Panzerreiter
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Auf dieser Ebene (Autos...) argumentiert, kommen wir ganz schnell zu einleuchtenden, aber möglicherweise allzu bequemen Erklärungen. Sie stehen auf einer Ebene wie der in Historiker- und Archäologenkreisen so beliebte deus ex machina: "kultisch" Alles, wofür spontan keine Erklärung einfällt, ist stets eindeutig kultisch. Städte der Inkas oder Atzteken bestehen irgendwie zu 100% aus Kultgebäuden, hat man den Eindruck. Offensichtlich wurde damals weder geschlafen, noch gegessen, noch geschissen. Die Leute waren den ganzen Tag lang total kultisch. Ein fensterloser Raum? Macht keinen Sinn zum Wohnen, muss folglich kultisch sein. Sowas profanes wie Werkzeugschuppen oder Lagerräume sind unter der Phantasie eines gestandenen Archäologen, der was auf sich hält. Ja, modische oder sicherlich auch religiös-kultische Überlegungen haben die Menschen schon immer bewegt, sicherlich auch schon zur Steinzeit, sonst hätten sie sich nicht lustige Muster auf die Körper gemalt. Aber es gibt Bereiche, in denen modische Aspekte ganz hinten anstehen. Kampf und Krieg sind ein solcher Bereich. Autos und Schwerter lassen sich nur bedingt vergleichen. Ich riskiere nicht, umgebracht zu werden, nur weil mein Schwert hübscher ist als das des Feindes. "Sure, he's dead, but just look at his lovely sword!" Wer kommt auf solche Gedanken? Keine Armee der Welt entscheidet sich für den signifikant schlechteren Panzer, nur weil er besser aussieht. Warum hat die Bundeswehr die Phantom nicht sofort ausgemustert? Es gab so viel hübschere Flugzeuge. Warum flog die Wehrmacht mit dem Stuka gegen den Feind? Das Ding war potthässlich. Über Uniformen lässt sich modisch reden, aber über Waffen eher nicht. Zumindest über den waffentechnisch signifikanten, den Wirkteil. Das wäre beim Schwert etwa die Klinge. Modische Veränderungen bei Spathas sind zahlreich zu beobachten, aber an der Gestaltung und Verzierung der Griffpartie, den Scheiden, der Aufhängung. Diese verändern sich über die Jahre stetig und teilweise recht schnell. Diese Merkmale dienen vorzüglich der Datierung. Aber was sich über Jahrhunderte kaum verändert, das sind die Klingen, weder in der Form noch im Aufbau. Die Veränderung der Materialbeschaffenheit schreitet viel langsamer und in viel engeren Bahnen voran als die der Dekorationsmerkmale. Griffbeschläge, Scheidenmundbleche, Ortbänder, Wehrgehänge, da haben sich die Leute kreativ ausgetobt, da sieht man schon die Unterschiede von 50 oder noch weniger Jahren. Aber rein von der Klinge her kann man eine Spatha der Zeitgruppe A nicht von einer der Zeitgruppe F unterscheiden. Und das sind mindestens 200 Jahre. Das einzig Erkennbare ist eben die langsame, aber stetige Entwicklung des Materials inklusive einer eventuellen Damaszierung. Das klingt irgendwie nicht nach reiner Mode. Warum wurden im zweiten Weltkrieg die Rohre der Panzer immer länger? Mode? Phallussymbol? Warum im Mittelalter die Schwerter spitzer? Weil es eleganter aussah? Wie gesagt, bei einigen Dingen im militärischen Peripheriebereich spielen modische oder ähnliche Überlegungen sicherlich eine Rolle. "Der Soldat muss sich können fühlen" wusste schon Schiller. Ein bisschen felduntauglicher Protz ist in Ordnung, wenn der Soldat sich darin stärker fühlt. Aber dabei ging es um Paradeuniformen. Auch heute gibt es durchaus schmunzelwürdige Details in der militärischen Kleidungsordnung. So ist mir nicht ganz klar, welchen Sinn eine blaue Flecktarnuniform an Bord eines amerikanischen Marineschiffes oder auf einem Militärflughafen macht. Oder leuchtend rote Barrette. (Die sind natürlich Friedenszusatzausstattung, die würde im Gefecht niemand aufsetzen). Aber sobald es ans wirkliche Wehrmaterial geht, gibt es plötzlich keine reinen Eitelkeiten mehr. Da hat jedes Merkmal einen auf Effektivität ausgelegten Sinn, selbst auf den ersten Blick vermeintlich sinnlose Merkmale. So hat etwa die US-Luftwaffe im zweiten Weltkrieg nicht etwa deshalb damit angefangen, ihre Flugzeuge nicht mehr in Tarnfarben zu bemalen, weil das silbrig glänzende schicker aussah, sondern weil man damit, je nach Größe des FLugzeuges, zentnerweise Gewicht an Farbe sparen konnte, was der Leistung zugute kam. Und der etwas schwuchtelig wirkende altrosa Farbton, den die Briten in Nordafrika bisweilen auf Fahr- und Flugzeuge auftrugen, hatte bei den dortigen Umgebungsfarben