Wikinger...

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Wikingerzeit ist nicht kritisiert worden. Es geht um die pauschale Bezeichnung der Menschen dieser Zeit in Skandinavien als Wikinger. Das ist falsch. //M
Das sind ja völlig neue Informationen - das sollte man schnellstens allen Leuten erzählen, die sich ernsthaft mit geschichtsnaher Darstellung in dem Bereich beschäftigen... :groehl
 
: Ich bin auf der Suche nach einem Eckchen des Mittelalters, in dem eine biologisch weibliche Transgender-Person (wie ich es bin) in einer männlichen Rolle - und ja, vorzugsweise in der Rolle eines Kriegers oder zumindest einer an Waffen ausgebildeten Person - gelebt haben könnte.
Was ist denn mit dem Birkgrab BJ 581?
 
@Thirk: Besten Dank für den Hinweis! Der Fund war mir allerdings schon bekannt und wurde im folgenden Thread bereits gepostet und ansatzweise besprochen: Finnische Wikinger-'Kriegerin' war ein Zwitter Dort habe ich auch die Originalpublikation verlinkt. An dieser Stelle auch mal ein dickes DANKÖÖÖ! an alle, die mit die Augen nach solchen "gender-queeren" Funden aufhalten und diese hier posten. :danke Denn auch ganz ergebnisoffen betrachtet - also egal, ob bei meinen Recherchen irgendwann mal genügend Belege für eine "Transgender-Darstellung" zusammenkommen oder nicht - ist das Themenfeld "Gender" (in der Gesellschaft des wikingerzeitlichen Skandinavien) in jedem Falle hoch spannend und einer meiner persönlichen Interessenschwerpunkte.
 
@Jons BJ581 ist ohne Frage die eindrucksvollste Waffenbestattung einer Frau aus dem wikingerzeitlichen Skandinavien, die bislang gefunden wurde. Eine wesentliche - und nach wie vor heiß diskutierte - Frage ist jedoch, welche Rückschlüsse man aus Waffenbeigaben auf die tatsächlichen Lebensumstände der bestatteten Person ziehen kann. Hat die Person die Waffen selber im Kampf geführt oder hatten sie eher symbolische Bedeutung z.B. um eine gehobene soziale Stellung anzuzeigen oder im Rahmen eines Begräbnisritus? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, braucht es ein breiteres Bild, zusammengesetzt aus den verschiedenen Quellengattungen, die uns aus der Wikingerzeit erhalten geblieben sind (und natürlich eine kritische Bewertung dieser Quellen). Ich beobachte die Forschung in diesem Bereich mit großer Spannung. Vergangenen Herbst ist übrigens eine weitere interessante Veröffentlichung zu diesem Thema erschienen: Gardeła L. (2021) Women and Weapons in the Viking World: Amazons of the North "[...] This pioneering and beautifully illustrated monograph provides an in-depth exploration of women's associations with the martial sphere of life in the Viking Age. The multifarious motivations and circumstances that led women to engage in armed conflict or other activities whereby weapons served as potent symbols of prestige and empowerment are illuminated and interpreted through an interdisciplinary approach to medieval literature and archaeological evidence from Scandinavia and the wider Viking world. [...]" Leider konnte ich mir das Buch noch nicht besorgen, es steht aber ganz weit oben auf meiner "to-read-list". ^^
 
@Fifill Ah, das hatte ich so gar nicht auf'm Schirm. Dachte dass sei irgendwie save, dass sie die Waffen auch benutzt hätte/ ne "männliche" Rolle inne gehabt haben müsste. Aber die Bestattung könnte dann auch eine nicht klärbaren symbolische Bedeutung haben?!
 
Hm, das liest sich ja schon mal sehr spannend. Dennoch gebe ich hier zu bedenken, dass es keinen einzigen hinreichenden Beleg für Frauen gab, die unter Waffen standen. Überhaupt finde ich, dass weder Hautfarbe, sexuelle Orientierung noch Geschlechtsindentität der darstellenden Person für das Dargestellte relevant sein sollten. Hauptsache sollte eine gute Darstellung sein und die Fähigkeit und der Wille Wissen zu vermitteln, zu sensiblisieren und aufzuklären. Dabei ist es vollkommen gleich, wer das tut. Wir spielen hier ja keine konkreten historischen Ereignisse oder Personen nach. Wir interpretieren Geschichte. Und solange das gut gemacht wird, nur zu! PS: Ich verfolge schon seit Längerem die Idee einer Frauendarstellung. Mir gefällt einfach die Idee. @Jons: Auf keinen Fall ist das save. Selbst in manchen Kindergräbern fand man Schwerter. Und das waren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eben keine Kindersoldaten.
 
