Diskussionsbeitrag zum Phänomen "kämpfende Frauen im Mittelalter" (Teil 2) – Nur in Notsituationen?

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

Fifill

Well-known member
Registriert
30. Juni 2020
Beiträge
346
Reaktionspunkte
269
Hier nun die Fortsetzung zu meinem Diskussionsbeitrag zum Phänomen "kämpfende Frauen im Mittelalter" (Teil 1): Diesmal möchte ich die Frage beleuchten, ob Frauen im Mittelalter tatsächlich nur in Notsituationen gekämpft haben, wie vielfach – auch in den diesbezüglichen Threads hier im Forum – behauptet wird. Wiederum stütze ich mich dabei schwerpunktmäßig auf den Artikel "The woman warrior: gender, warfare and society in medieval Europe" von Megan McLaughlin (erschienen in "Women's Studies", vol. 17, 1990, p. 193-209). Auch McLaughlin räumt ein, dass die Mehrheit der in den Quellen belegten Fälle von kämpfenden Frauen im Kontext von Notsituationen auftauchen. Waren diese überstanden, so wurde erwartet, dass die Frauen wieder in ihre angestammte Rolle zurückkehrten. McLaughlin merkt jedoch an, dass auch diese Fälle aufschlussreich sind, da sie auf ein gewisses Maß an "militärischer Einsatzbereitschaft" auf Seiten der weiblichen Bevölkerung schließen lassen. Ihr Hauptaugenmerk legt McLaughlin jedoch auf jene Fälle, in denen Frauen sich wiederholt oder über eine lange Zeitspanne an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligten und dabei ihre eigenen Ziele verfolgten. Einen möglichen Komplex solcher Fälle lokalisiert McLaughlin im wikingerzeitlichen Skandinavien und bezieht sich dabei einerseits auf spezifische Berichte von kämpfende Frauen (Laghertha, Rusila) aus der "Gesta Danorum" des Saxo Grammaticus, für die es Anhaltspunkte gibt, dass sie auf tatsächlich existierende Personen zurückgehen. Darüber hinaus verweist sie (bereits im Jahr 1990!) auf die zunehmende Anzahl archäologischer Grabfunde von Frauen, die mit Waffen bestattet wurden. Dazu sei kurz eingeschoben: Nicht erst seit der "Schildmaid von Birka" wird die Interpretation derartiger Grabfunde heiß diskutiert und berechtigterweise darauf hingewiesen, dass Grabbeigaben für sich allein genommen nicht ohne weiteres als Spiegelbild der bestatteten Person zu Lebzeiten angesehen werden dürfen. So weit mir bekannt ist, dauert die wissenschaftliche Diskussion hinsichtlich derartiger Funde und möglicher Rückschlüsse auf "kämpfende Wikingerfrauen" oder gar "Wikingerkriegerinnen" zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch an. Das bedeutet jedoch auch, dass die Existenz solcher Frauen durchaus im Bereich des Möglichen bis Wahrscheinlichen liegt und nicht einfach ausgeschlossen werden kann. Weitere Fälle lokalisiert McLaughlin im nördlichen Europa zwischen dem 9. Und 10. Jahrhundert und führt als Beispiel Aethelflaed, "Lady of the Mercians", an, die nach dem Tod ihres Ehemanns im frühen 10. Jahrhundert Mercia regierte und gegen die Dänen verteidigte. Die diesbezüglichen Schriftquellen deuten darauf hin, dass sie die Feldzüge gegen die dänischen Eindringlinge nicht bloß von zu hause aus dirigierte, sondern persönlich daran teilnahm. Eine noch größere Ansammlung von Fällen findet sich in Südfrankreich und Catalonien, wo Adelsfrauen nicht nur an den Kriegszügen ihrer Ehemänner teilnahmen, sondern sogar ihre eigenen Burgen besaßen und mit eigenem Gefolge sowohl defensiv als auch offensiv Krieg führten. Als Beispiele führt McLaughlin die lombardische Prinzessin Sichelgaita und Adelheid von Susa, Markgräfin von Turin, an, beides Fälle aus dem 11. Jahrhundert. Bei überproportional vielen der Frauen, die eine kriegerische Karriere einschlugen, handelte es sich um adelige Witwen. Seitens einer Witwe wurde ein derart anomales Verhalten offenbar als weniger unangebracht wahrgenommen als bei anderen Frauen, selbst noch im späteren Mittelalter. Oftmals ging es dabei um die Verteidigung der Interessen der eigenen