Das Für und Wider des gemeinen Trinkhornes

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Saxnoth

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Auf den Wunsch unserer beliebten Petruschka eröffne ich also hiermit den Trinkhornthread. Und ich würde einmal vorschlagen am Anfang der Geschichte des gemeinen Trinkhornes zu beginnen nämlich im Neolithikum (auch wenn dies ein MA-Forum ist). Alsop am Anfang des Seins für das Trinkhorn, denn ich denke mal dadurch kommt man dann auch an den Sinn des Daseins von Trinkhörnern heran. Es grüßt der Saxnoth
 
"Obwohl die Erforschung des historischen Prozesses noch aussteht, muss davon ausgegangen werden, daß die Sitte aus kostbar verzierten Hörnern zu trinken durch griechische Vermittlung zu den "frühen Kelten" gelangt ist (Krausse-Steinberger 1992). Ausgehend von Ionien verbreitete sich in der 1. Hälfte des 6. Jhdt. v. Chr. eine regelrechte Trinkhornmode in Griechenland und Italien, spätestens 550 vor Chr. fand das Trinkhorn Eingang in die Etruskischen Symposien. Auf zahlreichen Vasengemälden aus dieser Zeit sind hinter den Klinen der Zecher große Trinkhörner an der Wand aufgehängt - eine Parallele zur Befundsituation für das Fürstengrab Hochdorf/Enz. An der Wand der Grabkammer waren acht verzierte Hornscheiden vermutlich vom Auerochsen aufgehängt, sowie ein weiteres Horn aus Eisen mit Goldverzierung. Zu diesem Stück sind bisher keine Parallelen bekannt (Biel 1998) . Trinkhornbeschläge sind regelhaft in reichen frühlatènezeitlichen Bestattungen nachgewiesen. ....... Die "Trinkhorn-Mode" verschwindet mit dem 4.Jhdt. vor Chr. im keltischen Raum. Vereinzelte Trinkhornbeschläge aus Gräbern und Siedlungen, datiert in die letzten Jahrzehnte vor Chr., gehen vermutlich auf germanische Anregungen zurück (Krause-Steinberger 1992)." Zitat aus einem Beitrag von Stefan Jaroschinski & Sylvia Crumbach im Buch "Bunte Tuche gleißendes Metall - Frühe Kelten der Hallstattzeit" herausgegeben vom Keltenmuseum Heuneburg Ich habe dieses Zitat ja im alten Thread schon mal eingestellt. Für Wikinger habe ich leider keine Belege weiß nur von früherer Bekanntschaft mit Rurik von den 1. Kölner Wikingern, daß es angeblich welche gibt. Für den Smiley noch mal entschuldigung, mein Computer spinnt manchmal, es heißt Biel 1998.
 
Also ich habe jetzt auch mal ein wenig geforscht, und mir ist bisher in allem was mir so an Fachliteratur vorliegt, kein sicher glaubhaft archäologischer Befund untergekommen. Und ich meine : Abbildung und Beleg, daß es sich wirklich um Horn und nicht um anderes Material handelt. Gerade bei den Wikingern ist uns soviel organisches Material erhalten, daß doch irgendwo und irgenwie, und sei es nur als Fragment, ein Horn nachzu weisen sein müßte wenn es sie gäbe. Hörner aus anderen Materialien sind nachgewiesen und in Funden belegt, und Trinkhörner aus echtem Horn tauchen auch in der Neuzeit gerne als Prunk- und Repräsentationsgefäße genutzt. Aber wo bleibt das Horn bis ins MA ? Ich hoffe ich kann hier mein Wissen etwas erweitern und baue dad schwer auf Eure guten Hinweise.
 