@Fifill - Das Buch gibt's auch schon als Kindle-Version für gerade mal 12 € :) Den passenden Reader kann man sich auch als App herunterladen. @Jons - bei allen Bestattungen und deren Grabbeigaben muss man sich mehrere Fragen stellen: 1) Was möchte der Verstorbene über sich selbst aussagen? Welche Stellung in der Gesellschaft hatte er, und was möchte (oder aus gesellschaftlichen Verpflichtungen seiner Familie gegenüber auch ggf. MUSS) er davon noch bei seinem Begräbnis repräsentieren? 2) Was möchte seine Familie über den Verstorbenen aussagen? Gleiches wie bei 1) - welche Konventionen müssen eventuell aufgrund von Stellung, Rang, Reichtum, etc. Beachtet werden? 3) Was möchte das restliche Umfeld (ehemalige Dienstherren, Militär, Herrscherhof) über den Verstorbenen aussagen? Auch hier wieder - was muss ggf. dabei beachtet werden? 4) Was für Bestattungsrituale galten allgemein? Dabei sind ganz viele Aspekte, von denen wir einfach nichts wissen, weil es dazu keine Überlieferungen gibt. Und uns fehlen ebenso auch noch viele Informationen zu den sozialen Strukturen und zum Verständnis der Menschen damals. Und solange wir das alles nicht komplett wissen und verstehen, können wir zu Gräbern wie Bj. 581 lediglich sagen: 'Da liegt eine Frau in einem reich ausgestatteten Grab, und da sind auch Waffen mit drin.' Jegliche Interpretation dazu ist reine Spekulation. Nicht mehr und nicht weniger ;-)
 
@Fifill - Das Buch gibt's auch schon als Kindle-Version für gerade mal 12 € :)
Oh, danke für den Tipp! :thumbsup: Gegenwärtige steht's gerade ganz weit oben auf meiner Geburtstags-Wunschliste, da muss ich also erst noch ein paar Wochen abwarten... ;) Zumal der Flaschenhals gegenwärtig durch meine Lesegeschwindigkeit bzw. geistige Aufnahmekapazität entsteht. ||
Und solange wir das alles nicht komplett wissen und verstehen, können wir zu Gräbern wie Bj. 581 lediglich sagen: 'Da liegt eine Frau in einem reich ausgestatteten Grab, und da sind auch Waffen mit drin.' Jegliche Interpretation dazu ist reine Spekulation. Nicht mehr und nicht weniger ;-)
Das möchte ich nicht ganz so absolut stehen lassen: Hinsichtlich des Grabes Bj. 581 kann man auf Basis der Gesamtheit an Erkenntnissen, die bislang zu wikingerzeitlichen Bestattungssitten vorliegen, schon so weit gehen und sagen: 'Da wurde eine biologisch weibliche Person wie ein hochrangiger Mann bestattet' (u.a. auch gekleidet wie ein Mann). Zu dieser Aussage kommt auch Dr. Matthias Toplak: "Im Falle des Birka-Grabes hingegen wurde das biologisch weibliche Individuum nicht als Frau, sondern offensichtlich als Mann beigesetzt, wie die Elemente der Männertracht im Grab – Ringfibel, langerReiterkaftan und Verzierungen einer Mütze – zeigen." (Den gesamten Artikel "Die 'Kriegerin' von Birka - Eine Neubetrachtung" kann man auf der Website von Herrn Toplak nachlesen: https://wikinger-toplak.de/die-kriegerin-von-birka-eine-neubetrachtung/) Diese Aussage beinhaltet zwar schon eine Interpretation, bei Herrn Toplak bin ich aber davon überzeugt, dass fundierte Kenntnisse der Gesamt-Quellenlage (zur Kultur im wikingerzeitlichen Skandinavien) zugrunde liegen. ;) Allgemeiner gesagt, ist es ja gerade eine Aufgabe von Geschichtsforschung und Archäologie, die vorhandenen Quellen auszuwerten, in Beziehung zueinander zu setzen und zu versuchen, Rückschlüsse auf die damaligen Verhältnisse zu ziehen. Das so entstehende Bild einer Kultur ist natürlich immer ein Stück weit spekulativ und man sollte sich sehr klar darüber sein, welche Teile des Bildes auf handfesten wissenschaftlichen Belegen (bspw. archäologische Funde) beruhen und wo deren Interpretation - und damit auch der Bereich der Spekulation - anfängt. Begeben wir uns in den Bereich von Living History und Reenactment, wird es vermutlich keine mittelalterliche Epoche geben, deren Darstellung nicht zu einem gewissen Maß auf - hoffentlich möglichst gut fundierten - Spekulationen beruht. Bei der Frage, ob es im Kulturkreis des wikingerzeitlichen Skandinavien auch kämpfende Frauen oder gar weibliche Krieger gab (und wenn ja, unter welchen Umständen und welche Rolle dabei Waffenbestattungen von Frauen spielen), ist nach Ansicht der mir bekannten Experten die Datenlage bislang jedoch noch zu dünn, um fundierte Aussagen in die eine oder andere Richtung treffen zu können. Es bleibt aber weiter spannend (und ich am Ball)... ;)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
'Da wurde eine biologisch weibliche Person wie ein hochrangiger Mann bestattet' (u.a. auch gekleidet wie ein Mann).
Das ist noch keine Interpretation ;-) Das ist lediglich eine wertungsfreie Darstellung von nüchternen Fakten. Genau das führt Toplak auch umfangreich aus. Er gibt u.a. schöne Beispiele dafür, wie man anhand des Skeletts auf mögliche kämpferische Aktivitäten im Leben schließen könnte, warum diese hier nicht zutreffend sind, etc. Aber - er macht im Grunde nur die (seriöse) Schlussfolgerung, dass die Verstorbene im Leben eine hochrangige und angesehene Position gehabt haben dürfte. Mehr nicht. Bin auch mal sehr gespannt, was da noch an Erkenntnissen kommen wird :)
 
