Wikinger...

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.
Wenn du mir einen frühmittelalterliche Region zeigst, die mehr brettchengewebte Borten hat, dann bin ich dabei ;-) Ich mache es, wegen der brettchengewebten Borten aus Birka. Und wegen der Schalenfibeln... die finde ich einfach klasse. Dafür werde ich dann auch zum Luxusweibchen. Und das mit dem 'Kämpfen' und 'Verklären' überlasse ich gerne anderen. P.S. und nein, die koptischen Borten zählen nicht. Ich mache keine Ägyptische Darstellung.
 
Ok, wenn ihr hier alle Bewohner des Nordens von 700 bis 1100 und offenbar auch die Bewohner der Gegend um Kiew als "Wiki" oder "Wikinger" bezeichnet: wie nennt ihr dann
  • die echten Wikinger, also die Westnordmänner, die eben diese gemischten Handels- und Raubzüge im Västerled unternahmen?
  • die Väringar, die ähnliches nach Osten und Süden taten, aber eben auch dauerhaft eroberten und als Söldner tätig waren?
  • das Mischvolk der Staatengründung der Rus in Kiew
  • die Bewohner des westlichen und östlichen Nordens, die keine Wikinger oder Väringar im eigentlichen Sinne waren?
Oder wird einfach alles über einen Kamm geschoren?
Kommt auf den Kamm an: grob oder Läusekamm? ;) Ich nutze "Wikinger" als Oberbegriff für den gesamten Kulturkreis und zur Differenzierung die jeweiligen Sonderbegriffe. Wenn ich explizit Leute meine, die auf Viking gingen, nutze ich meißt die Bezeichnung "Vikingr", um Verwechslung mit dem von mir als Oberbegriff genutzen "Wikinger" zu vermeiden.
 
Zusätzlich zu so ziemlich allen bisher genannten Gründen möchte ich anmerken, dass die Wikingerzeit das optimale Sprungbrett ist, um sich mit anderen Zeiten und Regionen des europäischen Frühmittelalters zu beschäftigen. Viel Literatur, alles leicht zugänglich/verfügbar,... Das war mir zwar damals noch nicht bewusst, als ich mit der Wikingerzeit begonnen habe, aber ohne Vorwissen wäre mir ein Einstieg in eine regionale Frühmittelalter-Darstellung sicher nicht geglückt. TL/DR: fast alle guten Frühmittelalter-Darsteller waren am Anfang ihrer Karriere mal "Wikinger".
 
Ich habe mich für eine (künftig evtl mehrere) frühmittelalterliche Darstellung(en) entschieden, da mir das ganze eben ins Konzept passt, wie ich mein künftiges Leben gestalten möchte. Der Norden hat mich schon lange fasziniert. Ich möchte nichts romantisiert, verklärt darstellen, aber alte Gedanken hernehmen, die heute noch relevant sind und diese für die heutige Zeit anpassen. Dazu trugen auch musikalische Einflüsse bei. Man sieht also, dass die Gründe für eine Darstellung des skandinavischen Frühmittelalters sehr verschieden sein können. Bei mir hat das nichts mit "Jeder macht das, deshalb mach ich das auch" zu tun. Jeder sollte die Darstellung machen, die einem Spaß macht und mit der man sich identifizieren kann.
 