so ich zitiere mich nun mal selbst: Im Grab der "Dame von Gausel" lagen gleich 3 Stück drinnen (http://www.gausel.no/) (Datierung 850-860hr.) Gausel bei Stavanger, Norwegen. Zumal auf dem Ockelbo-Stein (das mit dem Hnefatafl Brett drauf) KLICK und der Herr rechts auch ein Trinkhorn in der Hand hält. Auf einigen der Gotländischen Bildsteine sind auch welche zu sehen. Auch auf dem Teppich von Bayeux: KLICK Dazu noch diverse als Walküren gedeutete Frauenfigürchen mit Trinkhörnern in der Hand. Im britischen Museum in London kann man Angelsächsische Trinkhörner (bzw. deren Reko) mit Silbernen Beschlägen begutachten (6.jhd), ebenso die aus dem Grab von Sutton Hoo (Material: Auerochse) Wörtliche Erwähnungen auch in der Beowulf-Sage (Entstehung 600-700 n.chr.) und in der Guðrúnarkviða (ca. 1000 n.Chr.) [21] Grimhild brachte den Becher mir dar, Den kalten, herben, daß ich Harms vergäße. Der Kelch war gekräftigt aus der Quelle Urds, Mit urkalter See und sühnendem Blut. [22] In das Horn hatten sie allerhand Stäbe Röthlich geritzt; ich errieth sie nicht. Den langen Lindwurm des Lands der Haddinge, Ungeschnittne Aehre und Eingang von Thieren. Gotländischer Bildstein Fund in Vinjum, Aurland (Westnorwegen) im Museum in Bergen zu bewundern: Klick (gross!) Randbeschläge und Aufhängung sind auch noch erhalten. Ich hatte noch irgendwo ein Frauengrab in Birka mit Horn, muss aber die Quelle suchen. Im Museum in Stockholm gibts übrigens auch jede Menge Trinkhörner von der Eisenzeit an ... Mich bitte nicht falsch verstehen, ich bin kein "ständig Trinkhorn am Gürtel" Verfechter, sondern trinke auch lieber aus Tonbechern und dergleichen^^
 
@Leif: der Gausel-Link ist echt klasse, Danke Dir. :thumbsup: Aber ich suche immer noch nach einem Foto von einem ausgegrabenem Trinkhorn aus Horn. Das habe ich auch irgendwie bei Gausel nicht gefunden. Trinkhornbeschläge allein sind leider kein Beweis für einen Körper aus Tierhorn. Bildsteine , Handschriften und Überlieferungen sind zwar schön, aber nur das Fundobjekt selbst ist der Beweis, und danach suche ich noch immer....
 
Auf dem letzten Vortrag unseres Archäologen Michael Koch wurde unter anderem eine Untersuchung vorgestellt, in der Reste von tierischem Material an der Innenseite der Trinkhornbeschläge (frühe Latenezeit) nachgewiesen wurden. Werd ihn demnächst mal fragen, wo es genau steht. Marled
 
Ja die Trinkhornthreads. Immer wieder sehr beliebt... :D Natürlich gab es Trinkhörner und ganz sicher auch aus "tierischen" Material. Das möchte ich auf keinen Fall bestreiten. Aber diese Hörner egal ob organisch oder anorganisch wurden zu "zeremoniellen" Anlässen bzw. zur repräsentation verwendet. Gerade die Szene auf der Tapete ist so ein klassisches Beispiel für repräsentation.
 
Natürlich gab es Trinkhörner und ganz sicher auch aus "tierischen" Material. Das möchte ich auf keinen Fall bestreiten. Aber diese Hörner egal ob organisch oder anorganisch wurden zu "zeremoniellen" Anlässen bzw. zur repräsentation verwendet.
Ja, aber ohne Fundbeleg wird es immer Spekulation bleiben. Wenn man mittlerweile sogar Nervenzellen aus Gehirngewebe des 13.Jhd. extrahieren kann ( http://derstandard.at/1268700740522/Leiche-aus-dem-13-Jahrhundert-mit-intakten-Nervenzellen ) , warum gibt es kein ausgegrabenes Trinkhorn aus tierischem Horn aus der Zeit, bzw. warum sind so kostbare Gefäße zur Repräsentation nicht in Sammlungen erhalten, während aller mögliche "Alltagskram" im perfektem Zustand in den Vitrinen liegt. Ich möchte ja nicht abstreiten, daß es sie gegeben habe, aber ich neige dazu, nach knapp 30 Jahren Erfahrungen in der Kunstszene, solche Dinge einfach kritisch zu hinterfragen. Und da reicht, wie schon gesagt, keine Abbildung auf Steinen, Teppichen oder in Handschriften, oder ein : "ich mal gehört...". Hier müssen einfach Fakten her und keine Spekulationen, und ich hoffe daß wir hier gemeinsam diese Fakten erarbeiten können. Die Ansätze dazu sind ja schon vielversprechend und ich bau da schwer auf Euch :) ....genauso wie wir schon andere Projekte erfolgreich bewältigt haben... :thumbsup:
 
HiHo meine Lieben ! Na wenn das hier nicht mal ein richtig genialer Thread, zum wissenschaftlich fundierten Austausch über Trinkhörner ist !?:thumbup: Vielen Dank an alle Beteiligten ! :thumbsup:
 
Na wenn das hier nicht mal ein richtig genialer Thread, zum wissenschaftlich fundierten Austausch über Trinkhörner ist !?:thumbup:
Hi Petrus, das ist es, und es ist eine echte Herausforderung an meine Bibliothek... :D Aber ich wette wir kriegen da was gescheites raus... da bau ich mal schwer auf das gute Team hier... :thumbsup:
 