Kinder, wie im Fall von Blanka von Navarra, Gräfin von Champagne, aus dem 13. Jahrhundert. Einige Witwen führten hingegen auch in eigener Sache Krieg, wie die Beispiele von Theresia von Portugal, Richilde von Hennegau oder der Witwe von Arnold II. von Guines zeigen. Andere übernahmen die militärischen Verpflichtungen ihres verstorbenen Gatten. So hatten beispielsweise im späten 12. Und frühen 13. Jahrhundert in England mehrere Witwen das Amt des Sheriffs inne, welches administrative und militärische Pflichten beinhaltete. Zumindest einige von ihnen kamen ihren Verpflichtungen persönlich nach, wie etwa Nicole de la Haye, die als Sheriff von Lincoln eine entscheidende Rolle in der Belagerung von Lincoln im Jahre 1217 spielte. Schließlich erwähnt McLaughlin noch Fälle von Frauen, die aus Glaubensgründen oder für die Kirche in den Krieg zogen, wie Beispielsweis Mathilde von Canossa im späten 1. Jahrhundert, sowie eine Anzahl von Frauen, die an der Seite der männlichen Kreuzfahrer – und manchmal in männlicher Verkleidung – auf den Schlachtfeldern des Mittleren Ostens kämpften. Wie schon in Teil 1 meines Diskussionsbeitrags zum Phänomen "kämpfende Frauen im Mittelalter" gesagt, bin ich nach wie vor der Ansicht, dass kämpfende Frauen im mittelalterlichen Europa eine Ausnahmeerscheinung waren und nicht die Regel. Doch scheinen diese Ausnahmen weniger selten gewesen zu sein als zumeist angenommen und waren mitnichten nur auf Notsituationen beschränkt. Unter gewissen Umständen war es für einzelne Frauen offenbar möglich, die Grenzen der Geschlechterrollen zu überwinden und in der ur-männlichen Domäne der Kriegsführung Fuß zu fassen. Wiederum würde mich sehr interessieren, ob euch weitere Beispiele von Frauen bekannt sind, die belegbar an kriegerischen Auseinandersetzungen teilgenommen haben und in welche Kategorie sie sich einordnen lassen:
  • Frauen kämpfen in einer Notsituation
  • Frau kämpft für die Interessen ihrer Kinder
  • Frau kämpft für ihre eigenen Interessen
  • Witwe übernimmt die militärischen Verpflichtungen des verstorbenen Ehemanns
  • Frauen kämpfen aufgrund ihres Glaubens
Dazu noch eine kurze Eingrenzung, bei der ich mich wiederum an McLaughlin anlehne: Der Fokus meines Interesses liegt auf Frauen, die persönlich an kriegerischen Aktionen teilnahmen. Ausgenommen sind Frauen, die lediglich an der Planung solcher Aktionen beteiligt waren. Inbegriffen sind dagegen Frauen, die persönlich und in Rüstung auf dem Schlachtfeld anwesend waren. McLaughlin räumt ein, dass in einigen der von ihr aufgeführten Beispiele die betreffenden Frauen eher die Rolle eines "Generals" als die eines "Kämpfers" inne hatten, da nicht klar ist, ob sie Waffen trugen und diese auf dem Schlachtfeld einsetzten. Sie hält dem jedoch entgegen, dass dies ebenso auf viele männliche Kriegsanführer zutrifft, die von ihren Zeitgenossen nichtsdestotrotz als "Krieger" angesehen wurden. Nachdem ich nun auf der Basis des Artikels von McLaughlin die Frage nach der Haltung gegenüber kämpfenden Frauen (siehe Teil 1), sowie unterschiedliche Situationen und Beweggründe beleuchtet habe, in denen bzw. aufgrund derer Frauen sich an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligten, möchte ich in kürze noch auf die Frage eingehen, inwieweit und aufgrund welcher Rahmenbedingungen Frauen überhaupt Zugang zu militärischer Ausbildung erlangen konnten, ohne die sie wohl kaum auf dem Schlachtfeld hätten bestehen können. Neben meinen spezifischen Fragen (s.o.), würde ich mich auch sehr über generelle Rückmeldungen hinsichtlich meiner Herangehensweise an das Thema freuen. Ich versuche zur Zeit ein Gefühl für die Einordnung des Phänomens "Kämpfende Frau im Mittelalter" zu entwickeln, u.a. indem ich einige mir wesentlich erscheinende Kernpunkte hier zur Diskussion stelle. Feedback würde mir da sehr weiterhelfen. Mit freundlichem Grinsen Ilka :bye01
 