Überhaupt finde ich, dass weder Hautfarbe, sexuelle Orientierung noch Geschlechtsindentität der darstellenden Person für das Dargestellte relevant sein sollten. Hauptsache sollte eine gute Darstellung sein und die Fähigkeit und der Wille Wissen zu vermitteln, zu sensiblisieren und aufzuklären. Dabei ist es vollkommen gleich, wer das tut. Wir spielen hier ja keine konkreten historischen Ereignisse oder Personen nach. Wir interpretieren Geschichte. Und solange das gut gemacht wird, nur zu!
In dieser Sache bin ich innerlich hin und hergerissen: Wenn es um das Nacherleben mittelalterlicher Lebensumstände geht, stimme ich dir ohne jeden Vorbehalt zu. In dieser Hinsicht gefällt mir die Herangehensweise der SCA sehr gut, die genau das umsetzt: biologisches Geschlecht und Ethnie der dargestellten 'Persona' sind unabhängig von biologischem Geschlecht und Ethnie der darstellenden Person. Wenn es jedoch hauptsächlich darum geht, für ein Publikum möglichst authentisch eine mittelalterlichen Lebenswelt darzustellen - bspw. in einem Museums-Kontext - dann sehe ich das Problem, dass für Zuschauer u.U. nicht klar ersichtlich ist, dass es sich um modernes Crossdressing handelt und dadurch Bilder vermittelt werden, die nicht hinreichend (oder sogar gar nicht) durch Belege abgesichert sind. Mit meiner eigenen - noch im Entstehen begriffenen - Darstellung befinde ich mich genau in diesem Dilemma: ich bin biologisch weiblich, habe eine nichtbinäre Geschlechtsidentität und kann mir im Mittelalterkontext (bislang) nur eine (zumindest sozial) männliche Rolle vorstellen. Meine persönliche Traumrolle wäre die einer "Schildmaid" (im Sinne einer Frau, die vollständig eine männliche Kriegerrolle annimmt, so wie bspw. die fiktive Figur Hervör in der Hervarar Saga), für die es jedoch beim aktuellen Stand der Forschung keine ausreichenden Belege gibt. Alternativ würde ich eine männliche Figur darstellen wollen, bspw. den Sohn eines wohlhabenden Bauern, der sich als besonders guter Bogenschütze hervortut. In jedem Fall wäre mir wichtig, fundiert Auskunft geben zu können, in wie weit meine Darstellung auf gesicherten Erkenntnissen basiert und an welchen Stellen meine eigene Interpretation beginnt.
PS: Ich verfolge schon seit Längerem die Idee einer Frauendarstellung. Mir gefällt einfach die Idee.
Hey, das ist eine tolle Idee! :thumbsup: Da würde sich ja auch mal ein Thread zum Thema "Crossdressing in der Mittelalterdarstellung" lohnen... *notiert auf to-post-list* :D
 