Ich habe mich für eine (künftig evtl mehrere) frühmittelalterliche Darstellung(en) entschieden, da mir das ganze eben ins Konzept passt, wie ich mein künftiges Leben gestalten möchte. Der Norden hat mich schon lange fasziniert. Ich möchte nichts romantisiert, verklärt darstellen, aber alte Gedanken hernehmen, die heute noch relevant sind und diese für die heutige Zeit anpassen. Dazu trugen auch musikalische Einflüsse bei. Man sieht also, dass die Gründe für eine Darstellung des skandinavischen Frühmittelalters sehr verschieden sein können.
Natürlich freut mich das, wenn meine Heimat als Ziel von Faszination darfestellt wird. Aber gleichzeitig bin ich auch erstaunt. Denn vielleicht bin ich ja fahrtblind, aber ich denke, dass alle Kulturen ihre Faszination haben (und ihre Nachteile). Was bringt bspw. dich, der du dich ja selber als Schwabe identifizierst, dazu, eine fremde Kultur zu wählen (und nicht die eigene)? Du musst die Frage überhaupt nicht beantworten, sie soll nur illustrieren, was mich beschäftigt in diesem Zusammenhang. Obwohl: als Kinder haben wir ja auch "Indianer" gespielt... im wesentlichen unter dem Einfluss von Karl-May-Büchern (die damals sehr populär waren). Vielleicht sind die "Wikinger" ja die modernen "Indianer"? //M
 
Ich habe mich für eine (künftig evtl mehrere) frühmittelalterliche Darstellung(en) entschieden, da mir das ganze eben ins Konzept passt, wie ich mein künftiges Leben gestalten möchte. Der Norden hat mich schon lange fasziniert. Ich möchte nichts romantisiert, verklärt darstellen, aber alte Gedanken hernehmen, die heute noch relevant sind und diese für die heutige Zeit anpassen. Dazu trugen auch musikalische Einflüsse bei. Man sieht also, dass die Gründe für eine Darstellung des skandinavischen Frühmittelalters sehr verschieden sein können.
Natürlich freut mich das, wenn meine Heimat als Ziel von Faszination darfestellt wird. Aber gleichzeitig bin ich auch erstaunt. Denn vielleicht bin ich ja fahrtblind, aber ich denke, dass alle Kulturen ihre Faszination haben (und ihre Nachteile).Was bringt bspw. dich, der du dich ja selber als Schwabe identifizierst, dazu, eine fremde Kultur zu wählen (und nicht die eigene)? Du musst die Frage überhaupt nicht beantworten, sie soll nur illustrieren, was mich beschäftigt in diesem Zusammenhang. Obwohl: als Kinder haben wir ja auch "Indianer" gespielt... im wesentlichen unter dem Einfluss von Karl-May-Büchern (die damals sehr populär waren). Vielleicht sind die "Wikinger" ja die modernen "Indianer"? //M
Der Name stammt noch aus den Anfängen, da war ich glaube ich 14. Was mich ausgerechnet so fasziniert an der Darstellung in dieser Region? Wie gesagt, verschiedene Gründe. Eine regionalere Darstellung schließt es ja nicht aus.
 
Moin Benjamin, da du ins Frühmittelater abgewandert bist gibt es gerade in deiner Gegend doch so einiges was genutz werden kann ohne nach Nordeuropa auszuweichen. Gut den "Hörnerhelm" muss du dir ersparen aber sonst :D
 
Wie gesagt, das ist bei mir aus mehreren Gründen mein Hauptfokus. In diesem Thread geht es ja genau darum, warum denn unbedingt "Wikinger". Ich möchte schon auch noch regionaler gehen in Richtung Bajuwaren und Slawen. Ein Keltendorf ist auch nicht so weit weg.
 
Bitte nicht falsch verstehen, ich will niemandem etwas madig machen oder absprechen. Es ist mehr das Interesse. Ich interessiere mich für die Geschichte meiner Heimat, weil ich dort her komme und wissen will, wie die Menschen dort früher gelebt haben. Das schliesst für mich nicht aus, mich für fremde Kulturen zu interessieren, in meinem Fall (ich bin Schleswig-Holsteiner) für süddeutsche oder eben schwedische, oder italienische, asiatische... Aber mein Hauptfokus liegt (aus meiner Sicht natürlicherweise) auf der Kulturgeschichte meiner Heimat, und das ist für mich die jütische Halbinsel und Teile Norwegens und Schwedens... und deshalb werde ich neugierig, wenn jemand anderes das anders macht. Dann sehe ich auch, dass es keine scharfen Grenzen gibt, was Kulturen betrifft; Menschen wandern hin und her, Sprachen mischen sich, und unsere Kategorisierungen dienen in erster Linie dazu, Dinge zu vereinfachen (was ich für vollständig legitim halte). Wenn das Vereinfachen allerdings dazu führt, das bestehende Begriffe in einer Weise erweitert werden, dass ihr ursprünglicher Inhalt verloren geht, in das Gegenteil verkehrt oder zu etwas ganz anderem wird (wie im aktuellen Fall "Wikinger"), dann finde ich das problematisch. //M
 