Hallo Ilka, sind die Quellen denn überhaupt präzise genug um aus dem Bereich des Bereich des "Möglichen bis Wahrscheinlichen" heraus zu kommen? Auf der anderen Seite frage ich mich, was wäre wenn man es nachweisen würde: für eine Frau, in einer Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt Wäre das der "Missing Link" um es dann für die gesamte Darstellungszeit des Mittelalters nutzen zu können?
 
Moin Ilka, persönlich glaube ich ist die Abhandlung dieses komplexen Themas schwierig, aber nicht aussichtslos problematisch. Zum Problem kann nach dem was ich so beurteilen kann eher die Grundlagenrecherche aufgrund nur wenig vorhandener Primärquellen werden. Aus heutiger Sicht verstaubte, aber damals aktuelle Sicht- und Denkeweise, die Vorgehensweise der Kirche und.... Da erzähl ich dir nichts neues. Du wirst es ja selbst schon gemerkt haben, Tante Google und Co sind da nicht ganz so Auskunftsfreudig. Sodele, werde meinen Beitrag auch stückeln müssen. Irgendwie läuft mir in letzter Zeit die selbige weg. Werde meine Meldung also erst nachher vervollständigen Also dann bis später nachher
 
Vor einiger Zeit hatte mal ein US Fernsehmoderator mit unsinnigen Halbwissen über Schwertkampf auf sich aufmerksam gemacht und sein Fazit war - girls can't swordfight. Darauf hin haben einige Vereine der HEMA-Szene über kämpfende Frauen recherchiert. Für den europäischen Raum sind leider erst ab der Renaissance bis in die Moderne Duelle dokumentiert, in denen eine Frau ihren Gegner getötet hat. Im Towerfechtbuch von 1320 ist zwar eine Frau abgebildet, die Schwertkampf erlernt aber es ist nicht unstrittig, ob dies eine real existierende Person gewesen sei. Den weiteren Verlauf hab ich schon länger nicht mehr verfolgt - vielleicht wurden inzwischen auch frühere Quellen erfolgreich durchforstet - vielleicht ein Ansatz für deine weitere Suche... FB_IMG_1583097431049.jpg Quelle=facebook
 

Anhänge

  • FB_IMG_1583097431049.jpg
    FB_IMG_1583097431049.jpg
    55,7 KB
... und weiter geht's Also bezüglich Quellen, Chroniken und co, ich denke um als Frau in die Annalen einzugehen, muss diese schon was außergewöhnliches, geleistet haben bzw. vom Stand darstellen. Also zumindest weit über das der männlichen Kollegen abgelieferte. Da du ja auch Bogenschütze im hundertjährigen Krieg erwähnt hast, wäre für dich vlt interessant zu wissen das auch Frauen im "Array" angenommen wurden. Die Quote war nun nicht allzu hoch. Beim "view of arms" in Bridport 1457 erschienen 197 Männer und 4 Frauen. Das diese ihre Bögen mitzubringen hatten sei nur mal am Rande erwähnt. Besitz bedeutet natürlich auch Gebrauch. Zum Auszug habe ich keine Daten. Auch nicht zur Art und Dauer der Anstellung. Also auch nicht ob Einsatz im Feindesgebiet oder gar auf dem Chevauchee. Quelle dazu Richard Wadge ARROWSTORM
 
Möglicherweise für dich auch interessant, die Frau in ihrer Funktion als "Peace Weaver". Diplomatie anstelle Kampf, und das wohl mitunter sehr einfluss- und erfolgreich.
 