Überhaupt finde ich, dass weder Hautfarbe, sexuelle Orientierung noch Geschlechtsindentität der darstellenden Person für das Dargestellte relevant sein sollten. Hauptsache sollte eine gute Darstellung sein und die Fähigkeit und der Wille Wissen zu vermitteln, zu sensiblisieren und aufzuklären.
Jein. Bei der sexuellen Orientierung bin ich bei dir, die sieht man auch von außen nicht. Bei der Geschlechtsidentität schon nicht mehr, wenn sie von außen zu sehen ist. Und bei der Hautarbe auch nicht. Wenn bei der Farbe der Kleidung gemäkelt wird, dass die nicht zur dargestellten Zeit und Region passt, wieso sollte das dann plötzlich bei der Hautfarbe anders sein? Gesellschaftliche Moden hin oder her, ich bitte um Konsequenz. Ich bin jederzeit für unaufdringliche Gleichstellung und Toleranz, erlaube mir aber trotzdem einen kritischen Blick auf gewisse sinnvolle Grenzen. Ich könnte, von der reinen Ausstattung her, eine perfekte Darstellung eines Niugini (präzise: Stamm der Aseki) aus Papua Neuguinea auf die Beine stellen. Trotzdem würde diese Darstellung nicht das richtige Bild beim Betrachter vermitteln. Hat nichts mit meinem reinen Fachwissen oder den Realien zu tun, sondern schlicht damit, dass ich halt nun mal ein waitskin bin. Beim Begriff "sensibilisieren" bin ich immer genötigt, spontan zu fragen: "wofür?" bzw "wogegen?" Eine historische Darstellung soll für historische Sachverhalte sensibilisieren (wobei ich den Begriff hier unpassend finde), aber nicht für aktuelle soziologische Themen. Das kann dann gerne eine andere Plattform übernehmen, der ich mich auch gerne anschließe.
 
Überhaupt finde ich, dass weder Hautfarbe, sexuelle Orientierung noch Geschlechtsindentität der darstellenden Person für das Dargestellte relevant sein sollten. Hauptsache sollte eine gute Darstellung sein und die Fähigkeit und der Wille Wissen zu vermitteln, zu sensiblisieren und aufzuklären.
Jein. Bei der sexuellen Orientierung bin ich bei dir, die sieht man auch von außen nicht.Bei der Geschlechtsidentität schon nicht mehr, wenn sie von außen zu sehen ist. Und bei der Hautarbe auch nicht. Wenn bei der Farbe der Kleidung gemäkelt wird, dass die nicht zur dargestellten Zeit und Region passt, wieso sollte das dann plötzlich bei der Hautfarbe anders sein? Gesellschaftliche Moden hin oder her, ich bitte um Konsequenz. Ich bin jederzeit für unaufdringliche Gleichstellung und Toleranz, erlaube mir aber trotzdem einen kritischen Blick auf gewisse sinnvolle Grenzen. Ich könnte, von der reinen Ausstattung her, eine perfekte Darstellung eines Niugini (präzise: Stamm der Aseki) aus Papua Neuguinea auf die Beine stellen. Trotzdem würde diese Darstellung nicht das richtige Bild beim Betrachter vermitteln. Hat nichts mit meinem reinen Fachwissen oder den Realien zu tun, sondern schlicht damit, dass ich halt nun mal ein waitskin bin. Beim Begriff "sensibilisieren" bin ich immer genötigt, spontan zu fragen: "wofür?" bzw "wogegen?" Eine historische Darstellung soll für historische Sachverhalte sensibilisieren (wobei ich den Begriff hier unpassend finde), aber nicht für aktuelle soziologische Themen. Das kann dann gerne eine andere Plattform übernehmen, der ich mich auch gerne anschließe.
Da kann ich mit dem Beispiel der Samureigruppe 'Takeda' mit Sitz in Düsseldorf kontern, die Samurais im 16. Jhd in Japan dar. Sie haben Anfang der 2000er auf einem so hohen Niveau gearbeitet, dass sie regelmäßig zu musealen Veranstaltungen nach Japan eingeladen wurden. In den letzten Jahren ist es ruhig um sie geworden. Es ist schwierig, sowas zu schaffen, aber es geht.
 
