Der Regenwaldbewohner hinkt auch nur ein bisschen, und zwar insofern, dass er dazu neigt, die Diskussion von einer sachlichen auf eine eher lächerliche Ebene zu heben bzw zu senken. Nicht, weil er im Kern falsch wäre, im Gegenteil, er zeigt sehr prägnant das Problem auf, vor dem wir bei der Interpretation von Quellen stehen. Wenn man auf der sachlichen Ebene bleiben möchte, dann allerdings muss man konstatieren, dass wir bei vielem ,das wir als eindeutig identifiziert zu haben glauben, eigentlich, streng genommen, genauso schwimmen. Gleiche Skepsis für alles, bitte. Wurden etwa in den Töpfen, die wir eindeutig als Kochutensil ansehen, tatsächlich Nahrung zum Zwecke späteren Verzehrs zubereitet? Oder legen wir hier auch nur unser modernes Verständnis zu Grunde? Womöglich hatten die Dinger einen ganz anderen Zweck. Vielleicht war das Erhitzen eine kultische Handlung? Vielleicht wurden in den Dingern auch nur Nahrungsmittel aufbewahrt? Mir ist jedenfalls kein Fundkontext bekannt, in dem eine Küche nebst Köchin und Utensilien in eindeutiger Aktion erhalten geblieben sind. Also, streng genommen ,alles nur Vermutungen. Es gibt beispielsweise in meiner Küche ein Objekt, dass zukünftige Archäologen in direkter Nähe zum Herd, mit Rauch- Dampf- und Fettresten sowie (elektrischer) Energiezufuhr finden können. Trotzdem wurde darin keine Nahrung zubereitet, das Teil nennt sich Dunstabzugshaube. Ist aber, von den Gebrauchsspuren und Resten darin vermeintlich näher an der Nahrungszubereitung als etwa meine ordentlich gespülten Töpfe. Auch dass es eventuell Bild- oder Textquellen gibt, die unsere Interpretation stützen, muss nicht automatisch als eindeutiger Beweis gelten. Wenn es danach geht, müssten es zukünftige Historiker für unsere Zeit als erwiesen ansehen, dass es fliegende Menschen mut Superkräften gab, die ihre Unterhosen über dem Overall zu tragen pflegten. Denn es gibt nicht nur ein paar vereinzelte, sondern signifikant viele solcher Bild- und Textquellen. Wie dem auch sei, was ich damit sagen will, ist, vollkommen berechtigte gesunde Skepsis gegenüber einzelnen Theorien hin oder her, warum sind wir nicht in allen Bereichen unseres Geschichtsbildes konsequent gleich (selbst-)kritisch? Warum sehen wir überhaupt so viele Dinge als "gesichert" an? Vornehmlich die an unserer eigenen Darstellung. Ich nehme mich da auch nicht aus. Ich trage etwas in der Hand, das ich als Speer bezeichne, obwohl man mit diesem Werkzeug auch Müll im Schlosspark aufpieksen könnte. Ich hänge mir etwas um den Hals, das auch ein Vorhang gewesen sein könnte, trage einen Topf auf dem Kopf und wickle mir einen Lederriemen um den Bauch, der möglicherweise in Wahrheit zur körperlichen Züchtigung unbotmäßiger Kinder diente. Mit welcher Legitimation belächle ich die Interpretationsansätze anderer Leute? ?(