Zunächst einmal zu dem Punkt, den ich am klarsten beantworten kann:
Auf der anderen Seite frage ich mich, was wäre wenn man es nachweisen würde: für eine Frau, in einer Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt Wäre das der "Missing Link" um es dann für die gesamte Darstellungszeit des Mittelalters nutzen zu können?
Nein, natürlich wird es keinen einzelnen Fund welcher Art auch immer geben, der die Existenz von "weiblichen Kriegern" für das gesamte Mittelalter belegen könnte, dafür sind die kulturellen, regionalen und zeitlichen Unterschiede zweifelsohne viel zu groß. Tatsächlich gehe ich davon aus, dass sich eine ganze Reihe von Fällen (aus der Gesamtepoche des Mittelalters und aus dem gesamteuropäischen Raum), in denen Frauen gerüstet auf dem Schlachtfeld anwesend waren und z.T. sogar selber gekämpft haben, bereits beim gegenwärtigen Stand der Forschung hinlänglich belegen lassen, um sie als authentisch zu klassifizieren. Insofern ist der von dir angesprochene "Nachweis" solcher Einzelfälle bereits mehrfach erbracht. Lässt sich daraus nun etwas folgern? Das kommt darauf an: Konnten die Frauen in diesen Fällen lediglich aufgrund besonderer und einzigartiger Umstände die Grenzen der Geschlechterrollen überwinden? In diesem Fall lassen sich aus derartigen Sonderfällen kaum allgemeine Rückschlüsse ziehen. Oder gab es Gemeinsamkeiten in den Rahmenbedingungen, unter denen jene Frauen Zugang zur männlichen Domäne der Kriegsführung erlangten? In diesem Fall kann man von den einzelnen dokumentierten Fällen durchaus auf strukturelle Gegebenheiten schließen, unter denen sich weitere derartige Fälle ereignet haben könnten. Genau diese Frage hat McLaughlin untersucht und kommt am Ende ihres Artikels klar zu dem Schluss, dass letzteres der Fall ist: "I have emphasized in this essay the impact of two structural developments in medieval society — the growing rigidity of role definition and the gradual divergence of the public and the domestic sphere — on women’s participation in war. My purpose in so doing was to counteract the common tendency to dismiss the anomalous as merely — or primarily — accidental. This may actually be the case in certain situations, but the repeated appearance of women warriors in the period from the tenth to the thirteenth century, followed by their gradual disappearance in conjunction with the set of historical structures just described, suggests to me that something different was going on. The presence of women warriors on the battlefields of the central middle ages cannot be explained simply in terms of their "forceful personalities" or unusual personal circumstances. Rather, they should be seen as products of and participants in a particular system of gender, a system which, for a few centuries, made behaving in an anomalous way somewhat less difficult that it was either before or after. When that system changed, women lost their already very limited opportunities to participate in war." Quelle: Megan McLaughlin: " The woman warrior: gender, warfare and society in medieval Europe" In: "Women's Studies", vol. 17, 1990, p. 193-209 McLaughlin hebt explizit hervor, dass das zwischen dem 10. Und 13. Jahrhundert wiederholt auftauchende Phänomen von kriegsführenden Frauen auf dem Schlachtfeld sich nicht allein aufgrund von "energischen Persönlichkeiten" oder ungewöhnlichen persönlichen Umständen erklären lässt und identifiziert zwei strukturelle Entwicklungen – strenger werdende Rollenbilder und das Auseinanderdriften der öffentlichen und häuslichen Sphäre – als ursächlich für den deutlichen Rückgang des Phänomens im Spätmittelalter. Auf den Aspekt der strenger werdenden Rollenbilder und den dadurch bedingten Wandel in der Haltung gegenüber kämpfenden Frauen bin ich bereits in Teil 1 meines Diskussionsbeitrags zum Phänomen "kämpfende Frauen im Mittelalter" eingegangen. Auf den Aspekt des Auseinanderdriftens von öffentlicher und häuslicher Sphäre und inwiefern Frauen dadurch den Zugang zum Bereich des Militärischen verloren, will ich – voraussichtlich in kürze – in Teil 3 meiner Beitragsreihe eingehen. Im Bezug auf die Frage, ob es im wikingerzeitlichen Skandinavien reale Entsprechungen zum literarischen Motiv der "Schildmaid" gegeben hat, sehe ich die Frage nach dem "Missing Link" hingegen anders. Gäbe es einen archäologischen Fund, der zweifelsfrei belegt, dass es eine Frau gegeben hat, die diesem Bild eines "weiblichen Wikingerkriegers" entsprochen hat, müsste man meines Erachtens die zahlreichen Funde von Frauengräbern mit Waffenbeigaben noch einmal dahingehend überprüfen, in wieweit sie dem jener – bislang ja hypothetischen – "realen Schildmaid" entsprechen und bei weitreichender Übereinstimmung deren Einordnung überdenken. Das wird also selbst im Falle eines neuen Fundes ein längerer wissenschaftlicher Prozess werden. ;) Mit dem Motiv der "Schildmaid" einerseits und der Frage nach deren Historizität andererseits befasst sich übrigens auch die wissenschaftlichen Studie "Shieldmaidens in the Gesta Danorum (I-IX) The collective literary imaginary and history" von Francesca Zappatore. Nun zur ersten Frage:
sind die Quellen denn überhaupt präzise genug um aus dem Bereich des "Möglichen bis Wahrscheinlichen" heraus zu kommen?
Wie oben bereits erwähnt, gehe ich davon aus, dass für eine Reihe von Fällen die Verlässlichkeit der schriftlichen Quellen hinreichend ist, um aus diesem Bereich herauszukommen. Für das wikingerzeitliche Skandinavien stellt sich allerdings das Problem, dass die dortige Geschichte bis ins Hochmittelalter hinein lediglich mündlich in Form der Sagas überliefert wurde. Die Niederschriften so grundlegender Werke wie der "Gesta Danorum" und der "Edda" fanden meines Wissens erst im 13. Jahrhundert statt. Dabei ist es offenbar schwierig einzuschätzen, welche Teile der Überlieferungen sich auf reale Begebenheiten und Personen beziehen und welche mythischen Charakter haben. Anhand der Schriftquellen allein scheint die Historizität von "Schildmaiden" gegenwärtig also nicht verifizierbar zu sein. Die verzwickte Befundsituation hat mich schon wiederholt darüber nachdenken lassen, was eigentlich notwendig wäre, um die Existenz einer "Schildmaid" zweifelsfrei zu belegen und ob ein derartiger Nachweis überhaupt möglich ist. Dazu vielleicht an anderer Stelle nochmal mehr… Noch ein paar Worte zu meinen Beweggründen, mich mit dem Thema "kämpfende Frauen im Mittelalter" zu befassen: Ja, ich gebe es zu: Ein Grund ist, dass ich am liebsten eine (biologische) Frau in einer Männerrolle darstellen würde. Genauer gesagt würde ich – wie vermutlich die meisten anderen auch – gerne eine Person darstellen, deren Geschlechtsidentität mit meiner eigenen übereinstimmt. In meinem Fall bedeutet das: biologisch weiblich, Transgender und nichtbinär – aber im mittelalterlichen System der Geschlechterrollen nunmal definitiv nicht weiblich. (Alternativ ziehe ich nun auch eine männliche Darstellung in Betracht.) Aber auch über eine etwaige Mittellalterdarstellung hinaus interessiert mich das Phänomen der "kämpfenden Frauen" und generell die Frage, unter welchen Umständen es für Menschen möglich war, die Grenzen der zugewiesenen Geschlechterrolle zu überwinden. Als "NB" – also in meinem Empfinden weder eindeutig weiblich, noch männlich – bewege ich mich schon mein Leben lang in diesem Raum "zwischen den Stühlen" der Geschlechterrollen und interessiere mich deshalb besonders – und auch aus wissenschaftlichen Perspektiven betrachtet – für diesen Bereich von "Gender". Soweit für heute. An Thirk und Dunio schonmal Danke für eure Beiträge, dazu morgen mehr… Mit freundlichem Grinsen Ilka :bye01
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Liebe Ilka, herzlichen Dank für deine umfangreichen Ausführungen! Es gefällt mir gut das du hier nicht die üblichen populär halbwissen Argumente anbringst um mit Gewalt etwas begründen zu wollen damit es nach heutigem Geschlechterverständnis passt. :thumbsup:
 