Hinsichtlich der Hautfarbe muss ich - zumindest hier im Wikingerzeitlichen Kontext - intervenieren, @Panzerreiter. Grundsätzlich ist es bei einem derart weitreichenden Handels- und Raubzug-Netzwerk gut denkbar, dass auch Menschen afrikanischer Abstammung in den Norden gelangten. Sowohl als Sklaven, als auch als freie Menschen. Durch die Römer auch schon deutlich früher. Aus dem angelsächsischen Bereich sind beispielsweise für den Zeitraum von ca. 800 - 1.100 a.D. mehrere Gräber dokumentiert, in denen die bestatteten Personen deutliche Hinweise auf afrikanische Ursprünge zeigen. Passend dazu gibt es Ende des 9. Jahrhunderts einen Überfall der 'Nordmänner' auf Marokko mit der Gefangennahme von zahlreichen Sklaven, der sowohl in den marokkanischen, als auch in irischen Quellen erwähnt wird. Ein weiteres Beispiel finden wir in Hadrian, dem Abt von St. Augustin's in Canterbury (frühes 8. Jh.), der in zeitgenössischen Quellen als 'Mann afrikanischer Rasse' beschrieben wird. Auch die 'blá-maðr', die '(Blau-)Schwarzen Männer' in den Sagas. Im übertragenen Sinne als Männer mit schwarzer=dunkler/böser Gesinnung zu verstehen. Könnte man allerdings auch wörtlich nehmen, und auf die Hautfarbe beziehen. Zumal in der Egils-Saga auch noch Gesichtsmerkmale beschrieben werden, die gut auf einen afrikanischen Mann hindeuten könnten. Grundsätzlich wäre es also durchaus legitim und glaubwürdig, wenn ein dunkelhäutiger Mensch eine Wikingerdarstellung machen würde.
 
Mir war vollkommen klar, dass dieser Einwand kommen würde. Ja, theoretisch, unter Umständen und mit viel gutem Willen ist vieles möglich. Das kann man sich mit genügend Wohlwollen alles irgendwie hinbiegen. Allein: Der Wikingerkrieger, der ein Drittel seiner Ausrüstung auf dem Schlachtfeld gegen fremde Völker erbeutet, das zweite Drittel vom Uropa geerbt und das letzte Drittel von einem phönizischen Händler erstanden hat, ist seit Jahren eine Lachnummer in der Szene, obwohl man hier genau dieselben Argumente anwenden könnte, wenn man wollte. Da heißt es dann jedesmal stereotyp, man sollte sich an den belegten, sicheren Standard halten und keine abstrus herkonstruierten, wenngleich nicht völlig unmöglichen, Ausnahmen und Einzelfälle als Darstellung wählen. Hier wird, wie so oft, wieder mal vom Ergebnis her argumentiert. Wenn es politisch korrekt ist, dann gelten plötzlich all die Argumente, die in anderen Fällen als nicht relevant abgetan werden. Es wird stundenlang über den Sax des Karolingers debattiert, weil der in dieser Zeit eigentlich schon deutlich am Asulaufen ist und daher als Ausnahmefall gewertet werden muss, auf den in einer glaubwürdigen Darstellung verzichtet werden solle, weil er nicht dem statsitisch verbreitesten "Durchschnittskarolinger" entspricht. Analog die Mantelfibel, die eigentlich ein paar Jahrzehnte zu alt für die gewählte Darstellung ist, aber in Ermangelung eines realen Fundes, der goß genug ist, den schweren Mantel zu halten, einspringen muss. Da wird die Frisur bemängelt, weil lange Haare bei den Karolingern eigentlich out waren. Die Form der Rüstung wird akribisch hinterfragt, obwohl konkete Funde fehlen. Den schwarzafrikanischen Wikinger im Rollstuhl und mit Brillengläsern wie Colaflaschenböden dagegen hypen alle Anwesenden, weil er den Mut hat, so eine tolle Darstellung zu machen. Selbst wenn der einen Dekozweihänder aus Sevilla rumtragen würde. Ich kann mit dieser sozialpädagogisch verbrämten Wertebeugung nichts anfangen. Und nein, ich kenne die Takedas sehr wohl, ich bewundere ihre Ausrüstung und ihr Fachwissen, aber ich nehme ihnen den Samurai nicht ab. Auch wenn es sein mag, dass in der Realität vielleicht mal ein gestrandeter portugiesischer Seemann... Es ist und bleibt ein Unterschied, ob man Realien in einem musealen Kontext präsentiert und moderiert, oder ob man sich selbst als historisch halbwegs glaubwürdiges Gesamtexponat präsentiert, um ein überzeugendes Bild zu vermitteln. Im LARP gerne, auf dem klassischen MA-Markt auch. Als Exot, der die nationale Seele streichelt, weil er zeigt, wie sehr selbst in entfernten Ländern die eigene Geschichte bewundert und geachtet wird (das ist der Grund, aus dem m.M. nach die Takedas gerne mal nach Japan eingeladen werden) durchaus auch, dient der Völkerverbindung.
 