Wenn du es ganz genau mit der eigenen Kultur bzw deren Wurzeln zur Völkerwanderungszeit nehmen möchtest, verliert sich der regionale Bezug eh teilweise... Dann hast du Wikinger und deren Nachfahren eh in ganz Nordeuropa verstreut - beziehst du die Handelswege mit ein und die Durchmischung der Ethnien, hast du die gesamte antik bekannte Welt als regionalen Bezug. Die Natur einer jeden Darstellung ist es doch, eine mögliche Person zum Leben zu erwecken, die nicht der eigenen entspricht und sich daran zu erfreuen, vergessene Handwerksfähigkeiten oder etwas anderes zu tun, dass Ablenkung vom eigenen Alltag bietet. Das ist ein Hobby, das Urlaub von sich selbst als großes Ziel hat - und wer möchte jeden Urlaub schon daheim verbringen..? Das gleiche ist doch auch beim Sport so - ich liebe Eishockey und hab das mein halbes Leben gespielt - hätte ich das nicht machen dürfen, weil meine Vorfahren der letzten x-hundert Jahre nicht aus Schweden gekommen sind? Darf ich mich jetzt nicht für Razmafzar interessieren, weil ich nicht im Iran lebe?
 
Mir ist noch ein weiterer Punkt in den Sinn gekommen, der mich an der Gesellschaft im wikingerzeitlichen Skandinavien besonders fasziniert: verglichen mit dem zu jener Zeit bereits christianisierten Westen Europas, war die gesellschaftliche Hirarchie im noch heidnischen Skandinavien weniger streng ausgeprägt, vertikal durchlässiger und es gab sogar demokratische Elemente. Die große Mehrheit der Männer waren Karls, d.h. freie Männer. Als solche hatten sie eine Stimme im Thing und konnten selber wählen, welchen lokalen Anführer sie unterstützten. Ein Jarl konnte sich also nicht allein auf seine familiäre Abstammung berufen, sondern musste sich als fähiger Anführer bewähren, um sich den Rückhalt seiner Gefolgsleute zu sichern. Gelangte ein Karl zu besonders hohem Ansehen und Wohlstand, so konnte er auf diese Weise zum Jarl aufsteigen. Die persönlichen Fähigkeiten und Leistungen konnten also die Umstände überwinden, in die man hineingeboren worden war. Dagegen sahen die Könige im christlichen Teil Europas ihre Macht und die von ihnen ausgehende Hirarchie allein aufgrund ihrer noblen Abstammung und "von Gottes Gnaden" legitimiert. Hatte man das Pech, in eine der unteren Schichten der Gesellschaft hineingeboren worden zu sein, so wurde auch dies als gottgewollt und damit unabänderlich aufgefasst. Dass ausgerechnet das Christentum - oder vielmehr die mittelalterliche Fehlinterpretation der christlichen Lehre und ihr Missbrauch für Machtinteressen - dazu geführt hat, weite Teile der Gesellschaft zu unterdrücken und zur Unterwürfigkeit zu erziehen, ist für mich eine bittere Ironie. X/ Zu den gesellschaftlichen Klassen im vikingerzeitlichen Skandinavien siehe auch: http://www.hurstwic.com/history/articles/society/text/social_classes.htm
 
