Andreas
Well-known member
Andy Ollinger (der Töpfer des Campus) antworte am 04.08.2013 auf der Facebook-Seite der Karolingischen Klosterstadt auf die Kritik eines unzufriedenen Besuchers mit folgendem Posting. Ich erlaube mir, es vollständig zu zitieren, weil es nicht nur sehr schwer zu finden ist (und nicht zu verlinken), sondern m.E. auch sehr gut illustriert, wo unter anderem die Probleme mit dem Campus Galli liegen:
Sehr geehrter Herr Throscher, vielen Dank ersteinmal für Ihre konstruktive Kritik! Ich als Angestellter der Klosterstadt möchte hier kurz auf die von Ihnen angesprochenen Themen eingehen. Thema "moderne Schmiede": Hiergegen möchte ich mich entschieden wehren. Wir haben in wochenlanger, harter Arbeit eine Grube ausgehoben (die Schmiede ist ein klassisches Grubenhaus), Bäume gefällt, Pfosten geschlagen, Baumstämme gehievt, zu einem Dach zusammengebunden (mit Hanfseil), mit einer wasserabweisenden Schicht aus unserem Lehm beschmiert und das Dach mit einer dicken Schicht Moos und anschliessend mit Humus gedeckt. Der Innenausbau erfolgte ebenfalls mit von Hand gefällten Baumstämmen, Lehmwänden, von unseren Steinmetzen bearbeiteten Steinmauern die wiederum mit Lehm verfugt sind und einer Steintreppe die selbstverständlich auch von unseren Steinmetzen geschlagen wurde. Thema "Pedalantrieb": Ja, der Schmied hat während der ersten Wochen eine relativ moderne (pedalbetriebene Feldessen gibt es seit etwa der Jahrundertwende 19 - 20 Jhd.) Esse benutzt, aus dem einfachen Grund dass wir zuerst die Rückwand aus Stein mauern mussten, um dann dort eine authentische Esse des 9. Jahrhunderts aufbauen zu können. Da bereits während der Bauzeit der authentischen Esse auf der restlichen Baustelle Schmiedearbeiten benötigt wurden, hat man auf diese Notlösung zurückgegriffen. Im 9. Jhd gab es ja schliesslich auch andere, bereits existierende Schmieden die die benötigten Arbeiten erledigten, während andernorts eine neue Schmiede gebaut wurde. Da wir (meines Wissens nach) im Umkreis die einzige Esse im Stil des 9. Jahrhunderts haben, gab es keine Möglichkeit während des Baus unserer Esse, die Schmiedearbeiten mit einer authentischen Esse zu erledigen. Thema "T-Shirt": Ich arbeite seit Beginn beim Campus Galli und kann Ihnen versichern, die einzigen die mit T-Shirts herumlaufen, sind die Gäste. Nicht nur ist es uns (logischerweise) untersagt in T-Shirts rumzurennen, es ist sogar Abmahnungsgrund. Wir tragen alle (!) handgenähte Leinenhemden und Leinenkleider. Die einen länger, die anderen kürzer. Und dass der Schmied nicht mit einem langen, wallenden Leinenhemd an der bis zu 2500° heissen Schmiedeesse steht, versteht sich aus Arbeitssicherheitstechnischen Gründen von selbst. Thema "Mittelalter haben wir uns anders vorgestellt, und kennen es auch anderst": Wir sind gerne und jederzeit dazu bereit zu lernen. Vor allem aus unseren Fehlern. Unser Projekt war zum Zeitpunkt Ihres Besuches 4 Wochen alt und wir lernen tagtäglich dazu. Wenn Sie uns Quellen zukommen lassen würden, woher und wie Sie das frühe Mittelalter anders kennen, versichere ich Ihnen, wir werden unser Möglichstes tun, um diese Fehler auszumerzen. Thema "weite Wege": Ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Die Verwirklichung des St. Galler Klosterplans ist in der Tat ein Mammutprojekt. Eine komplette Stadt mit über fünfzig Gebäuden zu bauen, mit dazugehörigen Äckern, Feldern und Weideflächen wird niemals auf der Fläche eines Tennisplatzes machbar sein. Unsere Werkstätten sind so gebaut, dass im Inneren des Rundweges die Klosterstadt entstehen wird. Er ist quasi als "Ringstrasse" um die Baustelle angelegt, dies bedeutet im Moment tatsächlich dass man einen erweiterten Spaziergang im Wald, bei Vogelgezwitscher und Natur in Kauf nehmen muss. Hierfür möchte ich mich entschuldigen. Thema "nirgendwo ist wirklich was los": Ich weiß leider nicht an welchem Wochentag Sie uns besucht haben. Sollte dies an einem Wochenende (Samstag oder Sonntag) gewesen sein, möchte ich kurz erläutern, wieso so wenig los war. Wir Angestellten haben im Wechsel je ein Wochenende im