Der Wikingerkrieger, der ein Drittel seiner Ausrüstung auf dem Schlachtfeld gegen fremde Völker erbeutet, das zweite Drittel vom Uropa geerbt und das letzte Drittel von einem phönizischen Händler erstanden hat
Hab ich davon was geschrieben? Nicht dass ich wüsste.
Den schwarzafrikanischen Wikinger im Rollstuhl und mit Brillengläsern wie Colaflaschenböden
Davon übrigens auch nicht.
Wenn es politisch korrekt ist
Political correctness war nicht die Intention meines Beitrags.
Ich kann mit dieser sozialpädagogisch verbrämten Wertebeugung nichts anfangen.
Ich auch nicht. Aber spannend, dass Du das in meinen Beitrag rein interpretierst ;-)
Es ist und bleibt ein Unterschied, ob man Realien in einem musealen Kontext präsentiert und moderiert, oder ob man sich selbst als historisch halbwegs glaubwürdiges Gesamtexponat präsentiert, um ein überzeugendes Bild zu vermitteln.
Warum soll das ein Unterschied sein? Ich sehe in den beiden Aussagen keinen Widerspruch. Man hat immer irgendwelche Einzelfunde. Das macht die ganze Geschichte aber auch so spannend. Weil es eben deutlich zeigt, dass es nicht nur einen wischiwaschi-Einheitsbrei gab, bei dem alle gleich ausgesehen haben. Letzte Tage hatte ich hier einen Spielwürfel aus Bronze gepostet. Der ist - meines Wissens - für diese Zeit und diese Region einzigartig. Genau deswegen finde ich ihn toll. Allerdings sollte man sowas auch genau so präsentieren. Als singuläre Ausnahme, nicht als DEN Standard. Das wäre falsch. Aber auf einem Tisch zwischen hundert anderen Würfeln aus Horn und Bein darf durchaus auch ein Würfel aus Bronze liegen. Plus Erklärung dazu, warum da nur einer liegt. Das gleiche könnte man auch hervorragend für eine schwarzafrikanische Wikinger-Darstellung tun (sofern jemand sich dazu bemüssigt fühlt). Mit dem Hinweis, warum sowas aber eben nicht der Standard war. Dazu habe ich auf seriöse Quellen und Untersuchungen verwiesen. Kannst Du jetzt doof finden, weil an den Haaren herbei gezogen und politisch motiviert. Egal. Andere freuen sich aber vielleicht darüber, und finden sowas total spannend. Quellenstudium abseits des Mainstreams. Auch die weibliche Birka-Bestattung mit Männerklamotte und Waffen ist sehr speziell. Als konstruierten Beleg für das inflationäre Auftauchen von ominösen Schildmaiden ist sie kacke. Aber wenn sich jemand die Mühe macht, sauber die Hintergründe zu recherchieren, und wirklich viele Informationen dazu zusammen zu tragen, um die Darstellung glaubwürdig zu rekonstruieren - mega. Abschließend nochmal dieses Statement hier:
Den [...] Wikinger im Rollstuhl und mit Brillengläsern wie Colaflaschenböden
Echt? Körperliches Handicap und gute Darstellung schließen sich für Dich aus? Menschen mit viel Fachwissen und guter Rekonstruktion dürfen nicht präsentieren, weil sie Brille tragen müssen (da sie ohne Brille nix sehen, und Kontaktlinsen nicht vertragen), oder im Rolli sitzen (der zweifelsfrei als modernes Hilfsmittel erkennbar ist)? Hätte nen ziemlich doofen Beigeschmack, und verstehe ich hoffentlich nur falsch.
 