@Leif: der Gausel-Link ist echt klasse, Danke Dir. :thumbsup: Aber ich suche immer noch nach einem Foto von einem ausgegrabenem Trinkhorn aus Horn. Das habe ich auch irgendwie bei Gausel nicht gefunden. Trinkhornbeschläge allein sind leider kein Beweis für einen Körper aus Tierhorn. Bildsteine , Handschriften und Überlieferungen sind zwar schön, aber nur das Fundobjekt selbst ist der Beweis, und danach suche ich noch immer....
Uffz....das ist halt der Nachteil an organischem Gewebe....find mal n Horn dass so ideale Bedingungen hat, dass es 1000 Jahre hält, bei mir halten Socken nichtmal ein Jahr :D
 
Bevor man diskutiert, hier vielleicht noch ein Trinkhorn aus einem eisenzeitlichen Gräberfeld in Polen. Gekauft als Replik im Archäologischen Museum in Warschau. Es misst 24,5 cm in der Höhe, und die Mündung hat einen Durchmesser von 8 cm. Einen schönen Sonntag an alle hier Saxnoth
 

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@ Anno Gegenfrage: Um was sollen denn die zahlreich vorhandenen Trinkhornbeschläge montiert gewesen sein? Um Eisen? DAS hätte ja wahrscheinlich Spuren hinterlassen! Um Keramik? DAS hätte sicvherlich Spuren hinterlassen? Holz? Schon eher, das wäre genau so vergangen wie Horn. In diesem Falle halte ich es aber mit Sir Arthur Conan Doyle: Wenn man alles Unwahrscheinliche ausschließt, muss das, was übrig bleibt - und sei es noch so unwahrscheinlich - die Wahrheit sein. Marled Edit: Nachweis von Funden in: Birka II:1 Sytematische Analysen der Gräberfunde, Seite 231 Kapitel 28 Trinkhörner von Inga Lindeberg (Funde aus dem Grab BJ 544 und BJ 523 - .....zwei Trinkhörner aus Kuhhorn, von denen nur Fragmente erhalten sind, außerdem Fragmente eines silbernen Trinkhornbeschlages)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Marled, ich denke mal das hat der Herr Bischof nicht gemeint, daß es keine Trinkhörner gegeben hat. Es findet sich, bei bisher allen angeben Abbildungen keine niedriggestellter Mensch mit einem Trinkhorn. Und sollte es die auch für Bauern gegeben haben, wäre auch ein Bauer mal damit abgebildet worden, denn leicht zu bekommen waren die Dinger ja. Ich sag's mal so ganz simpel. Saxnoth
 
Ja, da hast Du recht, da muß der gute Anno vielleicht doch seine Aussage revidieren. Denn nimmt man einmal als Beispiel Kämme, von denen es en masse Stücke aus Geweih und Knochen gibt, könnte man auf den dummen Gedanken kommen, daß es keine aus Holz gab, weil keine gefunden wurden. Aber es gab sie doch, zumindest sind mir zwei Stücke aus Schottland bekannt, ich glaube aus dem 9./10. Jhdt. Und Anno so herrlich gebogenes und dickes Holz, daß es einem Horn hätte ähnlich sehen können nach einer kunstvollen Arbeit, wirst Du schwerlich finden können. Der Saxnoth
 
Zum Thema Trinkhorn hab ich mal was auf Arte gesehen, dort hies es (frei übersetzt), das es man Trinkhörner aus echtem Horn wohl eher nicht zum trinken genutzt hat da man (ohne vernünftige Versiegelung) an dem getrunkenen gestorben wäre. Und warum sollte jmd das Risiko einer schlechtung Versiegelung in kauf nehmen? Getrunken wurde aus Holzhörner (oder Ton) die Stilistisch einem echtem Horn nachempfunden wurde. Warum man keine Trinkhörner in Ausgrabungen findet? Es gibt etwa 1 Mio Nintondo DS in Deutschland. Glaubt Ihr ernsthaft das in 1 oder 2 tausend Jahren bei einer Ausgrabung (wenn wir Geschichte sind) eines gefunden wird? Wie hoch mag die Wahrscheinlichkeit sein? Es ist schwierig sich nur auf Ausgrabungen zu beschränken. Das es Trinkhörner in dieser Zeit gab ist ja belegt:
Tapisserie_de_Bayeux_31109_%28cropped%29.jpg
Nur über das Material lässt sich streiten.
 
