In Libyen gehen sie zur Zeit zum Teil mit T34(!) aufeinander los...
So weit "runter" brauchst Du Dich gar nicht zu begeben. Selbst in der modernsten Armee der Welt, der US Army bzw Air Force, fliegen 50 Jahre alte Flugzeuge rum. Die wurden allerdings immer wieder mal modernisiert, so dass sie zumindest innen drin leidlich modern sind. Wenn man nun von unserer heutigen Zeit, in der der (waffen)techische Fortschritt im Vergleich zu früheren Zeiten (Das Schwert an sich war über tausende von Jahren in Gebrauch, von Speer und Pfeil und Bogen mal ganz zu schweigen) rasend schnell verläuft, könnte man 50 heutige Jahre sicherlich als äquvalent zu mehreren hundert Jahren im Mittelalter ansehen. Von heute auf damals abzuleiten ist allerdings ein Problem. Es ist halt nur eine Analogie, eine Vermutung. Wenn ich das tue, habe ich keinen Beweis dafür und bin deshalb unwissenschaftlich. Wenn ein Historiker das tut, hat er keinen Beweis dafür und ist trotzdem wissenschaftlich. Das verstehst Du nicht, versteh's ich ja kaum. Der Vergleich mit den Autos hinkt, aus mehreren Gründen. Erstens ist ein Auto in erster Linie ein Verschleißobjekt, dass täglich benutzt wird und nach so und so viel Jahren einfach durch ist. Will man sie trotzdem weiter in Gebrauch halten, erfordern die Dinger einen immensen Wartungsaufwand, den aufzubringen halt nur einige Liebhaber bereit sind. Außerdem gibt es für die allermeisten Modelle irgendwann keinen Support mehr. Es liegt also nicht nur am Besitzer selbst, ob er sein Auto über einen gewissen Zeitraum hinaus nutzt. (Ich selbst verwende das Auto übrigens gerne als Denkanstoß für das Argument der Seltenheit, weil Hochpreisigkeit von diversen Waffen- und Rüstungsteilen im FMA. Das Zeug, so die übliche Lesart, sei teuer und damit automatisch selten. Autos heutzutage, so meine Dagegenhalten, sind auch teuer und trotzdem kriege ich seltsamerweise nie einen Parkplatz) Trotzdem ist das Argument, zumindest grundlegend, nicht ganz von der Hand zu weisen. Die allermeisten von uns benutzen so gut wie gar nichts von den Groß- oder gar Urgroßeltern. Nicht nur bei Autos, auch bei Dingen, die an sich technisch zeitlos wären, etwa Schmuck. Dass das Einstiegs- wie auch Kernargument in der Kaptorga-Argumentation der Ritter oder gar Adelskrieger ist, wurde ja schon bemängelt. Klar, bei dem ist davon auszugehen, dass er auf dem leidlich neuesten Stand war. In der Formel 1 sieht man heute auch recht selten alte Silberpfeile mitfahren, obwohl die damals state of the art waren. Um das Auto-Argument mal weiterzunutzen. Allerdings gibt Adam ja durchaus zu, dass es (Oldtimeranalogie) durchaus, wenn auch sehr selten ("Promillebereich"), vorgekommen sein mag, dass jemand mit veralteter Ausrüstung in die Schlacht ritt. Ein weiteres Argument, dass ich nicht unergänzt stehen lassen will, sind die spätmittelalterlichen Kreuzigungsdarstellungen, in denen veraltete Ausrüstung dazu diene, die abgebildeten Soldaten als "die Bösen" darzustellen, weshalb man sie im Bild verlottert, abgerissen und eben veraltet ausstattete. Das ist möglich, aber nicht zwingend. Immerhin dürfte auch auch ein relativ ungebildeter Maler oder Bildhauer im Spätmittelalter gewusst haben, dass die biblische Zeit schon ein Weilchen her war. Und nur weil andere antike Schlachten so malten, als seien alle in spätmittelalterlicher Ausrüstung aufeinander losgegangen, muss diesen Anachronismus nicht jeder Künstler wiedergekäut haben. Womöglich wurden die alten Soldaten auch deshalb so gemalt, weil es alte Soldaten waren? Wie aber passt das kategorische Eingangs-Nein nun zu dem Eingeständnis, dass Stadtaufgebote sich aus zum Teil durchaus etwas angestaubten Arsenalen ausstatteten? Man erinnere sich nur an das Aufgebot von Visby, welches 1361 in eindeutig veralteter Ausrüstung massakriert wurde? Das Argument, dass manche Ausrüstung schlecht zu bestimmten Taktiken passt, ist ebenfalls einleuchtend. Das aber ist primär ein taktisches Problem, kein zeitliches. Auch ein Buckler oder ein Parierdolch ist in einem Schildwall vollkommen fehl am Platz, aber dafür ist er ja auch nicht gemacht. Das hat mit der Epoche erst mal nichts zu tun. Es kommt schon auch darauf an,
was ich darstelle. Als griechischer Hoplit muss ich eine Hoplitenausrüstung tragen, der Schild muss entsprechend groß und geformt sein.
Wie alt er genau ist, ist dabei aber in der Tat nebensächlich. Wenn sich eine Taktik seit der Zeit meines Opas nicht geändert hat, dann ist
von daher nichts gegen dessen Ausrüstung einzuwenden. Die Kernschwäche der Kaptorga-Argumentation ist, dass sie sich sehr auf für das Spätmittelalter relevante Argumente konzentriert, das aber nicht in Titel und Vorfeld klar macht, in der der Eindruck erweckt wird, es gehe generell um alle Zeiten des Reenactments. Adam windet sich da an der ein oder anderen Stelle merklich, um sein kategorisches Nein zu halten, obwohl er selbst Gegenbeispiele bringt. Ich vermute da eine typisch neuzeitliche und dabei ganz besonders typisch deutsche Eigenart: Man muss sich "eindeutig positionieren" bzw "klare Kante zeigen". Ein Extrem ("ey, das ist ein Erbstück von den Ahnen, das in meiner Familie seit 300 Jahren in Ehren gehalten wird!") wird hierzulande mit einem diametral entgegengesetztes Extrem gekontert ("Nein, hat es nie gegeben, ist absolut untragbar"), mit dem Ergebnis, dass eigentlich alle irgendwie Unrecht haben. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen (mit deutlicher Tendenz zur Kaptorga-Position), aber wenn man einen Mittelweg vertritt, kriegt man es erfahrungsgemäß von beiden Extremseiten. :keule1