Warum soll das ein Unterschied sein? Ich sehe in den beiden Aussagen keinen Widerspruch.
Ich schon.
Man hat immer irgendwelche Einzelfunde. Das macht die ganze Geschichte aber auch so spannend. Weil es eben deutlich zeigt, dass es nicht nur einen wischiwaschi-Einheitsbrei gab, bei dem alle gleich ausgesehen haben.
Stimmt, und genau so sehe ich das auch. Aber ich bin nun mittlerweile 20 Jahre "im Geschäft" und in dieser Zeit habe ich lernen müssen, dass es eben gerade in der (selbsternannten) ersten Liga der LH-Szene andere anders sehen. Da magst Du nun vielleicht nicht dazu gehören, und falls ich dich da zu Unrecht touchiert habe, möchte ich mich dafür entschuldigen. Aber genau das von mir beschriebene Szenario kenne ich zur Genüge. Die eigenen Abweichungen werden mit Einzelfunden rechtfertigt, bei Abweichungen der anderen aber gelten Belegversuche mit Einzelfunden (bzw Einzelbelegen) als unseriös mit eben dem genannten Argument der Ausnahmedarstellung, wo man sich doch lieber an die viel besser, weil häufiger, belegten "Standarddarstellungen" halten solle, wenn man ein seriöses, authentisches Geschichtsbild vermitteln wolle. Das ist klassisches Messen mit zweierlei Maß und dagegen hab ich was.
Auch die weibliche Birka-Bestattung mit Männerklamotte und Waffen ist sehr speziell. Als konstruierten Beleg für das inflationäre Auftauchen von ominösen Schildmaiden ist sie kacke. Aber wenn sich jemand die Mühe macht, sauber die Hintergründe zu recherchieren, und wirklich viele Informationen dazu zusammen zu tragen, um die Darstellung glaubwürdig zu rekonstruieren - mega.
Genau so ein Fall wäre, da habe ich mich in den letzten Jahrzehnten mehrmals maßlos geärgert, auf einer der einschlägigen Veranstaltungen dermaßen zerrissen worden, der Betreffende wäre gar nicht dazu gekommen, seine Belege zu präsentieren. Der wäre schon im Vorfeld weggebissen worden. Wobei ich hier zu viel in Konjunktiven rede, mach ruhig Indikative draus.
Echt? Körperliches Handicap und gute Darstellung schließen sich für Dich aus?
Nein
und verstehe ich hoffentlich nur falsch
ja.
Menschen mit viel Fachwissen und guter Rekonstruktion dürfen nicht präsentieren, weil sie Brille tragen müssen (da sie ohne Brille nix sehen, und Kontaktlinsen nicht vertragen), oder im Rolli sitzen (der zweifelsfrei als modernes Hilfsmittel erkennbar ist)?
präsentieren schon. Siehe ganz oben, wo du den Unterschied nicht siehst, ich aber sehr wohl. Was mich nervt ist nicht, dass eine, nennen wir es politisch vorübergehend korrekt, körperlich gehandicapte Person eine gute Darstellung macht, sondern dass eine Darstellung automatisch gut ist, wenn sie eine köperlich gehandicapte Person macht. Weil es ob des sozialen Druckes niemand wagen würde, Kritik zu üben. Selbst wenn die Darstellung fachlich totale Kacke wäre, würde sich im Falle von an sich vollkommen berechtigter Kritik sofort eine Gruppe zusammenrotten, die den Kritiker steinigen würde. "Nur weil er im Rollstuhl sitzt muss doch seine Darstellung nicht schlecht sein!" "Äh, Verzeihung, sie ist schlecht, egal ob er da nun sitzt oder nicht." "Du hast wohl was gegen Behinderte!" ... Deshalb auch extra noch mein Verweis auf das Dekoschwert aus Sevilla. Das ist es, was mich nervt. Wenn political correctness in die Sachfragen Einzug hält. Aber
Political correctness war nicht die Intention meines Beitrags.
dann möchte ich da nichts gesagt haben. Zumindest Dir möchte ich dann nichs gesagt haben. Verzeihung. Aber im Rahmen der Vorgeschichte zu meinem Beitrag (sexuelle Orientierung, Geschlechteridentität, alles Themen, die für mich in diesem Zusammenhang vollkommen irrelevant sind und durch ihre bloße, m.E. nach überflüssige Nennung als Schlagworte der aktuellen gesellschaftlichen Debatte - wobei da nach meiner Beobachtung nicht wirklich ergebnisoffen debattiert, sondern eher dogmatisiert wird - mehr als einen Hauch von political correctness Geschmack eingebracht hatten) hatte ich eben den Eindruck, gewisse Vorgaben seien soziologisch bedingt. Zur Verdeutlichung: Würde mit diesem Fundzusammenhang (Bj 581) nun eine Darstellung als Schildmaid rechtfertigt, würde es, vollkommen zu Recht, heißen: das beweist gar nichts, das ist nur eine fantasievolle Interpretation, das ist vollkommen unbewiesen und damit unseriös. Wahrscheinlich würden amüsiert Begriffe wie "Vikings" fallen. Kommt aber plötzlich das Thema nichtbinär und so ins Spiel, wäre die Darstellung plötzlich mutig, interessant, nachdenkenswert.
Dazu habe ich auf seriöse Quellen und Untersuchungen verwiesen.
Ja, und genau darauf könnte ich auch zu der beschriebenen Lachnummer in jedem einzelnen Detail verweisen. Von den Erbstücken über die Beute bis hin zur Buddhastatue aus Jade. Ein Frankenkrieger mit Stachelhelm, Doppelaxt, Lederpanzer? Wie aus dem übelsten Fantasy-LARP? Kein Problem, kannste als Einzelstücke alles seriös belegt haben. Mir würden aber die Ohren klingeln ob dem, was da hinter meinem Rücken gelästert würde.
 
