Heidensohn
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Die letzten Monate habe ich ein paar Beobachtungen gemacht, die ich gerne in Worte fassen und anhand anderer Erfahrungen überprüfen möchte. Ich schreibe einfach mal meine Gedanken und würde mich freuen, wenn ich ein paar Meinungen als Antworten bekommen würde. Ich war vor kurzem auf einem Campingplatz und habe mich mit Dauercampern unterhalten. Mit meinen Eltern und Geschwistern war ich meine ganze Jugend hindurch in den Sommerferien mit dem Wohnmobil unterwegs. Dauercamper waren mir immer suspekt. Das riefen mir diese Unterhaltungen wieder in Erinnerung. Es ist auch heute noch so. Warum? Ich glaube es liegt daran, dass für mich die Vorteile, der Flair, die Besonderheit des Campings in der Mobilität liegen. Man ist unterwegs. Der Weg ist das Ziel. Man ist eben nicht daheim, sondern sucht das Fremde, das Neue (und natürlich auch das Vertraute das darin oft verborgen liegt). Die Mobilität aufgeben, einfach nur den Ort wechseln und am Ziel dann auch noch etwas mit viel Energie errichten, das letztlich nichts anderes, als ein "anderes Daheim" ist (inklusive Jägerzaun, Küchenzeile, Geranien, Gartenzwergen und deutschen Nachbarn) - das fühlt sich für mich schlicht als Verrat am Konzept von Camping an sich an. Man geht weg, nur um wohin zu kommen, wo man sich praktisch dasselbe, wie am Ausgangsort aufbaut. Dafür muss ich doch nicht so weit wegfahren! Die Energie wäre meiner Meinung nach in vielen anderen Dingen besser angelegt. Und was hat das nun mit Mittelalter zu tun? Nichts - aber viel mit der Mittelalterszene. Denn: Seit ich mir das gerade beschriebene bewusst gemacht habe, weiß ich auch was mich an vielen Mittelalter-Markt-Aktiven (auch in meiner eigenen Gruppe) aufregt. Es ist das selbe Prinzip und ich denke es lohnt sich auch für Andere ein wenig drüber nachzudenken. Es ist ein anscheinend recht weit verbreitetes Phänomen bei Lagergruppen, dass ab einem gewissen Punkt mehr Energie in das erfüllen moderner Bequemlichkeitsbedürfnisse, als in thematisch-/darstellungstechnische Weiterentwicklung gesteckt wird. Es wird gebaut und geplant was das Zeug hält, um große bequeme Zelte, Zeltheizung, Stromversorgung und Beleuchtung, Betten, Geschirrregale, Kühlschränke, eigene Waschmöglichkeiten bis hin zu Dusch- und Klozelten in das Lager zu integrieren. Je höher die handwerkliche Vorbildung, desto umfassender scheinen die Konstruktionen zu werden. Natürlich werden sie altertümlich konstruiert, oder zumindest abgetarnt und man macht sich viele Gedanken, wie man es vor den Besucheraugen versteckt oder kaschiert. Aber: Aus meiner Sicht ist das fehlgerichtete Energie. Auch hier wird geradezu reflexhaft versucht ein "anderes Daheim" zu bauen. In einem Umfeld/Hobby, das seinen Reiz doch eigentlich aus der Erforschung und Erfahrung des "Fremden" gewinnt, blockiert das aber geradezu den Sinn des Hobbys. Dass die Dusche und der Kühlschrank umbrettert sind und mit keltischen Knotenschnitzereien hübsch aussehen, macht sie nicht mittelalterlich. Dass unter dem festen Dach und hinter dem Vorgarten ein Wohnwagen steht, macht es nicht zu Camping. Ich mache mir keine Illusionen: Nur weil jemand "Mittelalter" macht, hat er noch lange nicht dasselbe Hobby wie ich. Im Larp hat das Ralf Hüls mehrfach bewundernswert herausargumentiert (http://www.larpwiki.de/Meinung/Sozialverhalten http://www.larpwiki.de/Meinung/Spielphilosophie besonders: http://www.larpwiki.de/Meinung/Spielphilosophie/TeilungDerLARPSzene und http://www.larpwiki.de/Meinung/Spielphilosophie/TeilungRefutatio) und es trifft zu 100% auch in der Mittelalterszene. Aber ich frage mich, ob es denn ich nenne sie mal Marktlager-Optimierern überhaupt bewusst ist, dass sie bei ihrem Tun Energie und Zeit in einen Seitenbereich ihres Hobbys stecken, der unverhältnismäßig ist. Denn fast immer bleibt dabei die Beschäftigung mit "dem Mittelalter" auf der Strecke. Ist es eine bewusste Entscheidung, oder eben einfach ein Reflex des deutschen Nestbauers? Ich schätze letzteres und glaube, dass kleine wohlmeinende Schubser hin zu beispielsweise neuer (besser recherchierter) Kleidung und das Bestehen auf vorangehender Recherche über historische Möglichkeiten vor dem planen semi-moderner Konstrukte erfolgreich und auch im Sinne der "Geschubsten" sind. Würdet ihr mir da zustimmen? P.S.: Ich nenne das Phänomen übrigens ab sofort den "Dauercamper-Reflex".