Ermittlung des Zuggewichtes von historischen Bögen

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Nemi Norison

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Bin über die Aussage von H.v.Tronje in dem Thread über die Doku auf Sat
Kein Waliser oder Engländer ist mit weniger als ca 95lbs in den Krieg gezogen... 60lbs war für die Jagd geeignet. :robin
auf zwei Frage Stellungen gekommen die mich interessieren. 1. Wie ermittelt man an dem Fund eines historischen Bogens das Zuggewicht (bzw. die Zugstärke) 2. Gibt es Aufzeichnungen darüber wie die Zugstärke im Mittelalter ermittelt wurde? Meiner Meinung nach ist es schwer möglich an einem Fund die Zugstärke zu messen, da dieser dann in einem extrem guten Zustand sein müsst. Wenn man den Bogen Nachbaut trifft man das Holz nur Näherungsweise. Da durch Wuchsunterschiede und Wachstumsregion des Baumes auch da starke Unterschiede vorhanden sein dürften. (Extrembeispiel: Habe Zuhause ein Stück sibirische Pinie die Aufgrund der Wachstumregion Jahresringe hat die nur knapp einen Millimeter auseinander sind). Deswegen wäre für mich eine verlässliche Quelle für die Zugkraft eines Bogens eine Handschrift, Vorschrift aus dem Mittelalter die sagt Bogen muß so und so stark sein. Doch da ist dann wieder die Frage wie wurde das ermittelt.
 
Hi Nemi, zuerst muss ich sagen, dass ich kein Bogenbauer bin und meine Überlegungen daher nicht fachlich fundiert sind. Du hast schon recht, dass es enorme Unterschiede in den einzelnen Holzarten gibt. Je nach Wuchsort und Erbanlagen. Doch kann man sich bei einer Reproduktion ja auch an den Charakteristika des historischen Holzes orientieren. Wenn z.B die Hölzer der Mary Rose Bögen sehr enge Jahresringe haben, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um alpine Hölzer handelt. Gleicht man das dann mit historischen Handelsregistern ab, ergibt sich ein relativ genaues Bild. Nämlich, dass (zumindest zur Hochphase des engl. Kriegsbogens) die Englischen Eibenressourcen nahezu aufgebraucht waren und vorwiegend Staven aus alpinen Regionen des Kontinents importiert wurden. Außerdem kann man anhand versch. Reklamationen erkennen, dass es strenge Auswahlkriterien für Eibenstave gab. Baut man nun ein paar Replikate mit den gleichen Maßen und ähnlichem Holz, wird man sich wohl ziemlich nah an die historischen Zuggewichte ranarbeiten können. Gleicht man die Funde noch mit den historischen Bildquellen ab, auf denen die engl. Kriegsbögen ausnahmslos armdicke Prügel sind, kommt man auf erstaunlich hohe Zuggewichte. Meines Wissens gab es auch eine Pfeilspitze die in einem Eichenbalken im ?Tower von London? steckte, bei der ballistische Untersuchungen gezeigt haben, dass sie mindestens von einem 140 Pfund Bogen abgeschossen wurde. Zum Schluss dann noch die Quellen dazu, wie viel das Bogenschießen von der einfachen Bevölkerung geübt wurde und die stark deformierten Schulterknochen an Skelletten von Berufsbogenschützen dieser Zeit... Die Aussage, dass wirklich kein Bogen weniger als 95lbs hatte, finde ich auch etwas gewagt. Aber mit Sicherheit hatte die Mehrzahl der Bögen deutlich über 95lbs... Gruß Jannis
 
Hallo Nemi, also für Haithabu hat Harm Paulsen extra dreimal denselben Bogen zu Versuchszecken nachgebaut, um das ursprüngliche Zuggewicht einzugrenzen (H. Paulsen, Pfeil und Bogen in Haithabu. In: Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu 33 (Neumünster 1999), 93-143). Da Holz ein sehr variables Material ist, würden auch (bestimmt mögliche) Standarberechnungen wenig bringen, da diese die individuellen Materialeigenschaften des jeweiligen Bogens genauso wenig erfassen. Paulsen begründet in seinem Artikel den Nachbau außerdem auch damit, dass sich aus den zeitgenössischen Quellen (hier eben für die Wikingerzeit) die Leistungsfähigkeit von Bögen kaum erfassen lässt. Auf Nachfrage meinte er außerdem, dass ihm keine Quellen bekannt seien, die für das Frühmittelalter so etwas wie Zugstärken nennen würden. Beste Grüße
 