Da du ja auch Bogenschütze im hundertjährigen Krieg erwähnt hast, wäre für dich vlt interessant zu wissen das auch Frauen im "Array" angenommen wurden. Die Quote war nun nicht allzu hoch. Beim "view of arms" in Bridport 1457 erschienen 197 Männer und 4 Frauen.
Das ist tatsächlich eine neue und hochinteressante Info für mich! :thumbsup: Ich habe die entsprechende Passage aus "Arrowstorm – The World of the Archer in the Hundred Years War" (Richard Wadge) in Google Books gefunden: Die Musterung fand offenbar als Reaktion auf einen französischen Überfall auf die Stadt Sandwich statt. Da es sich um einen Fall von Heimatverteidigung handelte, fand die Einberufung nach dem "Commission of Array"-System statt. In diesem System musste jeder Mann zwischen 16 und 60 Jahren mit einem Jahreseinkommen zwischen 2£ und 5£ bei Bedarf als Bogenschütze Dienst tun (bzw. einen Bogenschützen ausrüsten und stellen). Bei der Musterung wurde üblicherweise auch die Tauglichkeit der Bogenschützen überprüft. Auf diesem Hintergrund vermute ich, dass es sich bei den 4 in der Musterungsrolle aufgeführten Frauen um Fälle von Witwen handeln könnte, die die Dienstverpflichtungen ihrer verstorbenen Ehemänner persönlich erfüllten. Äußerst bemerkenswert erscheint mir, dass diese Frauen in der regulären Truppe "Dienst an der Waffe" leisteten und dies mitnichten in einer Notsituation, in der es um Leben und Tod ging. Das heißt, es wurde seitens des mit der Musterung betrauten Ministeriales akzeptiert, dass eine Frau diesen Dienst anstelle eines Mannes leistete. Zudem waren diese Frauen offenbar hinreichend geübt im Umgang mit kriegstauglichen Bögen, da sie andernfalls wahrscheinlich nicht in den "Array" aufgenommen worden wären. Es scheint also unter gewissen Umständen akzeptabel gewesen zu sein, dass eine Frau Militärdienst leistet – und das zu einer Zeit (1457), in der die Rollenbilder schon sehr streng waren. An anderer Stelle im gleichen Buch habe ich übrigens noch einen interessanten Hinweis gefunden: Ein Statut aus dem Jahr 1511 legt fest, dass – im Sinne der Nachwuchsausbildung – jedes Kind im Alter zwischen 7 und 17 Jahren einen Bogen und 2 Pfeile besitzen sollte. An dieser Stelle ist kein Geschlecht spezifiziert! Das könnte ein weiterer Hinweis sein, der dafür spricht, dass Mädchen und Frauen Zugang zu zur Ausbildung mit Pfeil und Bogen hatten. Notizen auf meiner Recherche-To-Do-List:
  • Bogenausbildung von Frauen der einfachen Bevölkerung? (England, HoMi u. SpäMi)
  • Militärdienst von Frauen als Bogenschützen? (Weitere Fälle? Offizielle Regelungen?)
    • Musterungsrollen durchforsten
  • Mögliche Auswirkung der Pest-Epidemie (1349) auf den Personenkreis, aus dem rekrutiert wurde?
Seeehhhr spannend!
Also bezüglich Quellen, Chroniken und co, ich denke um als Frau in die Annalen einzugehen, muss diese schon was außergewöhnliches, geleistet haben bzw. vom Stand darstellen. Also zumindest weit über das der männlichen Kollegen abgelieferte.
Da bin ich mir nicht so sicher. Ich vermute, dass "kämpfende Frauen" schon aufgrund des Seltenheitswerts solcher Fälle Aufsehen erregten und aus diesem Grund Erwähnung fanden, insbesondere als sich zum späteren Mittelalter hin die Haltung gegenüber "kämpfenden Frauen" änderte. Allerdings finden sich in den Berichten über einige solcher Frauen auch Beschreibungen, die durchaus zum Ausdruck bringen, dass diese den Männern das Wasser reichen konnten: "In Italy, the Lombard princess Sichelgaita was said to present a 'fearsome' sight when dressed in full armor, and was credited with rallying her husband’s men at the siege of Durazzo in 1081 by chasing after them on horseback and threatening them with her spear. Similarly, the countess Adelaide, a 'very military lady,' played an important role in the politics of Milan in the mid-eleventh century. [...] In the early thirteenth century Countess Blanche of Champagne campaigned for years on behalf of her infant son. As one chronicler noted approvingly, 'she triumphed over her enemies in a manly and energetic fashion.'" Quelle: Megan McLaughlin: " The woman warrior: gender, warfare and society in medieval Europe" In: "Women's Studies", vol. 17, 1990, p. 193-209 Soweit für den Moment, nachher kommt noch mehr (Stichwort schwertkämpfende Frauen…) MfG Ilka :bye01
 
