Frage: Attentäter im europäischen Mittelalter = historisch korrekt?

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Haenenful

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Frage: Attentäter im europäischen Mittelalter = historisch korrekt? In vielen Büchern (und auch in Computerspielen) wird ein Bild von DEM typischen mittelalterlichen "Attentäter" gezeichnet. Aber in wie weit ist diese korrekt? War das "Attentätertum" im Mittelalter überhaupt vorhanden? Wie sah dieses in der Wahrheit aus? Ich vermute, dass es darüber wenig Quellen gibt (habe keine gefunden) und hoffe daher, dass ich hier Antworten auf meine Fragen finde. Ich plane in LARP einzusteigen und überlege, ob ich (nach gewisser Übung als Bauer) als "Attentäter" einzusteigen. Vielleicht ist das alles total unrealistisch und nur in meinen Fantasy Büchern vorhanden, trotzdem wäre es schön, wenn ihr mich aufklärt (egal ob ich Unsinn erzähle oder nicht). Lg und danke im Vorraus, Hanno
 
Naja, DER typische Attentäter... Das MA war ziemlich reich an unschönen Geschichten, wo Personen genau zum richtigen Zeitpunkt auf dubiose Weise ablebten. So einen (Auftrags)Mord kann man durchaus als Attentat bezeichnen. Dass es aber nun den "Beruf" als Attentäter, womöglich gar eine Berufskleidung gegeben hätte, würde ich zielsicher ins reich der Märchen verweisen. Ziel des Attentäters ist es ja gerade, NICHT schon im Vorfeld aufgrund des Aussehens enttarnt zu werden. Und einen solch gewaltigen Potentaten, dass er sich eine Schläger- und Mördertruppe wie die Assasinen oder die osmanischen Dilsiz erlauben konnte, gab es im europäischen MA nicht. Selbst Päpste sind vergiftet und anderweitig ermordet worden. Für LARP aber ist das ja, je nach der Geschichte und "Welt", eher nebensächlich. Nur kannst du dir halt nix Historisches "ausleihen".
 
Erst einmal vielen Dank für die schnelle Antwort! Vielleicht habe ich es schlecht formuliert, die Quellen die ich suchen würde, beziehen sich eher auf das Verhaltensmuster von Auftragsmördern im MA. --> Wie bekamen sie Auftragsgeber? --> Waffen unrealistisch (Giftmörder/....)? -->.... (Alles in diese Richtung) Lg Hanno
 
Ein Attentäter ist eine denkbar schlechte Rolle für den Einstieg ins LARP. Allgemein ist das eine schlechte Rolle im LARP. Du hast weder Leute, die dir Aufträge vermitteln, keiner ist gern dein Opfer und du musst vor Allen deine wahre Identität geheimhalten. Das funktioniert einfach nicht. Wird die jeder das gleiche sagen. Fürs reale MA sind mir auch keine Quellen bekannt. Wahrscheinlich wird es da auch nicht viel geben. Ich meine: Was weiß man über Killerorganisationen heute? Gibt's die überhaupt?
 
Naja, ich dachte mir schon das es keine Quellen gibt... Aber hoffen darf man doch noch, oder? ^^ Mit LARP kenne ich mich, wie gesagt NOCH nicht aus, danke, dass ich mich jetzt nicht auf eine Rolle versteife, welche man nicht spielen kann :). Vielleicht versuche ich es als Bettler. Die Quellen sind viel vorhanden, die "Ausrüstung" ist nicht schwehr zu bekommen und das spielen sollte nicht zu schwehr werden. Lg und danke Hanno
 
Ein Mord im "Mittelalter" war vermutlich weitaus einfacher zu bewerkstelligen als heutzutage! Zum Einen gab es keine moderne Kriminalistik und auch keine Gerichtsmedizin. Ein Mörder hatte also beste Chancen, ungeschoren davonzukommen, wenn er nicht auf frischer Tat von gut beleumundeten (!) Zeugen ertappt wurde. Deshalb ist das Geständnis in der damaligen Rechtsprechung auch so wichtig - ohne Geständnis kein Tatnachweis. Zum Anderen bestanden starke Abhängigkeiten vom jeweiligen Herrn oder der Herrin und in den "unteren Etagen" auch allgemein geringer Wohlstand bis Armut. Wer also als Höhergestellter sich nicht wegrühren konnte, um den Mord selbst zu begehen oder das Opfer wegen seiner Entourage nicht zeugenlos gemordet werden konnte, fand sich wohl fast immer jemand in der Gefolgschaft, der durch Nötigung oder Bestechung zur Tat bewogen werden konnte. Es dürfte also kaum eine Notwendigkeit bestanden haben, in dunklen Ecken und verrufenen Spelunken einen Killer zu dingen ;)
 