verglichen mit dem zu jener Zeit bereits christianisierten Westen Europas, war die gesellschaftliche Hirarchie im noch heidnischen Skandinavien weniger streng ausgeprägt
Das entspricht zwar der gängigen, romantisch verklärten Ansicht zu den "freien Heiden", ist aber keineswegs von den verfügbaren historischen Quellen ableitbar. Mal abgesehen von den Thing-Versammlungen, welche sich in Skandinavien am längsten hielten, waren sich die germanisch geprägten Gesellschaften des frühmittelalterlichen Europas - unabhängig von Religion - sehr ähnlich.
Die persönlichen Fähigkeiten und Leistungen konnten also die Umstände überwinden, in die man hineingeboren worden war.
Der soziale Aufstieg vom Sklaven zum "Befreiten" vom Befreiten zum Freien oder vom Freien zum (Proto-)Adeligen war damals noch überall (auch im christlichen Frankenreich z.B.) in ähnlicher Form theoretisch möglich, ABER... die altnordische Literatur zeichnet ein sehr klares Bild von einem beinharten Kastensystem. Die Isländersagas sind voll mit Konflikten, welche sich aus sozialen/hierarchischen Spannungen ergeben.
 
... Dass ausgerechnet das Christentum - oder vielmehr die mittelalterliche Fehlinterpretation der christlichen Lehre und ihr Missbrauch für Machtinteressen - dazu geführt hat, weite Teile der Gesellschaft zu unterdrücken und zur Unterwürfigkeit zu erziehen, ist für mich eine bittere Ironie. X/ Zu den gesellschaftlichen Klassen im vikingerzeitlichen Skandinavien siehe auch: http://www.hurstwic.com/history/articles/society/text/social_classes.htm
Dazu habe ich grad einen tollen Podcast von Kaptorga gehört. Von Karl dem Großen zu den Ottonen oder so. Super beschrieben und es wird erklärt, warum „der arme unterdrückte Heide“ Geschichtsklitterung ist und warum die katholische Kirche das Windows des Frühmittelalters war. Und warum überhaupt so viele Reenactors Wikinger machen?! Kann ich nur empfehlen, sehr interessant, unbedingt anhören.
 
Bitte nicht falsch verstehen, ich will niemandem etwas madig machen oder absprechen. Es ist mehr das Interesse. Ich interessiere mich für die Geschichte meiner Heimat, weil ich dort her komme und wissen will, wie die Menschen dort früher gelebt haben. Das schliesst für mich nicht aus, mich für fremde Kulturen zu interessieren, in meinem Fall (ich bin Schleswig-Holsteiner) für süddeutsche oder eben schwedische, oder italienische, asiatische...
Das gleiche ist doch auch beim Sport so - ich liebe Eishockey und hab das mein halbes Leben gespielt - hätte ich das nicht machen dürfen, weil meine Vorfahren der letzten x-hundert Jahre nicht aus Schweden gekommen sind? Darf ich mich jetzt nicht für Razmafzar interessieren, weil ich nicht im Iran lebe?
Meinetwegen darfst du es wie gesagt gerne, ich tue es ja auch (mich für fremde Kulturen interessieren, nicht Eishockey spielen), immerhin habe ich sowohl in Bayern als auch (die letzten 18 Jahre) in Schweden gelebt, genau aus dem Grund. Mich interessiert eben, wie es zu diesem Interesse kommt. Was sich hier herausschält, ist eine gewisse Romantisierung sowohl der Wikinger als auch der eisenzeitlichen Kultur im Norden. Um das letztere zu heilen lohnt sich ein Blick in die erhaltenen Landschaftsgesetze, in denen die Regeln erhalten sind...das war keine sehr freie Kultur...
Dann sehe ich auch, dass es keine scharfen Grenzen gibt, was Kulturen betrifft; Menschen wandern hin und her, Sprachen mischen sich, und unsere Kategorisierungen dienen in erster Linie dazu, Dinge zu vereinfachen (was ich für vollständig legitim halte).
Wenn du es ganz genau mit der eigenen Kultur bzw deren Wurzeln zur Völkerwanderungszeit nehmen möchtest, verliert sich der regionale Bezug eh teilweise...
Wir scheinen uns da einig zu sein, oder was willst du sagen? Oder bist du gegen Vereinfachungen?
Dann hast du Wikinger und deren Nachfahren eh in ganz Nordeuropa verstreut -
Vielleicht wird jetzt das Problem deutlich, das ich oben anspreche: wir müssen definieren, wovon wir eigentlich reden. Reden wir über Wikinger, also eine kleine Gruppe marodierender, umherziehender semiseriöser Händler/Betrüger/Hooligans/Vergewaltiger, sowohl in Skandinavien als auch im Rest Europas und etwa so populär wie heute Terroristgruppen, oder reden wir über die nordische Eisenzeitkultur, die ja etwas anderes ist? Auch wenn die Wikinger ursprünglich aus dieser Kultur kommen, so verlieren sie doch bald ihren Platz dort. Wovon also reden wir? Wikinger sind natürlich über grosse Teile der ihnen damals bekannten Welt gereist und einige sind dort geblieben. Und/oder haben Nachfahren in die Welt gesetzt. Das sind zwei verschiedene Dinge, die nicht in einen Topf gehören. //M
 