Vielen Dank, dass du deine mühevoll zusammen getragenen Erkenntnisse mit uns teilst. :danke Und dann auch noch so verständlich formulierst. Ein sehr spannendes Thema, das viele bewegt. Ich bin über den Schwertkampf zum generellen "Hobby Mittelalter" gekommen und habe schon immer in Frage gestellt, wie authentisch mein Schwertkampfwissen ist. Also hat sich meine Darstellung erstmal ohne Schwertkampf weiter entwickelt. Vielleicht ändere ich das mal in naher Zukunft ;)
 
Vor einiger Zeit hatte mal ein US Fernsehmoderator mit unsinnigen Halbwissen über Schwertkampf auf sich aufmerksam gemacht und sein Fazit war - girls can't swordfight.
Na, dem hat hoffentlich mittlerweile ne HEMA-Schwertmaid ordentlich die Hucke voll gehauen! :ritter15
Darauf hin haben einige Vereine der HEMA-Szene über kämpfende Frauen recherchiert. Für den europäischen Raum sind leider erst ab der Renaissance bis in die Moderne Duelle dokumentiert, in denen eine Frau ihren Gegner getötet hat.
Das klingt interessant, hast du da zufällig irgendwelche Links? Oder Namen von den Vereinen?
Im Towerfechtbuch von 1320 ist zwar eine Frau abgebildet, die Schwertkampf erlernt aber es ist nicht unstrittig, ob dies eine real existierende Person gewesen sei.
Ja, das war mir auch schonmal untergekommen. Leider scheint zum Hintergrund der wehrhaften Dame nichts weiter bekannt zu sein. Habe die Abbildungen in den zugehörigen Wikipedia-Artikeln gefunden: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Manuskript_I.33 https://en.m.wikipedia.org/wiki/Royal_Armouries_Ms._I.33 In ihrem "Buch von der Stadt der Frauen", einem Handbuch für Frauen aus dem Jahr 1405, empfiehlt die Autorin Christine de Pizan, dass die Ehefrau eines Edelmanns praktisches Wissen in Kriegsführung und im Umgang mit Waffen haben sollte, um bei Bedarf ihre Leute anführen zu können. (Dazu in kürze mehr in Teil 3 meiner Beitragsreihe zum Thema "Militärische Ausbildung von Frauen".) Womöglich sind das Bild aus dem Tower-Fechtbuch und die genannte Empfehlung gleichsam entfernte Puzzleteile aus einem gemeinsamen Bild? Meine Recherchen zu diesem "Bild" werden auf jeden Fall weitergehen. MfG Ilka :bye01
 
Liebe Ilka, herzlichen Dank für deine umfangreichen Ausführungen! Es gefällt mir gut das du hier nicht die üblichen populär halbwissen Argumente anbringst um mit Gewalt etwas begründen zu wollen damit es nach heutigem Geschlechterverständnis passt. :thumbsup:
Freut mich sehr, dass das rüberkommt. ^^ Hab mir im Vorfeld ja die bestehenden Threads zu der Thematik durchgelesen und wollte vermeiden, wieder eine Diskussion loszutreten, die sich weitgehend auf Allgemeinplätze und wilde Mutmaßungen beschränkt. Ich halte es für möglich, dass unser heutiges Bild der Geschlechterrollen im Mittelalter durch das sehr rigide Rollenbild verfälscht wurde, mit dem die frühen Archäologen und Geschichtswissenschaftler an die Sache herangingen. So z.B. die Einordnung des Birka-Grabes Bj.581 als Grab eines - natürlich männlichen - Kriegers nur aufgrund der gefundenen Waffen. Und auch das überlieferte Mittelalter wurde von Epoche zu Epoche immer wieder neu interpretiert. Das Ergebnis dürfte ähnlich sein wie beim Spiel "Stille Post". ;) Mich interessiert, - insbesondere für den Bereich der Geschlechterrollen - herauszufinden, was wir tatsächlich aufgrund der Quellen und Funde aus der damaligen Zeit wissen und wo etwas auf dem Weg durch die Jahrhunderte "hinzugedichtet" oder "umgedichtet" wurde. Diese Diskussion hier empfinde ich dabei als sehr hilfreich, da ich gewissermaßen "gezwungen" bin, die Vorstellungen und Bilder, die während meiner Recherchen in meinem Kopf entstanden sind, in Worte zu fassen und zu schauen (und von euch schauen zu lassen), ob sie dann immernoch schlüssig wirken (und an welchen Stellen ggf. auch nicht). Danke für eure Hilfe! MfG Ilka :bye01
 