Ich frage mal zurück. Was unterscheidet heute einen Attentäter von Normalos? Ein Schild? Gelbgrüne Hüte? Ich versteige mich zu einer These: Die gleichen "Gründe" wie heute machten ´damals` auch die Attentäter... wirtschaftliche, religiöse und rein menschliche (z.B.Hass, Rache, Gier, Blödheit). Deshalb wird man auch kein Ausbildungscurriculum zum Thema "Attentat, Lektion 1-20" aus dem MA finden.... maximal Gerichtsakten NACH Attentaten.
 
Ach, natürlich gibt es Quellen... Marco Polo beschreibt eine islamische Sekte die mit Haschisch berauscht Orgien feierten und deswegen Haschischim genannt wurde, daraus wurde irgendwann Assassine. Als Sekte hatten sie bestimmt eine Art Ordenskleidung, ihre Tatwaffe war ein Dolch und sie verübten eigentlich nur politische Morde. Allerdings wirst du als historisch korrekter Assassine keinen Spaß haben. Statt zu fliehen haben sie den Tod durch die Anhänger des Ermordeten hingenommen und sich als Märtyrer betrachtet. In Venedig wurde öfters mal jemand auf offener Straße erdolcht. Da es seit dem 12. Jahrhundert normal war, maskiert durch Venedig zu laufen, war es verhältnismäßig einfach nach einem Mord zu fliehen, dabei sollte die Maskierung den Adeligen eigentlich vor genau so etwas schützen. Ob das dann aber Einzeltäter waren oder Berufsmörder kann ich nicht sagen. Sicher ist, dass die italienische Fechtschule immernoch sehr viel Wert auf Dolchkampf legt.
 
Ach, natürlich gibt es Quellen... ... Marco Polo beschreibt
netter Versuch, Meiner. Aber das ist für mich keine Quelle" für den Bereich "Historisches MA"... der Gute hat Verdienste, aber soll wohl auch viel vom Hörensagen aufgeschrieben haben. Die Historiker streiten munter... In der altdeutschen Rechtsgeschichte konnte doch bis ins 11.Jhdt. ein Mord durch Zahlung eines Betrags o.ä. "wettgemacht" werden. Spätestens ab 12.Jhdt ging das nicht mehr: Mit Heimlichkeit und Vorsatz begangene Tötung waurde als Mord mit Todesstrafe belegt. Insofern: Sehr unwahrscheinlich, dass es eine "Berufsgruppe" dieser Profession gab... siehe Post Nr. 7
 
