Ich hab da meine praktischen Erfahrungen aus einem anderen Forum. Eines, dem ich vor Jahren den Rücken kehrte, aber nicht wegen der Dislike-Funktion, sondern wegen des Umstandes, dass dort ein für mein Empfinden zu großer Prozentsatz an unreflektierten nicht-selbst-Denkern rumgurkte, die politisch korrekten Betroffenheits- und Empörungsfaschismus verbreitete. Das aber nur nebenbei. (Ach, tut das gut. Mal raus damit...) Zum dortigen Like/Dislike: Die hatten genau das System, das wir hier diskutieren. In der Theorie ja an sich gut gedacht. Und in der Regel und von den meisten Usern auch durchaus vernünftig umgesetzt. Aber einige, zu viele, um als quantité néglieable einfach ignroiert zu werden, vergaben Likes, nicht weil ein Beitrag echt gut und hilfreich war, sondern weil sie den Autor mochten / mit ihm befreundet waren. So puschten sich ein paar gegenseitig hoch und wurden sozusagen zum Like-Adel, obwohl ihre Beiträge bestenfalls duchschnittlich waren. Wenn ein Mod was schrieb, und sei es nur die aktuelle Uhrzeit, dann biederte sich sofort ein Haufen Leute an und überhäufte ihm mit Likes. Das war lächerlich. Außerdem gab es ein paar Forenpäpste, die sich offenbar ebenfalls niemand zum Feind machen wollte. Likes ziehen Likes nach sich... Mit den Dislikes war es nicht besser, eher im Gegenteil. Nur tun die obendrein noch weh. Dislikes wurden oft aus Animositäten heraus vergeben. Man mochte denjenigen nicht oder er vertrat eine (politische) Meinung, die man selbst nicht teilte. (Das Forum ging um die ganze Geschichte, nicht nur Mittelalter, es gab also durchaus Themen, die in diesem ach so freien und aufgeklärten Lande einer gewissen Meinungsunfreiheit unterliegen. Und damit meine ich nicht nur die NS-Zeit.) Das führte dann zu der grotesken Situation, dass ein ehrlicher, kritischer (auch selbstkritischer), sorgfältig formulierter und gut argumentierter Beitrag Dislikes bekam, weil er halt nicht dem gesellschaftlichen Mainstream entsprach. Der Antwortbeitrag, ein Einsätzer, dessen Inhalt sich auf ein "Dagegen" beschränkte, wurde indes mit 20 Likes geadelt. (Nein, ich war nicht das Opfer, auch wenn sich der Gedanke sicherlich gerade einigen aufdrängte
) Zudem entspringt einem Dislike nicht nur bei kleineren Geistern der schwer widerstehliche Drang, sich bei nächster Gelegenheit mit einem ebensolchen zu revanchieren. Allzu oft jedenfalls werden Likes und Dislikes nicht für Qualität oder aus ähnlichen ehrenhaften Motiven vergeben, sondern aus niederen Beweggründen. Vielleicht nicht von der Mehrheit, aber von einer Minderheit, die groß genug ist, das an sich durchaus sinnhafte System zu kippen und zu pervertieren. Ob aus Gedankenlosigkeit oder mit Vorsatz sei jetzt mal dahingestellt. Ein ambivalentes Detail war der Umstand, dass man dort seine Likes/Dislikes anonym vergeben konnte. Man konnte allerdings, ein eindeutiger Vorteil, wenn man wollte auch eine kurze Begründung dazu schreiben, die (nur) dem Autor zugänglich war. (Im Rahmen einer Liste sämtlicher je erhaltener Likes/Dislikes nebst eventueller Begründung, in der man sich als Absender outen konnte, wenn man wollte. Die Liste konnte man unter seinem eigenen Benutzerprofil einsehen.) Wie gesagt: Mit den Likes kann ich leben, die tun, selbst wenn sie gedankenlos eingesetzt oder sogar missbraucht werden wenigstens niemandem weh. (Ist u.U. auch nicht ganz so einfach, z.B. wenn ein "Gegenpost" mit Likes überhäuft wird, der jemand anderen rüde angeht. Man kann Likes durchaus zu Ersatzdislikes umfunktionieren, wenn man möchte) Diese Like-Funktion scheint ja auch von etlichen gewünscht zu werden. Aber die Dislikes finde ich suboptimal. Das sind zu oft die Förmchen, mit denen sich die Leute im virtuellen Sandkasten bewerfen.