oder Käse daraus, diese <produkte müssen auch nicht unbedingt in den Kühlschrank. Hartkäse und Sauermilchkäse kann man prima so aufbewahren und aus Butter lässt sich Butterschmalz machen, das muss gar nicht gekühlt werden. Fische wurden gesalzen, getrocknet oder geräuchert. Oder man bewahrte sie bis zum Verkauf lebend in großen Eimern, Brunnen etc. auf. In großen Städten gab es früher auf dem markt den eigenen Aalbrunnen oder Aalkasten. Linsen und Bohnen verzehrte man nicht frisch, sondern trocknete sie, dies muss man auch nicht kühlen. Und dann gab es ja noch die Methode, ständig einen kessel über dem feuer zu haben, in den alle Speisereste hineingeworfen wurden. Dadurch, dass das "Gericht" ständig am Köcheln gehalten wurde, konnte da auch nix schlecht werden. Und wo es eher zu wenig als zu viel zu essen gibt, ist die Gefahr gering, dass Reste vergammeln. Es gab also kaum Produkte, die man hätte kühlen müssen. Zutreffend ist deine bemerkung allerdings in Hinsicht auf den Ergotismus (Mutterkorn-Vergiftung). Man wusste, dass man die schwarz verfärbten Roggenkörner nicht verzehren und auch nicht zu Brot backen durfte und es war streng verboten, es zu tun. In Hungerzeiten hat man natürlich auch solches Brot gegessen, aber wer hat keinen Großvater, der mit dem Löffel den Schimmel von der Marmelade gehoben hat mit der Bemerkung "Im Krieg, Kindchen, da hättste nich mal den Schimmel abgemacht!" <ich denke, wie sauber oder dreckig das Mittelalter war, hängt viel von den lebensumständen ab - in guten zeiten werden sich auch die "kleinen leute" reinlich gehalten haben, in schlechten fraß man halt wie der sprichwörtliche Teufel die Fliegen. Vieles, was wir heute als unbedingt nötig erachten, ist völlig überflüssig und manchmal sogar zu viel des Guten. Und eines hatte man im Mittelalter sicher nicht: Die große Bedrohung und Schäden, die von Erdöl, von Fracking, Dioxin und multiresistenten Keimen ausgeht und die wir zu einem großen Teil unserem Wunsch nach hygienischer Sauberkeit zu verdanken haben
 
Bis im 16. Jahrhundert der damalige Heilige Vater an der Seuche erkrankte! Wie sollte das zustande gekommen sein? Verkehr hatte er ja wohl nicht gehabt, aber - richtig: gebadet! Und schon warnte man allerorten vor dem "bösen" Wasser. Das blieb so bis ins 19. Jahrhundert hinein.
- als kleine Anmerkung. Die Sprößlinge des Borgia-Papstes wurden nicht nur im Film von ihm anerkannt. Und auch der Papst davor hatte einen legitimen Sohn. Also würde ich die These mit kein Verkehr eher anzweifeln.
 
besonders wenn das Haus groß genug war und jeden Morgen die Einstreu gewechselt wurde, dürfte das Ganze nicht wirklich problematisch gewesen sein.
Ja, wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär´...! Dabei sind ja, soweit ich weiß, die Großtiere in Ställen gehalten worden. Da bleibt immerhin der Mist auch in ihrer Nähe. Aber Hühner, Gänse und Schweine, Katzen und Hunde mussten sich einen großen Teil ihres Futters selber suchen und sind sicher auch rein und raus gelaufen. Zu den ungepflasterten Straßen: Dort, wo Pferdefuhrwerke unterwegs waren, müssen die Wege bei Regenwetter überaus matschig gewesen sein, mit tiefen Furchen durchzogen (in denen dann gnädigerweise auch der Müll verschwand). Bohlenwege sind geeignet für Fußgänger, brechen aber unter der Last der Räder und werden morsch durch die Feuchtigkeit. Außerdem halten sie dem Verkehr auch nicht lange stand, wenn schwere Fuhrwerke darüber rollen, und verschieben sich. Zum Hinweis auf vergammelte Zähne: Nun ja, es gab kaum Süßes, aber auch Säure und schlechte Ernährung greift den Zahn an. Natürlich hätte es Möglichkeiten der Zahnreinigung gegeben, aber da sind wir wieder bei den (mutmaßlichen) Ausnahmen... Und dann ist da noch der Skorbut:
Im Zeitalter der Entdeckungen war Skorbut oft die Haupt-Todesursache bei Seeleuten; so verlor zum Beispiel das Schiff von Vasco da Gama auf einer Reise von 160 Mann Besatzung etwa 100 Mann durch Skorbut. Grund für das häufige Auftreten von Skorbut auf See war die einseitige Ernährung, die, mangels Konservierungsmöglichkeiten, hauptsächlich aus Pökelfleisch und Schiffszwieback bestand
(Wikipedia). Das dürfte im Winter auch viele Menschen des Mittelalters erwischt haben, denn Getreidebreie waren ja auch die Hauptnahrung der einfachen Leute bis hoch zu den Handwerkern. Viele Erkrankungen sind wohl auch durch die kürzere Lebensspanne seltener aufgetreten... Läuse, Flöhe, Bettwanzen: Gerade das Auftreten von Bettwanzen kann durch Hygienemaßnahmen (Bettwäsche wechseln) verhindert werden. Mittelalterliches Reisen, brrr...! *schüttel* Es war üblich, nicht nur in Herbergen, sich ein Bett zu teilen- klar, dass man nicht nur die Wärme, sondern auch Läuse und Flöhe teilte. Die Menschheit hat immer Methoden gesucht, die Viecher los zu werden. Ich glaube, da kann man sich nicht dran gewöhnen.
 
