Steven of Shillingford
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Die Langbögen Der lange Bogen ähnelt dem Kurzbogen, mit dem Unterschied, daß der Stab etwa so lang ist wie der Schütze groß ist oder sogar noch länger, normalerweise bis etwa 195 cm. Er besitzt eine höhere Reichweite und eine stärkere Durchschlagskraft als der kurze oder mittlere Bogen und kann Langbogen-Pfeile von ca. 80 cm bis 1 Meter Länge verschießen. Langbogenschützen müssen ständig trainieren, um genügend Kraft zum Spannen des Bogens zu haben. Oft zielt man auf aufgemalte Scheiben an Ton- oder Lehmwänden, damit die Pfeile bei Fehlschüssen nicht davonfliegen. Zum Üben werden normalerweise einfache Holzpfeile verwendet. Der Langbogen (engl.: Long Bow, franz.: Long Arc) selbst besteht meist aus Ulmen-, Eschen- (englischer Langbogen) oder Eibenholz (Wikingerbogen), aber keineswegs aus einem beliebigen Stück Holz. Der Bogen wird sorgfältig aus Herz und Korpus eines Astes geschnitzt und stellt schon fast einen natürlichen Kompositbogen dar. Die Länge des Langbogens schwankte regional. Sie richtete sich nach der Größe des Mannes, dem der Bogen genau angepaßt werden mußte. In England war er meistens so lang wie der Abstand zwischen den ausgebreiteten Armen des Schützen von der Spitze des linken bis zur Spitze des rechten Mittelfingers, was auch ungefähr der Körpergröße entsprach. Der traditionelle Langbogen, der stets ohne Visier und sonstige Hilfsmittel geschossen wird, ist von der Form seiner Wurfarme stets gerade, nicht rekursiv. Die mannslange Bogensehne wird meistens aus Hanf oder Flachs gefertigt. Damit die Sehne festen Halt hat, ist der Bogen an den Spitzen mit Hornkerben versehen. Zum Spannen eines Langbogens muß man etwa die gleiche Kraft aufwenden wie zum Heben eines 36-Kilogramm-Gewichts. Dieser große Bogen kann aber nur im Stehen gebraucht werden und eignet sich nicht zur Verwendung auf einem Reittier. Mit Langbögen können sowohl Jagdpfeile als auch die schwereren Kriegspfeile verschossen werden. Ein guter Schütze soll zwölf Pfeile in der Minute treffsicher abgeschossen haben. Die Zugkraft liegt bei etwa 50 Kilogramm. Von einem Langbogen abgeschossene Pfeile fliegen bis zu 300 Meter weit, wobei sie aber schon nach kurzer Zeit ihre größte Wucht verlieren. Bis zu einer Reichweite von 90 Metern sind die eisernen Spitzen der Langbogenpfeile allerdings ziemlich tödlich. Die Schützen können einen wahren Pfeilhagel auf den Feind niederprasseln lassen, indem sie die Pfeile hoch in die Luft schießen. Streitrosse sind besonders leicht verwundbar, weil bestimmte Körperteile immer ungeschützt bleiben. Pfeile mit nadelförmiger Spitze können noch auf große Entfernung Kettenglieder von Rüstungen durchbohren, wenn sie genau zwischen den Ringen auftreffen. In Schlachten um Burgen ist der Langbogen eine der beliebtesten Waffen, sowohl für Belagerer als auch für die Belagerten. Der Bogen erweist sich in der Hand eines geübten Schützen aber auch in offenen Feldschlachten, vor allem im Kampf gegen die Reiterei, als sehr wirksame Waffe. Langbögen waren in vielen europäischen Ländern, besonders aber in England, beliebt. Auf dem Festland bevorzugte man dagegen die Armbrust. Die Engländer hatten im 12. Jahrhundert Zusammenstöße mit walisischen Langbogenschützen, die später häufig in der englischen Armee eingesetzt wurden. Viele walisische Schützen trugen, wahrscheinlich wegen des besseren Halts, keine Schuhe. Mit der Armbrust ließen sich nur zwei oder drei Schüsse in der Minute abfeuern. Bei Regen und Feuchtigkeit wurde die Armbrustsehne leicht schlaff. Vor allem im Hundertjährigen Krieg (1337 - 1453) setzten die Engländer viele Bogenschützen gegen die Franzosen ein. In der Schlacht von Crécy (1346) stand dem Heer des englischen Königs Edward III., das aus 13.000 Mann, davon 6.000 Bogenschützen bestand, ein französisches Heer mit mehr als 40.000 Soldaten gegenüber. Trotz ihrer Übermacht waren die französischen Armbrustschützen nicht imstande, die Pfeilregen der berühmten englischen Langbogenschützen wirkungsvoll zu erwidern, und die französischen Ritter wurden vernichtend geschlagen. Edward III., der "Schwarze Prinz", wegen seiner Rüstung so genannt, schlug das französische Ritterheer erneut mit seinen englischen Bogenschützen 1356 bei Maupertuis in der Nähe von Poitiers. 1415 siegte der englische König Heinrich V. bei Agincourt und vernichtete mit Hilfe der beweglichen Bogenschützen das zahlenmäßig vielfach überlegene französische Heer. Noch 200 Jahre später, 1627, befanden sich englische Bogenschützen im Solde Kardinal Richelieus bei der Belagerung von Larochelle und dem Angriff auf die Insel Re. Der Reflexbogen, den die türkischen Janitscharen im 15. Jahrhundert verwendeten, war ein Kompositbogen von hoher Qualität. Allein seine Herstellung aus Holz, Horn, Sehne und Fischleim dauert ein volles Jahr, dafür erreicht diese Waffe aber eine Lebensdauer von 100 Jahren. Der Bogen ist sehr stark gekrümmt, sogar über seine Scheitelpunkte hinweg, so daß er wie ein großes "C" aussieht, d.h. die Sehne ist ein Stück kürzer als der Bogen. Der türkische Reflexbogen ist den europäischen Bögen aus der gleichen Zeit weit überlegen, sowohl an Stabilität als auch an Schußkraft. Ein kräftiger Bogenschütze kann bis zu 800 Meter weit damit schießen, und gezielte Schüsse sind bis auf 300 bis 350 Meter möglich, also so weit wie ein englischer Langbogen überhaupt trägt. Die türkischen Bogenschützen waren darauf trainiert, den Reflexbogen in jeder Lebenslage zu benutzen. Ob sie auf galoppierendem Pferd oder beim Rückzug sogar über die Schulter hinweg ihre Pfeile versandten, minderte ihre Trefferquote nicht wesentlich. Dazu schossen sie im Salventakt.