Die Zuggewichte von "Warbows" (englische Langbögen) haben sicherlich innerhalb einer gewissen Bandbreite stark variiert - ein standardisiertes Verfahren zur Zuggewichtsbestimmung gab es damals nicht. Wie diese Bögen damals beschaffen waren konnte man aus Funden im gesunkenen Kriegsschiff "Mary Rose" rekonstruieren - der leichteste Warbow an Bord hatte ein Zuggewicht von 100 Pfund! http://de.wikipedia.org/wiki/Mary_Rose Zum Thema Warbow kann ich folgendes Buch wärmsten empfehlen (es basiert zu einem großen Teil auf den Erkenntnissen aus den "Mary Rose"-Funden): http://www.abebooks.de/servlet/Book....x=25&submit5.y=10&zanpid=1326122981642169344 Armdicke Prügel waren das damals nicht :D Und noch ein ganz brauchbarer Film über den Langbogen: http://www.youtube.com/watch?v=UPskCGVAsCU Viele Grüße, Trenck
 
Armdicke Prügel waren das damals nicht :D
Kommt auf den Arm an :D Naja, ich schieß nen 100lb Eibe-Selfbow/Warbow und der ist schon nen ordentlicher Prügel. Ich hatte mal nen 150lb Bogen in der Hand und der war im Griffbereich deutlich dicker als das Handgelenk meiner Freundin :D Azincourt: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/f/ff/Agincour.JPG/300px-Agincour.JPG http://www.welt.de/multimedia/archive/01092/bs_superwaffen_8_D_1092193p.jpg Crecy: http://www.marnach.info/clan/images/crecy.gif Gruß Jannis
 
Die Mary Rose ist wie gesagt ein gutes Beispiel für die Zugkraft der englischen Kriegsbögen in der Hoch- und Spätphase ihres kriegerischen Einsatzes. Wobei aber auch erwähnt werden muss, dass die MR ein Eliteschiff war und demnach sicherlich auch einige der besten Schützen und Bögen führte. Und die MR-Bögen waren zahlreich und gut erhalten (/konserviert), daher wird es wohl halbwegs akurate Möglichkeiten gegeben haben, sie "auszumessen", was ihr Zuggewicht angeht. Aber gut, es geht hier ja um die Ermittlung des Zuggewichts und nicht über die hingeschmissenen Angaben. Ich sage immer: "Ich bin Schütze und kein Handwerker"(obwohl ich uch schon mal einen Bogen selbst gebaut habe), jedenfalls weiß ich nichts über das wissenschaftliche Verfahren dazu. Sie werden wohl kaum auf ein Tillermaß gespannt und versuchsweise durchgekrümmt wie bei einem frisch gebauten Bogen, aber irgend eine maschinelle Möglichkeit zur Feststellung der Biegsteifigkeit des Holzes (die ja im Endeffekt die Kraft bestimmt, die wir Bogis zum Ziehen brauchen) wird es sicherlich geben. Die Archeologie ist vielseitig und derartig rechenbefähigte Geräte braucht man sicherlich zu verschiedensten Zwecken.
 
Naja, ich schieß nen 100lb Eibe-Selfbow/Warbow und der ist schon nen ordentlicher Prügel.
Xerxes,auf deinen Auszug oder bei 28 Zoll ?,Ich weis immer garnicht warum die Leute solche Augen machen wenn meine Bögen 80 lb auf 28 Zoll haben sollen. Das mit den Langbögen steht bestimmt auch niedergeschrieben. Gruß Maik
 
Sie werden wohl kaum auf ein Tillermaß gespannt und versuchsweise durchgekrümmt wie bei einem frisch gebauten Bogen,
Hi Agroman, genau das haben die Archäologen gemacht!!! 8) Es hat eine Weile gedauert bis ich das Bild aus dem Buch "The Great Warbow" gefunden hatte, aber hier ist es:
misurazione.jpg
Professor Levi beim Spannen eines Bogens aus der Mary Rose. Einen anderen Weg die Zugkraft eines Bogens zu ermitteln kann ich mir auch nicht vorstellen. Viele Grüße, Trenck
 
OMG, dabei besteht aber ein großes Bruchrisiko, findest du nicht? Hätte nie gedacht, dass die das tatsächlich so direkt geprüft haben^^. Heißt das, dass die Dinger noch einsatzfähig sind? Interssant...
 
