In der modernen Medizin hat die Harnschau tatsächlich noch ihren Platz - weniger bei den Ärzten (wann wäre ich das letzte Mal vom Doc gefragt worden:"Sagen Sie mal, Frau H., wie sieht denn Ihr Urin aus?"), aber durchaus bei den Pflegekräften. In meiner Ausbildung zur Altenpflegerin, und die ist mitnichten ein halbes Leben her, habe ich noch in der Prüfung die verschiedenen Eigenschaften des Urins herbeten müssen: Vom reichlichen, wasserklaren Harn bei Diabetes über Blutspuren, Trübungen, Flocken, dem dunklen schaumigen Urin bei Leberzirrhose bis zu den verschiedenen Färbungen, welcher Urin bei den verschiedensten Medikamenten annehmen kann. Ebenso gehörte zur Ausbildung die Kenntnis über Sputum, Hautfarbe und -temperatur, ob sie klebrig-feucht oder eher trocken, samtig, pergamenten, mit stehenden Falten... sei und so fort. Auf sowas gründet sich natürlich nie eine Diagnose, allenfalls ein Anfangsverdacht. Aber bei der Beurteilung, ob man über bestimmte Erscheinungen bei nächster Gelegenheit den Arzt informiert oder gleich den Notarzt ruft, sind solche augenscheinlichen Anzeichen und ihre Kenntnis Gold wert.