Ganz besonders Grabbeigaben sollte (bzw. muss man fast schon zwingend) mit einer ganz gehörigen Portion Quellenkritik betrachten und bewerten. Da gibt es auf der einen Seite Funde, die sich recht zweifelsfrei einem bestimmten Geschlecht zuordnen lassen. Nehmen wir hierzu als Beispiel einfach mal paarige Dosenfibeln. Die wurden ausschließlich von Frauen getragen (Crossdressing und/oder Transgender ist für die Gesellschaftsformen des Frühmittelalters sehr unwahrscheinlich). Also deutet ein solcher Fund mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine weibliche Bestattung hin. Bei allen anderen Beigaben (speziell hier für dieses Thema Waffen jeder Art) sind sehr viele offene Fragen, zu denen wir heute meist keine Antwort wissen. Was möchte der Tote durch die Beigaben über sich aussagen? Welches Bild möchte er dabei von sich vermitteln? Was wollen die Hinterbliebenen mit den Beigaben über den Toten erzählen? Was 'müssen' sie (gesellschaftliche Zwänge) eventuell gegenüber dem sozialen Umfeld des Toten aussagen? Welche Rituale bei der Bestattung spielen ggf. eine Rolle? Welche religiösen Aspekte kommen zum Tragen? Solange wir alle diese Punkte nicht sicher beantworten können (und gerade familiäre und persönliche Aspekte KÖNNEN wir nicht beurteilen, da uns dazu jegliche Informationen fehlen), sagt ein Schwert in einem Grab einfach nur einen Scheiß aus. Nicht mehr und nicht weniger. Höchstens vielleicht, dass irgendwer im Umfeld des Toten wohlhabend genug war, diesem ein Schwert mit ins Grab zu geben. Alles andere ist reine Spekulation. Ansonsten - eine tolle und hochinteressante Recherche betreibst Du da. Klasse gemacht. Schön nüchtern und faktenbasiert. Gefällt mir gut ;-)
 
@Fifill Die Namen hab ich nicht parat - habe das auch nur anfangs verfolgt, weil gefühlt jeder einschlägige YouTube Kanal darüber was gemacht hatte. Tante Google findet da schnell erste Spuren, wenn du "girls can't swordgight" eingibst und den weiteren Links folgst...
 
@Hendrik: Zunächst einmal vielen Dank für deine anschauliche Beschreibung zur Problematik der Interpretation von Grabbeigaben. Und dann leider auch der Demonstration genau des Denkfehlers, der ein wesentlicher Grund für meine Recherchen ist:
Da gibt es auf der einen Seite Funde, die sich recht zweifelsfrei einem bestimmten Geschlecht zuordnen lassen. Nehmen wir hierzu als Beispiel einfach mal paarige Dosenfibeln. Die wurden ausschließlich von Frauen getragen (Crossdressing und/oder Transgender ist für die Gesellschaftsformen des Frühmittelalters sehr unwahrscheinlich). Also deutet ein solcher Fund mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine weibliche Bestattung hin.
Woher glauben wir denn zu wissen, dass Crossdressing/Transgender für die damalige Gesellschaftsform unwahrscheinlich war? Personen mit einer Transgender-Geschlechtsidentität gibt es zweifelsohne schon so lange es Menschen und Geschlechterrollen gibt. Die Frage ist lediglich, inwieweit und wie die betreffenden Personen dies ausgedrückt haben. Und auch die Gründe für Crossdressing können vielfältig sein. Tatsächlich gibt es diverse wikingerzeitliche Grabfunde von männlichen Skeletten, bei denen ausschließlich die für Frauen typische Grabbeigaben gefunden wurden. Der Artikel "Transvestite Vikings?" (Tina Lauritsen, Ole Thirup Kastholm Hansen, Viking Heritage Magazine 1/03, S. 14-17) beleuchtet die Probematik von geschlechtsuntypischen Grabbeigaben und der damit verbundenen Denkfehler sehr treffend. "These examples illustrate the unreliability of archaeological sex determination. This method involves a great risk of making ethnocentric interprecations of the prehistory. Gender is culturally constructed and beliefs about the nature of females and males vary between different cultures. These beliefs affect the attitudes each sex holds about the other and the behaviour each sex adopts toward the other. The danger of archeological sex determination is that the archeologist risks confusing the beliefs and practises of his or her own culture with those of the prehistoric culture inquestion. Most people's ideas about what is natural for humans to think and do, or not, are products of enculturationinto a specific culture at a particular time. Our ideas and the practices of our own society are not meanings that can be inferred from prehistorical burrial customs. Things are not always as simple as they seem. And identifying graves with confusing gender characteristics gives us a warning to be morecareful in relying exclusively on archaeological sex determination in fucure research." "Transvestite Vikings?" (Tina Lauritsen, Ole Thirup Kastholm Hansen, Viking Heritage Magazine 1/03, S. 14-17) Aaargh! Hab versehentlich auf "Absenden" geklickt. X/ Gleich geht's in nem neuen Post weiter.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das Problem entsteht dadurch, dass jeder von uns sehr starke und größtenteils unbewusste Vorstellungen von "Sex und Gender" - also dem biologische Geschlecht und den dazugehörigen Rollenbildern - hat, die uns durch die Gesellschaft "eingeprägt" wurden, der wir entstammen. Wenn wir diese als Ausgangspunkt nehmen und auf eine andere Gesellschaft anwenden - beispielsweise die im wikingerzeitlichen Skandinavien - kommt dabei zwangsläufig ein verfälschtes Bild heraus. So weit erstmal... MfG Ilka :bye01 PS:"Archeological sex determination" bezeichnet die Identifikation des Geschlechts einer bestatteten Person anhand von geschlechtstypischen Grabbeigaben.
 