Wenn das wirklich ein Original-Bogen auf dem Bild ist und kein Nachbau,steht auch ein Ergebnis dabei,wieviel lb dieser Bogen auf wieviel Zoll hat ?. Gruß Maik
 
Es ist auf jeden Fall bekannt, dass die MR-Bögen von 100 bis 185 Pfund reichten, wobei 100/110 schon am meisten vertreten war und es nur ein Mal 185 gab, was auch eine wirklich pervers starke Naturgewalt ist.
 
@Xerxes: Du Auszugstier!!! 8| Die Bögen von der Mary Rose habe ich zweimal drüben in Portsmouth selber sehen können. Überraschenderweise sind die gar nicht mal so dick. Und ich kann mich noch an eine Vitrinenunterschrift erinnern, daß der stärkste geborgene Bogen 150lbs Zuggewicht hatte. Die immer höheren Zuggewichte ergaben sich ab dem Zeitpunkt, als es in England Gesetz wurde, daß Männer keinen anderen Sport ausüben durften , als Bogenschießen. Ab diesem Zeitpunkt wurde regelrecht gezielt geschult und die Jungs fingen mit 10-12 Jahren an, zu trainieren, so, daß sie mit 17- 18 für ihren Herrn nach Frankreich ziehen konnten. Allerdings waren sie dann auch mit spätestens 35-36 kaputt. Die deformierten Schultern wurden in Grabfunden ( allerdings nicht in Haithabu ;) ) nachgewiesen. Da sich der Bogen aber später noch als Sportgerät in England erhalten hat und von dort aus im 19. Jahrhundert wieder eine Renaissance erlebte, maß man die Zuggewichte (jetzt hatte man ja die entsprechenden Gerätschaften) nach den in England gebräuchlichen Maßen. Woanders, zB im Handwerk, wird ja auch noch in Zoll gemessen. :robin
 
Wenn das wirklich ein Original-Bogen auf dem Bild ist und kein Nachbau,steht auch ein Ergebnis dabei,wieviel lb dieser Bogen auf wieviel Zoll hat ?.
Hi Maik, das ist ein Original. Diese Bögen haben im Mittel eine Länge von 6 ft / 6 inches (1,98 m) und einen Auszug von 24 bis 32 Zoll!!!! Der "härteste" der Mary-Rose-Bögen hatte übrigens 185 Pfund!!!!!!!!!!!
a034.gif
Grüße, Trenck
 
Ich weis das man Esche wässern soll aber scheinbar ist es auch für andere Hölzer gut,Flößholz soll ja auch besser sein und wenn dann nicht einmal Salzwasser über diesen Zeitraum schaden anrichtet ?. Gruß Maik
 
Moin Maik, über längere Zeit gewässertes Holz hat den Vorteil, dass die Säfte im Stamm gegen Wasser ausgetauscht wurden. Damit soll das Holz wesentlich ruhiger und weniger Verzugsfreudig sein. Ich kenne das aus dem Drechselbereich. Ob das mit Salzwasser so funktioniert, weiss ich aber nicht. Gruß, Timm
 
@Xerxes: Du Auszugstier!!! 8| Die Bögen von der Mary Rose habe ich zweimal drüben in Portsmouth selber sehen können. Überraschenderweise sind die gar nicht mal so dick. Und ich kann mich noch an eine Vitrinenunterschrift erinnern, daß der stärkste geborgene Bogen 150lbs Zuggewicht hatte. Die immer höheren Zuggewichte ergaben sich ab dem Zeitpunkt, als es in England Gesetz wurde, daß Männer keinen anderen Sport ausüben durften , als Bogenschießen. Ab diesem Zeitpunkt wurde regelrecht gezielt geschult und die Jungs fingen mit 10-12 Jahren an, zu trainieren, so, daß sie mit 17- 18 für ihren Herrn nach Frankreich ziehen konnten. Allerdings waren sie dann auch mit spätestens 35-36 kaputt. Die deformierten Schultern wurden in Grabfunden ( allerdings nicht in Haithabu ;) ) nachgewiesen.
Wieso Auszugstier? 31 ist gar nicht mal so laang, ich zieh auf etwa 33^^, allerdings bisher nur 90 Pfund. Btw., sicher, dass da 150 Pfund max. stand? Ich war immer von 185 ausgegangen.
 
Ooops, sry, aus Versehen ging der Post 2 mal raus...hab den Text gelöscht, kann jemand das hier entfernen?
 
Sie hatten damals noch nicht alle gesichtet. Das ist jetzt ca. 25 Jahre her, seit ich das letzte mal in Portsmouth war.
 

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