@Amici:
Unter dem Sonnenkönig ging es dreckiger zu als im Mittelalter
Das wird dann wiederum von den LH-Darstellern des Barock bestritten...
Sklaverei: ... so wie im 19.Jahrhunder auch ... so what?
das London des 19. Jahrhundert wäre jetzt auch nicht mein begehrtestes Reiseziel wenn ich ein sauberes Glas Wasser trinken will.
Hab ja auch nicht behauptet, dass das MA schlimmer war. Ich meine nur, dass wir diesen Aspekt in unserer Wahrnehmung und Darstellung meist ausblenden.
 
Das Thema ist für meinen Geschmack bisher zu weit gefasst und zu unstrukturiert. Über welche Bereiche von "Sauberkeit" reden wir immer im einzelnen? Zum einen zum Thema Körperfplege und Hygiene, dann über den familiären Haushalt, die Lebensbedingungen in Städten, Siedlungen und auf dem Land, dann über Bekleidung und deren Pflege, dann wiederum geht es um's Essen und dessen Aufbewahrung, Krankheiten und medizinisches Wirken, dann plötzlich über den Ausbau von Straßen.....und anhand all dieser einzelnen Faktoren soll ein Fazit, ja ein Urteil gebildet werden á la "Es war dreckig!" oder "Es war sauber!"? Zunächst einmal sollte auch allen klar sein, dass "Sauberkeit" eine 1. persönliche und 2. subjektive Sache ist. Ich bin mit den "üblichen" Körperpflegestandards des 20./21. Jahrhunderts vertraut und folge diesen, das trifft leider aber nicht immer auf die Leute zu, mit denen ich mir die Straßenbahn teilen muss. Und manche Leute finden es gemütlich, wenn sich die Katze am Fußende des Betts zusammenrollt, für andere gehören Tiere strikt nicht ins Bett. Es wäre für die Diskussion von Vorteil, zunächst einmal zu erwähnen, über welchen Bereich, in dem Sauberkeit eine Rolle spielt gesprochen wird, damit man diesen heute und damals. Vergleichen kann. Und dann am besten zunächst mit konkreten Beispielen. Praxiserfahrungen sollten dann das Bild ergänzen oder eine These untermauern. Dann würde mich noch sehr interessieren, was denn nun genau die "Ausnahmen" sind. 'Im Moment - und da missverstehe ich dich sicherlich gerade Rhonwen klingt das so, als wenn alle Argumente und Beispiele die für historische Sauberkeitsmaßnahmen sprechen diese Ausnahmen darstellen. So wie sich der Thread bisher liest klingt es so, als sei ein Holzbohlenweg dafür verantwortlich, dass es heute noch Karies gibt. Bitte sortiert einmal ein paar vergleichbare Fakten.
 
Bis im 16. Jahrhundert der damalige Heilige Vater an der Seuche erkrankte! Wie sollte das zustande gekommen sein? Verkehr hatte er ja wohl nicht gehabt, aber - richtig: gebadet! Und schon warnte man allerorten vor dem "bösen" Wasser. Das blieb so bis ins 19. Jahrhundert hinein.
- als kleine Anmerkung. Die Sprößlinge des Borgia-Papstes wurden nicht nur im Film von ihm anerkannt. Und auch der Papst davor hatte einen legitimen Sohn. Also würde ich die These mit kein Verkehr eher anzweifeln.
Nun, die Borgias regierten in der sinnenfrohen Renaissance. Da 16. und 17. Jahrhundert hatte eine ganz andere Auffassung von Moral. Selbst heute würde es die Grundfesten der katholischen Kirche erschüttern, käme heraus, dass der Papst ein Kind hätte!
 
Sortieren wird schwierig, und ich finde auch, dass das nicht nötig ist. Du hast natürlich rechtin Bezug auf Ausnahmen- aber kann man belegen, dass die Zahnhygiene im MA mehrheitlich üblich war? Oder der Gebrauch von Asche+ Fett als Seife? Klar, das ist naheliegend. Kann man das auch nachweisen? Vielleicht weiß ja jemand tatsächlich von Belegen für hygienische Maßnahmen. Die genannten Abfallgruben sind ja immerhin ein Anfang.
 
Als Filmtipp zu vielen Thematiken aus der Diskussion, wie z.B. Kühlung: Seht euch die Tudors Monastery Farm-Doku an :) Toll durch Living History-Optik durch Wissenschaftler/Archäologen/Historiker erklärt, wie z.B. die Kühlräume für die Käsefabrikation gemacht wurden.
 
, aber wer hat keinen Großvater, der mit dem Löffel den Schimmel von der Marmelade gehoben hat
gab mal ne schöne doku über schimmel an lebensmittel, marmelade, so wurde da gesagt, sei so ziemlich das einzige Lebnsmittel bei dem das hygienisch unbedenklich sei. Meine Oma hat das auch öfter gemacht und ich hatte nie körperliche Beschwerden dadurch.
 

Neueste Beiträge

Oben