Moin, Beim Schmuck der Wikis muss man sowieso aufpassen da es auch die Wiederverwendung von Teilen gab die ursprünglich nicht als Schmuckstück gedacht waren. Ich denke da an Beschläge von Pferde geschirren die als Riemenverteiler, Fibeln oder Talisman weiter genutz wurden und somit die genderspezifische Zuordnung schon schwerer fällt.
 
Bin gerade schon wieder über einen weiteren möglichen Fall einer "kämpfenden Frau" gestolpert, der dem der 4 Frauen in der Musterungsrolle von Bridport (1457) ähnelt: In einer Musterungsrolle der Stadtmiliz von Norwich aus dem Jahr 1355* tauchen 2 Frauennamen auf: "Leticia King's servant, with staff and dagger. Petronilla de Bokenham is to find a man with staff and dagger." Besonders interessant finde ich, dass für die eine Frau (Petonilla) klar angegeben ist, dass sie einen Mann finden soll, der an ihrer Stelle den Dienst in der Miliz leistet, während für die andere Frau (Leticia) lediglich die Ausrüstung angegeben ist, mit der sie erscheinen soll. Es scheint also nicht abwegig zu sein, dass sie dieser Verpflichtung persönlich nachkam und dies auch seitens der Offiziellen akzeptiert wurde. Damit könnte es sich um einen weiteren Fall handeln, in dem eine alleinstehende Frau aufgrund ihres Standes - hier als freie Bürgerin der Stadt Norwich - aufgefordert war, in einer regulären Truppe "Dienst an der Waffe" zu leisten. *Siehe dort: http://users.trytel.com/~tristan/towns/florilegium/government/gvdef05.html Die Musterungsrolle stellt offenbar einen Register all jener freien Bürger der Stadt dar, die zum Dienst in der Miliz verpflichtet waren und gibt an, welche Art von Ausrüstung der Betreffende bereithalten sollte. Hinzu kommen Notizen, die offenbar während der Tatsächlichen Durchführung der Musterung ergänzt wurden.
 
@Fifill - Der Artikel ist interessant, danke Dir für den Link. Einige Probleme bei der Beurteilung von Gräbern werden von den Autoren bereits selbst aufgeführt. Instinktiv machen viele Menschen den Fehler, aus den Grabbefunden direkte Rückschlüsse auf das Leben des Verstorbenen zu ziehen oder ziehen zu wollen. Auf diesen Denkfehler bauen dann auch die weiteren Schlüsse auf, die dadurch nicht richtiger werden können. Nehmen wir das eine im Artikel genannte Beispiel der Frau, die mit drei Äxten gefunden wurde. Die einzigen harten Fakten wären: Frau im Grab, drei Äxte im Grab. Mehr nicht. Punkt aus. Gehörten die Äxte der Frau? Hat sie damit gekämpft? Hingen die Dinger bei ihr Zuhause als Deko an der Wand? Waren es überhaupt ihre Äxte? Haben sie vielleicht auch nur einem Verwandten gehört, der sie als Grabbeigabe der Toten einfach nur als wertvolles Gut mit ins Grab gelegt hat? Hatte die Frau vielleicht drei Söhne, hat durch Verlust des Ehemannes die Männerrolle mit übernommen, und die Söhne haben ihrer Mutter die Äxte deswegen als Symbol mit hinein gelegt? Alles das wissen wir nicht. Das ist pure Spekulation. Andersrum genau das gleiche. Männergrab mit weiblichen Beigaben. Wir haben nicht den Hauch einer Ahnung, warum diese Beigaben mit im Grab sind. Haben diese Beigaben einen Bezug zum Leben? Vielleicht ja, vielleicht auch nein. Was bedeuten diese Beigaben für das Leben des Verstorbenen? Bedeuten sie überhaupt etwas? Wissenschaftliches Arbeiten orientiert sich rein an den Fakten, und an eindeutigen und nachvollziehbaren Schlüssen. Wunschdenken hat da nicht viel verloren. Das sieht man wunderbar am 'Kriegerinnengrab' aus Birka. Man möchte eine bestimmte Tatsache belegen, und biegt sich die Belege dann so, dass sie zur eigenen Theorie passen. Damit möchte ich keinesfalls einen Rollentausch in Frage stellen, denn sowas kennen wir ja bereits seit dem alten Ägypten. Nur erachte ich sämtliche Schlussfolgerungen aus Gräbern aus o.g. Gründen als sehr kritisch. Wesentlich belastbarer sind da die schriftlichen Quellen zum Leben der Menschen, die Du mehrfach angeführt hast. DIESE beschreiben das Leben und die Umstände um Längen besser und valider als Grabbefunde.
 

Neueste Beiträge

Oben