Ich würde den Mord an Thomas Becket durchaus auch als Attentat bezeichnen.
Doch bald wurde offenkundig, dass er auf politischem Parkett nicht mehr erwünscht war. Der Thronfolger und Mitkönig Heinrich der Jüngere, sein einstiger Zögling, verweigerte ihm ein Zusammentreffen und verfügte, dass er im Land nicht umherreisen dürfe. Dass Thomas ihm besonders schöne Pferde schenkte, konnte ihn nicht milde stimmen. Der Erzbischof hatte freilich vor seiner Überfahrt für ein neues Ärgernis gesorgt, indem er die an der Krönung des Thronfolgers beteiligten Bischöfe exkommunizierte. Als der König davon erfuhr, reagierte er mit einem seiner berüchtigten Wutanfälle. In seiner Erregung ließ er sich zu Sätzen gegen Becket hinreißen, die von vier der anwesenden Ritter – Reginald Fitzurse, Hugh de Moreville, William de Tracy und Richard Brito – als königlicher Mordbefehl interpretiert wurden.[3] Am 29. Dezember 1170, einem Dienstag, trafen sie in Canterbury ein und teilten Becket mit, dass er sich nach Winchester begeben solle, um Rechenschaft über seine Taten abzulegen, was Becket ablehnte. Die vier Ritter griffen Becket daraufhin in der Kathedrale an und brachten ihn um.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Becket Weiterhin könnte man Edward II. von England als Beispiel aufführen:
Im Herbst 1326 kehrten Königin Isabella und ihr Günstling Roger Mortimer mit dem Thronerben Eduard III. aus Frankreich zurück und landeten mit einer kleinen Streitmacht, bestehend vor allem aus französischen Söldnern, in England. Unter den unzufriedenen Adeligen fanden sie reichlich Unterstützung, so dass Eduard II. am 16. November gefangen gesetzt wurde. Im Januar 1327 erklärte er den Verzicht auf den Thron. Er wurde aber schließlich, wohl auf Befehl der Regenten, ermordet.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_II._(England) Auch Kleriker blieben von Attentaten nicht verschont:
Lambert (auch Lamprecht oder Landibert genannt), ein Sohn aus gräflicher Familie, trat im Jahr 670 als Bischof von Maastricht die Nachfolge des ermordeten Theodard an, seines Onkels und Lehrers. Als der fränkische Hausmeier Ebroin nach dem Tode des merowingischen Regenten Childerich II. im Jahre 675 erneut an die Macht gelangte, verbannte er mehrere austrasische Persönlichkeiten; auch Lambert wurde als Bischof abgesetzt und bis zu Ebroins Tod 682 in das Kloster Stablo verbannt. Pippin der Mittlere, Ebroins Nachfolger, setzte ihn wieder in sein Bischofsamt ein. Bischof Lambert soll auch mit dem hl. Willibrord zusammengearbeitet haben bei der Erneuerung der Diözese und der Ausbreitung des christlichen Glaubens in Brabant und Kempen, u. a. in der Landschaft Toxandrien. Weil Bischof Lambert die Immunitätsrechte der Kirche gegenüber der Staatsgewalt konsequent verteidigte, ließ man ihn am 17. September, wahrscheinlich im Jahr 705, in seinem Haus in Lüttich (Leodium) erschlagen.
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Lambert_von_Lüttich)
Ludwig I. (* 23. Dezember 1173 in Kelheim; † 15. September 1231 ebenda) war Herzog von Bayern und Pfalzgraf bei Rhein. Er gehörte dem Geschlecht der Wittelsbacher an. Den Beinamen der Kelheimer erhielt er, nachdem er in Kelheim einem Attentat zum Opfer fiel. 1231 wurde Ludwig auf der Brücke in der Stadt Kelheim ermordet. Der unbekannte Attentäter wurde gleich darauf getötet. Die Tathintergründe sind (auch deshalb) bis heute nicht abschließend geklärt. Vermutet wurde verschiedentlich, dass die Staufer (also Kaiser Friedrich II. oder sein Sohn Heinrich VII.) in den Mord verwickelt gewesen seien.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_der_Kelheimer In der Geschichte des (ostfränkisch-)deutschen Königstums ist die erste Tötung eines Königs - nicht auf dem Schlachtfeld - im Jahre 1208 zu verzeichnen, in Bamberg. Der römisch-deutsche König Philipp von Schwaben (*1177) aus dem Geschlecht der Staufer, König seit 1198, wurde auf dem Höhepunkt seiner Macht am 21. Juni 1208 von Otto VIII. von Wittelsbach ermordet. Neben Albrecht I. von Habsburg († 1. Mai 1308) ist Philipp der einzige römisch-deutsche Herrscher, der einem Attentat zum Opfer fiel. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Königsmord) Für das Spätmittelalter würde mir da der Mord an Giuliano di Medici am 26. April 1478 im Dom Santa Maria del Fiore einfallen (sog. Pazzi-Verschwörung http://de.wikipedia.org/wiki/Pazzi-Verschwörung). Ein Liste bekannter Attentate findest Du auf wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_bekannter_Attentate Dennoch würde ich auch nicht unbedingt als Attentäter unterwegs sein wollen. Immer allein, alles heimlich und immer auf der Flucht... :whistling: Man muss immerhin bedenken, dass die Strafen für Attentäter nicht ohne waren: Beispiel: die Attentate auf die Päpste Stephan III. (771) und Leo III. (799). Beide Päpste überlebten, die Attentäter wurden verurteilt und mit Blendung und Tod bzw. Exil bestraft (Quelle: "Streit am Hof im frühen Mittelalter", Matthias Becher, Alheydis Plassmann, S. 380-381)
 
°° vielen Danke erst einmal für die zahlreichen Antworten! Ich denke, dass sich der Thread für mich gelohnt hat --> Ich werde mich (wenn ich bei LARP einsteige) nicht als Attentäter versuchen :D. Lg Hanno
 

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