einfach eine hervorragende Tarnwirkung. Hinter all diesen auf den ersten Blick seltsamen Eigenheiten stehen handfeste Gründe, die man halt oft erst bei genauerer Nachorschung erkennt. In Sachen Kampf und Krieg ist "Mode" noch nie das einzige beherrschende Kriterium für irgendetwas gewesen. Niemand hat je wissentlich riskiert, einen Krieg zu verlieren, um der modischere der beiden Kontrahenten zu sein (gut, es gab da 1917 mal einen rumänischen General, aber das ist eine andere Geschichte). Solange Mode nicht schadet, ok. Aber sobald sie signifikante Nachteile bringt, steht sie ganz weit hinten. Und ein qualitativ schlechteres Schwert ist ein signifikanter Nachteil. Deshalb vermute ich eben, dass das zugegebenermaßen adrette Aussehen einer Damaszierung nicht der alleinige Grund für ihre Existenz gewesen ist. Natürlich: wenn ich mehrere, qualitativ vergleichbare technische Möglichkeiten habe, eine gewisse Notwendigkeit zu erfüllen, warum dann nicht die hübschere nehmen? Meine Vermutung (man sage mir, wenn ich Blödsinn rede, denn ich bin, wie gesagt, kein Metallurg): Eine Damaszierung macht grundsätzlich Sinn, wenn ich Stahlsorten mit unterschiedlichen Eigenschaften (woher die nun kommen, Phosphor, Kohlenstoff, Stickstoff oder was weiß ich, das sei jetzt an dieser Stelle mal nebensächlich) kombinieren möchte. Der Einwand: Es gab ja Stahlsorten mit mehr oder weniger idealen Schwerteigenschaften. Was die Existenz qualitativ hoch-, sogar höherwertiger Monostahlschwerter auch beweist. Mein Gegenargument: Ja, aber mit den damaligen Mitteln war eine solche Stahlqualität nicht im Voraus planbar. Ab und zu gelang es mal, allzu oft aber nicht. Allzu oft hatte man wohl zwar nicht unbedingt schlechte oder minderwertige, aber nicht ideale Stähle zur Verfügung. Diese zu einem WErkstück mit den gewünschten Stahleigenschaften zu kombinieren, war eine Lösung des Problems. Sicherlich nicht die einzige, aber eine, die gleichzeitig auch in relativ kleinen Schmieden durchführbar war (das Verflüssigen und tatsächliche Mischen mehrerer Stahlsorten - der Begriff "legieren" ist dafür an sich nicht korrekt, beschreibt aber für Laien wie mich ganz gut, was damit gemeint ist - ist wegen der dafür notwendigen Temperatur doch mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden) und auch noch einen optisch ansprechenden Effekt ergab. Ein Schmankerl, das zwar an sich nicht notwendig war, das man aber natürlich gerne mitnahm. Soviel zum Einfluss der Optik, der Eitelkeit, des Protzfaktors. Aber er war nicht der ursprüngliche Hauptgrund dafür. (Etliche damaszierte Schwerter waren übrigens nicht einmal geätzt, die Damaszierung damit gar nicht auf den ersten Blick erkennbar) Im Laufe der Zeit dann trat die technische Notwendigkeit immer mehr zurück, irgendwann - so gegen Ende der Merowingerzeit - blieb dann tatsächlich in erster Linie der optische Effekt als Motivation für diese Technik. Wie gesagt, nur meine Theorie. Was allerdings, Xerxes schrieb seinen Beitrag, während ich noch mit meinem beschäftigt war, so dass ich seinen erst jetzt, nach Abschluss von meinem, gelesen habe, ein nicht zu unterschätzender Faktor ist, wegen dem wir möglicherweise aneinander vorbeireden, obwohl wir unter Umständden sogar einer Meinung sind: "Damaszierung" ist ncht gleich "Damaszierung". Wenn man als "Damaszierung" nur den Torsionsdamast und seine Abarten bezeichnet, dann, ja dann, stimme ich weitgehend zu. Dieser dient aufgrund seiner bewusst dicken Lagen (dünnere ergäben zwar eine homogenisierung des Gesamtmaterials, wären aber nicht mehr erkennbar) eigentlich ausschließlich der Erzielung eines optischen Effekts. Was gesamtqualitativ tragbar ist, solange die verwendeten Stähle beide qualitativ in Ordnung sind. Dann ist es tatsächlich nur eine Spielerei mit dem Material zur Erzielung eines schönen Aussehens. Ich (als Laie, ich wiederhole mich) verwende den Begriff "Damaszierung" aber auch - vielleicht fälschlich - für eine Feuerverschweißung dünner Lagen unterschieldicher Stähle. Was am Ende kein vorhersagbares, wildes Muster ergibt, aber wegen der geringen Dicke der Schichten einer Art Pseudomischung (Problem der realen Mischung siehe oben) gleichkommt, also tatsächlich die Eigenschaften der Stähle kombiniert. Sollte ich Dich (Jannis) mit meiner Begriffsstutzigkeit allzu sehr belasten, dann bitte ich um Vergebung. prost1
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