Monat frei. Momentan haben wir leider noch nicht genug Personal, um die dann brach liegenden Werkstätten zu besetzen. Dies wird sich mit der Zeit selbstveständlich ändern. Sollten Sie an einem Wochentag bei uns zu Gast gewesen sein, liegt die Vermutung nahe, dass Sie in unserer Mittagspause (zwischen 13 und 14 Uhr) da waren. Während der Pause sind die Werkstätten tatsächlich nicht besetzt, dies ist aber auch deutlich am Eingang ausgezeichnet. Sollten Sie ausserhalb der Mittagspause Werkstätten unbesetzt vorgefunden haben, kann ich mir dies nur folgendermaßen erklären: Der Arbeiter war gerade bei einem der anderen Handwerker (manchmal muss man z.B. zu den Schreinern laufen um einen Axt- oder Hammerstiel reparieren zu lassen, zum Schmied um das Steinmetzwerkzeug zu erneuern, Arbeitsmaterial bei der Seilerei oder dem Drechsler in Auftrag zu geben o.ä.). Desweiteren gibt es Arbeiten (Steine hin- und herbewegen, Baumstämme schleppen usw) bei der man einfach ein weiteres Paar Hände braucht. Da wir wie gesagt im Moment noch recht wenig Personal sind bedeutet dies, dass man sich einen der Arbeitskollegen "ausleihen" muss. Wie sie bereits festgestellt haben, sind die Wege auf der Baustelle recht weit, somit kann es in der Tat passieren dass eine der Stationen für 10 oder 15 Minuten nicht besetzt ist. Dies ist sicherlich so nicht gedacht und definitiv auch nicht im Interesse der Besucher, lässt sich momentan aber leider nicht vermeiden. Auch hierfür möchte ich mich entschuldigen. Möglicherweise war der Handwerker auch gerade schlicht und einfach auf der Toilette. Sollte all dies nicht zutreffen und die Werkstatt aus einem unerklärlichen Grund nicht besetzt gewesen sein, kann ich Ihre Verärgerung voll und ganz verstehen und werde dies bei der nächsten Personalbesprechung ansprechen. Thema "Schauspieler": Wir sind keine Schauspieler, wir sind Handwerker. Hart arbeitende Handwerker. Sollte dies anders herübergekommen sein und einer der Angestellten saß dem Anschein nach nur Faul in der Gegend herum, hat er sich wahrscheinlich gerade Ausgeruht. Ich gebe zu daß auch ich dies gelegentlich tue, wenn die Blasen an den Händen aufgeplatzt sind, der Rücken höllisch schmerzt, oder weil die Kondition einfach nicht mehr das ist, was sie einmal war. Auch auf die Gefahr hin dass es weinerlich klingt, aber es ist wirklich körperlich verdammt anstrengende Arbeit. Mich persönlich würde allerdings interessieren wie sich diese "Schauspielerei" kenntlich gemacht hat, denn dies ist nun wirklich nicht Sinn des Projektes. Und ich wäre auch sauer wenn ich mir im Schweiße des Angesichtes den Allerwertesten aufreisse, während andere Kollegen nur Schauspielern. Hierzu bitte ich um eine kurze Stellungnahme. Thema "mürrisches Personal": Dieses Problem ist uns bekannt und es wird dagegen vorgegangen. Okay, das war jetzt etwas ungeschickt ausgedrückt, es wird niemand gehängt. Will sagen: Sie sind -leider- nicht der erste der uns dies mitteilt und wir sind dran. Ich möchte mirch hiermit für meine Arbeitskollegen entschuldigen. Es ist nun wirklich kein Spaß teures Geld für den Eintritt zu bezahlen und dann mürrischen Angestellten zu begegnen. Ich bitte Sie nochmals um Verzeihung. Thema "das Gefühl als Familie zu stören und nicht zufriedenstellendes Verhalten den Kindern gegenüber": Ich muß gestehen, hierzu habe ich keine Antwort. Dies ist absolut inakzeptabel und wird von mir angesprochen. Ich möchte mich als Angestellter nochmals für Ihr Ansprechen der Probleme bedanken. Es ist nicht Sinn der Sache die Besucher zu verprellen. Wenn die Gäste nicht mehr kommen sind wir alle arbeitslos und darauf habe ich nun wirklich keine Lust. Abgesehen davon wäre es Schade, wenn dieses geniale Projekt den Bach runter geht. Andererseits muss ich auch eingestehen, dass wir -genau wie jedes Großprojekt- noch an Kinderkrankheiten leiden. Wir sind mit vereinten Kräften daran diese zu beheben und allen Besuchern einen erfreulichen Tag zu bescheren. Ich würde mich sehr freuen wenn Sie uns im Laufe der Zeit eine zweite Chance gäben. Mit freundlichen Grüßen, der Töpfer Andy Ollinger