„Wikingerzeit“ ist ein geschichtswissenschaftlicher begriff und meint die späte skandinavische Eisenzeit nach der Wendelzeit... das ist doch alles durchdefiniert...
 
... Dass ausgerechnet das Christentum - oder vielmehr die mittelalterliche Fehlinterpretation der christlichen Lehre und ihr Missbrauch für Machtinteressen - dazu geführt hat, weite Teile der Gesellschaft zu unterdrücken und zur Unterwürfigkeit zu erziehen, ist für mich eine bittere Ironie. X/ Zu den gesellschaftlichen Klassen im vikingerzeitlichen Skandinavien siehe auch: http://www.hurstwic.com/history/articles/society/text/social_classes.htm
Dazu habe ich grad einen tollen Podcast von Kaptorga gehört. Von Karl dem Großen zu den Ottonen oder so. Super beschrieben und es wird erklärt, warum „der arme unterdrückte Heide“ Geschichtsklitterung ist und warum die katholische Kirche das Windows des Frühmittelalters war. Und warum überhaupt so viele Reenactors Wikinger machen?! Kann ich nur empfehlen, sehr interessant, unbedingt anhören.
Meine Bemerkung bezog sich nicht etwa auf "unterdrückte Heiden" - zumal die Christianisierung in Skandinavien ja (überwiegend) nicht gewaltsam erfolgte. Es kam darin vielmehr meine Frustration zum Ausdruck, dass das Vermächtnis des Jesus von Nazareth immer wieder umgedeutet und missbraucht wurde (und bis heute wird), um damit Druck auf und Macht über Menschen auszuüben. Ich bemerke jedoch gerade, dass dies eine eher theologische Betrachtung ist, die an dieser Stelle wohl nicht ihren Platz hat. Fraglos war die römische Kirche die am effizientesten organisierte und vernetzte Institution der damaligen Zeit. Aaaargh! Versehentlich auf "Absenden" gedrückt. X/
 