Uffz....das ist halt der Nachteil an organischem Gewebe....find mal n Horn dass so ideale Bedingungen hat, dass es 1000 Jahre hält,
Und genau da denke ich liegt das Problem. Horn zählt zu den Hautanhangsgebilden, und ist von der Struktur her anders als Zahn, Horn oder Knochen. Ich habe mich gestern noch mal intensiv mit den Hochdorf-Funden beschäftigt. Dort sind die Beschläge von 8 Hörnern + 1 Eisenhorn gefunden worden. Aufgrund der Beschlagdurchmesser hat man Auerochsenhörner vermutet, aber keine organische Substanz dazu. Leider hat man wohl auch versäumt, die anhaftende Erde, bzw die Erde des Umfeldes auf tierische DNA zu untersuchen. War halt damals noch nicht möglich. Andererseits hat man nachgewiesen, das die Auflage der Kline aus Dachsfell bestand. Und wie schon gesagt, ich habe gestern, wie heute, in der einschlägigen Fachliteratur keinen sicheren Hinweis auf den Fund eines tierischen Hornes gefunden, währen z.B. aus derfrühen Neuzeit zahlreiche Exemplare, die sog. Prunkhörner, nachgewiesen sind. Im 16. Jhd war es sogar Mode ganze Humpen aus Horn herzustellen, die natürlich damit wesentlich kostbarer als ihre Vertreter aus Keramik waren. Daher kann ich auch Saxnoths These gut nachvollziehen, daß Hörner eher Repräsentationsgefäße, denn das Trinkgefäß des einfachen Mannes. Also: ich würde anhand der Hochdorffunde die Aussage in der Form wählen : Aufgrund der vorliegenden Beschläge ist die Verwendung von tierischem Horn als hochwahrscheinlich anzusehen, aber nicht 100% gesichert. Für mich wäre es ja ebenfalls spannend, aufgrund eines Fundberichtes, den Nachweis für die Verwendung tierischen Horns zu belegen. Und da bau ich schwer auf das Forum und die Menge der User. Vielleicht hat wirklich jemand einen entsprechenden Bericht im Regal stehen. Und um es noch mal in die richtigen Worte zu fassen, und keine Haue zu bekommen ( die Energie sollte man lieber in die Recherche stecken, statt sie an mir zu verschwenden... :D ): Ich behaupte nicht, daß es keine Trinkhörner aus Tierhorn gab, sondern lediglich, daß ich bisher von keinem archäologischen Fund eines zumindest fragmentarischen Horn gelesen oder gehört habe. Und daher ist meine Aussage : "Trinkhornbeschläge allein sind leider kein Beweis für einen Körper aus Tierhorn" hier auch nur relativ zu sehen, aber es ist auf keinen Fall als Provokation gedacht. Einfach alles vor dem Hintergrund, daß bisher so viel anderes organisches Material nachgewiesen ist. Und Saxnoth hat ja im Prinzip die richtige Aussage gemacht: wenn irgendwo definitv ein Objekt gefunden wurde, dann ist der Beleg und Beweis erbracht. Also, an Alle: Weitersuchen und berichten !
 
Wenn man mittlerweile sogar Nervenzellen aus Gehirngewebe des 13.Jhd. extrahieren kann ( http://derstandard.at/1268700740522/Leiche-aus-dem-13-Jahrhundert-mit-intakten-Nervenzellen ) , warum gibt es kein ausgegrabenes Trinkhorn aus tierischem Horn aus der Zeit, bzw. warum sind so kostbare Gefäße zur Repräsentation nicht in Sammlungen erhalten, während aller mögliche "Alltagskram" im perfektem Zustand in den Vitrinen liegt.
Hmm... Es ist bei Naturprodukten immer so eine Sache, wenn man sie nicht findet, aber es sie gegeben haben muss, weil man, wie hier, Beschläge oder Abbildungen auf zeitgenössischen Darstellungen findet. Eine etwas abwägige Spekulation, aber eine immerhin mögliche Erklärung, für das Fehlen von Tierhorn-Hörnern bei den Funden: Wäre es denkbar, dass das Horn gemahlen und als "heiliges Potenzmittel" den Herren der Schöpfung mit einschlägigen Problemchen gegeben wurde. Derartige "Naturheilmittel" finden ja heute noch im asiatischen Raum ihre Verbreitung. Andere Erklärung: Nicht mehr gebrauchsfähige Hörner wurden zu Seife verarbeitet und die Beschläge für ein neues Horn benutzt? Oder eben nicht mehr benutzt, weil Hörner zu Repräsentationszwecke aus der Mode kamen?
 
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