In einem hat Wilfried recht: Mittelalter ist nicht 16./17. Jahrhundert in dem die meisten dieser Dinge - Folter, Kerker, Pranger, Hexenverbrennungen - etc. ihren Höhepunkt erreichten. Auch die Vorstellungen von Moral, Ehre etc. waren andere. Es gehörte sich zwar nicht, mit jemandem ins Bett zu gehen, mit dem man nicht verheiratet war, aber es war kein Drama, so lange nicht einer von beiden eine verheiratete Frau von Stand war. Das wäre nämlich ein Scheidungsgrund und damit das wirtschaftliche und gesellschaftliche Ende der Dame gewesen. Bei allen anderen *pfö* Ehe war in erster Linie eine Sache zwischen zwei Familien. Uneheliche Kinder weitgehend normal (das waren sie übrigens bis ins 19. Jahrhundert, weil die Heirat bis dahin meist erst mit Erlaubnis der Obrigkeit möglich und an ein bestimmtes Einkommen gebunden war). Aber wir sind im 12. Jahrhundert. Da laufen die Dinge etwas anders: Die Magd wird verheiratet und gut is'. Wenn dem Burgherrn danach ist, erkennt er das Balg an, was die Stellung der Familie verbessert. Wenn ihm nicht danach ist, erkennt er das Balg nicht an. Zur Familia gehört es trotzdem, d. h. er muss irgendwie dafür sorgen (was ihn z. B. von einem römischen Sklavenhalter unterscheidet). Seiner Ehefrau kann das völlig egal sein, weil ihre Stellung und die ihrer Kinder durch das Balg nicht berührt wird, weil sich der Rang eines Kindes immer nach dem des niederrangigen Elternteils richtet (das ist schon in der Lex Salica so und im Sachsenspiegel auch noch). Wird die Magd aufsässig, z. B. weil ihr der Mann nicht passt, schmeißt man sie raus. Das ist so ziemlich die schlimmste Strafe, die einen Menschen im 12. Jahrhundert treffen kann, denn dieser Rauswurf bedeutet, dass sie alles verliert: familiäre Bindungen, Einkommen, Unterkunft ... Und im 12. Jahrhundert beruht alles auf Verbindungen, d. h. es wird sie auch niemand so einfach wieder in den Dienst nehmen. Was sollte man sie da noch an den Pranger stellen? Tötet die Magd das Kind, kommt es auf die Region und das Wohlwollen des Burgherrn an. Grundsätzlich gilt, wie Aixlibris gesagt hat, Täterstrafrecht, d. h. wer für etwas verantwortlich ist, muss dafür einstehen. Wird das Kind vom Schwein gefressen, ist der Schweinehalter dran; egal, ob er davon wusste, wissen konnte oder gerade auf Wallfahrt in Rom war. Sein Schwein, seine Schuld. Genauso wenig interessieren postnatale Depressionen bei der Mutter. Wenn das Kind lebensfähig war und sie es umgebracht hat, ist sie dran. In der Regel wird sie Wergeld zahlen müssen. Strafen an "Haut und Haaren" sind im Mittelalter die Ausnahme! Was passieren kann, wenn es sich nicht um eine Magd handelt, sondern um ein Mädchen von Stand, kann man sehr schön an der Geschichte von Abaelard und Heloise sehen. D. h. man wird genauso versuchen, das Mädchen zu verheiraten. Andernfalls kommt sie ins Kloster. Verstoßen wird man sie nicht, weil das Schande über die Familie brächte. Ist der Mann bereit und in der Lage, für sie zu sorgen, wird ihm aber in der Regel nichts passieren (Abaelards Fehler war, das nicht zu tun, sondern auf einer geistlichen Laufbahn zu beharren). Das gilt auch, wenn er im Stand unter ihr steht, denn der Rangunterschied wirkt sich erst bei den Kindern aus.