Ohne Frage war die römische Kirche damals ein Hort des Wissens und der Gelehrsamkeit in einer Welt, in der außerhalb der Klöster kaum ein Mensch des Lesens und Schreibens mächtig war. Christliche Herrscher konnten in einer dem beiderseitigen Nutzen dienenden Beziehung mit der Kirche zudem deren zentralisierte und zugleich weit verzweigte Infrastruktur als Grundgerüst für ihren Verwaltungsapparat nutzen und so ihrer weltlichen Macht in einem größeren Gebiet Geltung verschaffen. In diesem Punkt sehe ich auch den wesentlichen Unterschied zu der - ursprünglich heidnischen - Organisation in einer Stammesstruktur: Vom Grundgedanken her geht in der germanischen Stammesgesellschaft die Macht doch von einer relativ großen Gruppe der Bevölkerung aus: den freien Männern des Stammes, die in der gesetzgebenden und zugleich richterlichen Versammlung - dem Thing - eine Stimme hatten. Dies war fraglos weit entfernt von dem freien, gleichen und geheimen Wahlrecht, das wir heute als Grundlage einer Demokratie verstehen, und in der Praxis konnten mächtige Persönlichkeiten mit ihrer großen Anhängerschar die Entscheidungen des Thing maßgeblich beeinflussen. Demgegenüber sehe ich die zentralistisch von einem Oberhaupt ausgehende Machtstruktur der römischen Kirche mit ihrer strengen, auf Gehorsam basierenden Hirarchie - mit der Bevölkerung an deren unterem Ende - und dem Verständnis ihrer Legitimation durch niemand geringeren als Gott.
Mal abgesehen von den Thing-Versammlungen, welche sich in Skandinavien am längsten hielten, waren sich die germanisch geprägten Gesellschaften des frühmittelalterlichen Europas - unabhängig von Religion - sehr ähnlich.
Damit eröffnen sich mal wieder einige sehr spannende Fragestellung für mich, die im Spannungsfeld einer Kultur mit ursprünglich heidnischer Tradition nach Annahme des christlichen Glaubens auftauchen: In wieweit wirkten heidnische Traditionen und Vorstellungen fort und in welcher Weise veränderte christliches Gedankengut das Denken und Weltbild der Menschen? In wiefern veränderte sich dadurch das Leben der Menschen? (Geburt, Heirat, Tod, Alltag...) In wiefern unterschieden sich die damals noch heidnischen, germanischstämmigen Gesellschaften in Skandinavien von den bereits christianisierten aber ebenfalls germanischstämmigen Gesellschaften im fränkischen Reich und in England? Und wie gelang es bspw. auf Island auch nach der Christianisierung die "proto-demokratische" Gesellschaftsorganisation noch bis ins späte 17. Jahrhundert beizubehalten? Wird alles auf meiner langen Liste spannender Forschungsfragen notiert. :D
verglichen mit dem zu jener Zeit bereits christianisierten Westen Europas, war die gesellschaftliche Hirarchie im noch heidnischen Skandinavien weniger streng ausgeprägt
Das entspricht zwar der gängigen, romantisch verklärten Ansicht zu den "freien Heiden", ist aber keineswegs von den verfügbaren historischen Quellen ableitbar.
In wieweit es sich es sich bei dieser Vorstellung um romantische Verklärung handelt, ist für die Frage, weshalb Menschen anfangen, sich für Wikinger zu begeistern allerdings erstmal nicht von Belang. ;) Ich bin fraglos noch ziemlich am Anfang des Prozesses, mein Bild von den wikingerzeitlichen Skandinaviern anhand historischer Quellen zu überprüfen und ggf. zu korrigieren, wobei meine Ausgangsbasis etwa das Niveau von Jugend-Sachlichteratur haben dürfte. Aber selbst wenn sich einige Vorstellungen als "romantischer" als die nachweisbare Wirklichkeit erweisen sollten, sehe ich nicht die Gefahr, dass dies meine Faszination für die "Wikinger" und ähnliche frühmittelalterliche Kulturen schmälern könnte - ganz im Gegenteil!
Dazu habe ich grad einen tollen Podcast von Kaptorga gehört. Von Karl dem Großen zu den Ottonen oder so.
Danke für den Tipp, das klingt sehr interessant. Angesichts von so vielen interessanten Fragen und Informationsmaterialien wünsche ich mir mal wieder sehnlichst, ich könnte Informationen so schnell aufnehmen wie Data in Star Trek. ^^
 
„Wikingerzeit“ ist ein geschichtswissenschaftlicher begriff und meint die späte skandinavische Eisenzeit nach der Wendelzeit... das ist doch alles durchdefiniert...
Wikingerzeit ist nicht kritisiert worden. Es geht um die pauschale Bezeichnung der Menschen dieser Zeit in Skandinavien als Wikinger. Das ist falsch. //M
 

Neueste Beiträge

Oben