Was wäre das schön könnten wir den jeweils aktuellen Zeitgeist aus dem Hobby heraus halten. Diese ewige "etwas hinein interpretieren" ist müßig da wir die damalige Intention warum etwas genau so gemacht wurde nicht kennen. Beispiel der Oseberg Bestattungen. Wir können nur mutmaßen wer die Frauen auf dem Schiff waren, welche Funktion oder Status sie hatten, tatsächliches Wissen fehlt uns trotz aller Forschung immer noch. Beispiel Glauberg, keltische Grabfunde aus dem 5. Jhdt v. Chr. Ein bestatteter Mann wird als "Fürst" bezeichnet, doch ist es mehr als fraglich ob die Kelten ein derartig wertendes Herrschaftssystem überhaupt kannten. Wissen wir nicht, der "Fürst" wird mittlerweile eher als Druide(?) interpretiert. Was der Mann wirklich war wissen wir nicht. In allem können wir uns nur auf die Forschung stützen und müssen interpretieren. Selbst die muss unbedingt unter dem damaligen Bedingungen betrachtet werden. Gefährlich wird es wenn politischer Zeitgeist in die Forschung bzw der Interpretation der Ergebnisse einfließt. Diese Diskussion hier entwickelt sich in diese wenig zielführende Richtung. Sie dreht sich im Kreis.
 
Da ich die Diskussion durchaus sehr interessant finde, habe ich mal einen extra Thread dafür eröffnet und lade euch ein, dort weiter zu diskutieren: Crossdressing und Darstellung anderer Ethnien im Living History
Genauer gesagt soll es an dieser Stelle um Darstellungen gehen, bei denen das physische Äußere des Darstellers vom charakteristischen Aussehen der dargestellten Figur abweicht, insbesondere um die Darstellung einer Figur eines anderen biologischen Geschlechts (z.B. Frau stellt eine Männerrolle dar oder umgekehrt) oder Darstellung einer Figur einer anderen Ethnie (z.B. Mitteleuropäe stellt einen mongolischen Reiter, einen Samurai oder Indianer dar).
 
Ich habe meine eigene Grundregel verletzt, beim Auftauchen von Reizwörtern nicht sofort zu antowrten, sondern erst eine Nacht darüber zu schlafen. Habe unnötigerweise überreagiert und bitte um Verzeihung. Ich kann nachvollziehen, wenn meine Meinung diesbezüglich von anderen nur schwer zu verstehen ist, aber sie ist über 20 Jahre durch unangenehme Erlebnisse, die auch, aber nicht nur im Bereich des Hobbys lagen, gewachsen.
 

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