Kann ja ein paar Worte zum Reenactorpreis sagen, schließlich haben wir das ja als Medienpartner von "Minden – Geschichte neu erleben" begleitet. Zuerst mal zur Jury: Vorsitzender war Mark Wallis von
"Past Pleasures" einer der führenden Experten in Europa für Geschichtsinterpretation Weiterhin Dr. Werner Best, LWL-Archäologie für Westfalen, Archäologe und Experimentalarchäologe; Dr. Martin Klöffler von Facing the Past, Interessengemeinschaft Historischer Alltag; auch ein Fachmann für Geschichtsinterpretation Dr. Marcus Junkelmann, freier Historiker und Schriftsteller mit Schwerpunkt Militärgeschichte und experimentelle Archäologie; einer der ersten Experimentalarchäologen in D, der Arbeit im Kostüm geleistet hat und der einige Standardwerke geschrieben hat Prof. Dr. Hochbruck: Universität Freiburg, der einiges an Kontakten zwischen Reenactment und Wissenschaft angeschoben hat und den Begriff "Geschichtstheater" als eigenständige Vermittlungsform etabliert hat Schließlich auch noch Gerry Embleton, Gründer der Co. of St. George, Illustrator etc., der aber leider aus Gesundheitsgründen kurzfristig abspringen musste. Also meiner Meinung nach eine hochkompetente und unabhängige Jury, die es sich meines Wissens nach auch nicht leicht gemacht hat. Für einige Bewertungen haben sich die Jury-Mitglieder die Gruppen persönlich in Aktion angesehen. Zuallererst muss noch geklärt werden, was die Intention hinter diesem Preis (außer Werbung für Minden) ist: Mit dem Preis sollen Darsteller geehrt werden, die sich besonders im Rahmen der Kriterien durch vorbildliche Reenactment-Darstellungen auszeichnen und als positives Beispiel wichtige Impulse auch für andere Darsteller geben können. Es geht also nicht darum den König der Reenactors zu küren, sondern Beispiele von Reenactment-Konzepten und speziell in der Vermittlung von lebendiger Geschichte aufzuzeigen ... Ob das für den Einzelnen jetzt wichtig ist oder nicht sei dahin gestellt. Keine der Gruppen hat ja auf diesen Preis hingearbeitet.
Wer hat teilgenommen, bzw. wer konnte teilnehmen? JEDER konnte Gruppen oder Einzelpersonen in den entsprechenden Kategorien (Bester Einzeldarsteller, Beste Gruppe, Beste Nachwuchsgruppe) vorstellen, die in die Wertung genommen wurden. Weiterhin konnten sich Darsteller auch für den Preis bewerben. Soweit ich weiß, hat sich keiner der Gewinner selbst beworben, sondern sie sind alle vorgeschlagen worden.
Kriterien:
- Ein Kriterium war die Qualität die Ausstattung. Diese sollte entsprechend der Zeitstellung und Darstellung natürlich hochwertig sein. Der Baumwoll-/Pannésamt-Ritter hat da entsprechend wenig Chancen
- Ein weiteres ist die Kreativität - sprich, was für Darstellungskonzepte hat die Gruppe (die LEG VIII AUG z.B. hat das Generationes Projekt, in dem es Zivil- und Militärdarstellung von 50 v. Chr. bis zum Ende des römischen Reiches zeigt), wie setzt sie Dinge um, was macht sie anders, als andere Gruppen etc.
- Publikumsarbeit und Publikums-Konzepte sind im Rahmen des Preises auch wichtig. Es wurden z.B. Gruppen vorgeschlagen, die in ihrer Darstellung sehr gut sind, die jedoch bewußt auf Publikumskontakt verzichten. Diese haben dementsprechend weniger Chancen in diesem Rahmen den Preis zu bekommen
- Es wurde auch Wert auf die Recherche und wissenschaftliche Zusammenarbeit gelegt. Auch hier ist z.B. die LEG VIII AUG beispielhaft
- Ein (kleines) Kriterium war auch die Selbstdarstellung - dies aber eher als Zünglein an der Waage, das bei den Gewinnergruppen auch keinen Ausschlag gegeben hat
Etwas spezieller sieht es mit dem "Nachwuchs" aus. Hier sollte einfach auch honoriert werden, dass Gruppen in relativ kurzer Zeit einen hohen Level in Darstellung und Publikumsarbeit erreicht haben. Erik von der Ahte mîn hat das sehr nett ausgedrückt, in dem er sagte, dass er den Preis stellvertretend für all die vielen, hervorragenden Darsteller die sich genau so abstrampeln, entgegen nimmt. Wobei ich persönlich sonst keine überzeugende Bauerndarstellung aus dem HMA kenne ... insofern hat mich der Preis für diese Gruppe auch gefreut
Aus allen diesen Komponenten hat die Jury dann die Gewinner ermittelt. Es waren afaik rund 70 Gruppen und Einzeldarsteller in der Auswahl - in Zeitstellungen von Antike bis Wilhelministik.
Was bringt der Preis? In erster Linie erstmal nichts. Man kann sich dafür nichts kaufen, er steht rum und staubt sicher vor sich hin. Ich bin selber auch nicht so der Freund von Preisverleihungen, doch kann ich die Intentionen dafür verstehen. Für die Gruppen heißt der Preis erstmal nur, dass es vielleicht für die eine oder andere Bewerbung einfacher wird. Sowas macht sich ja immer gut auf der Gruppenvita
Ob die "Szene" eine Zertifizierung benötigt? Keine Ahnung - das wurde in den letzten Jahren in verschiedensten Foren und auf höchster Ebene heiß diskutiert. Da kann Prof. Hochbruck sicher einiges zu sagen, denn er hat z.B. die Waldkircher Gespräche und ähnliche Veranstaltungen initiiert in der Museums und LH-Szene zusammen gebracht wurden. Aber Fakt ist, dass wir zum Beispiel kein English Heritage haben, die nur qualitativ gute Darsteller auf ihre attraktiven Veranstaltungen lassen und damit in GB ein wichtiger Faktor für die Qualitätssicherung sind. So, jetzt erstmal zurück zur Arbeit ... Thorsten