Eigentlich wäre es doch ganz einfach?
Nur aus der Sicht
einer Seite. Betrachtet man die ganze Situation, ist es alles andere als einfach. Die "Einfachheit", die sich jeweils eine Seite, sei es die der Symbolbenutzer, sei es die der Symbolgegner, vorstellt, besteht darin, dass die jeweils andere Seite ihr Recht gibt. Um nun vielleicht ein wenig zu verstehen, weshalb das der jeweils anderen Seite so schwer fällt, müsste man sich einmal in ebenjene Seite hineinversetzen und dazu fehlt entweder die Befähigung oder der Willen. Das geht soweit, dass es unmöglich ist, eine neutrale Haltung einzunehmen, weil man dann von der Seite, die man nicht unmissverständlich unterstützt (also beide) instantan und reflexartig in die jeweils andere Ecke gedrängt wird.
Warum schaffen es so wenige, mal zuzuhören und in Erwägung zu ziehen das die Living History - Szene evtl. ein "Problem" hat?
Das aber ist eben kein Problem der Living-History-Szene, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem. Diese Gesellschaft ist schlicht unfähig, Meinungsverschiedenheiten sachlich zu diskutieren genauso wie sie unfähig ist, andere Ansichten, die nicht den eigenen entsprechen, einfach mal gelten zu lassen bzw zu tolerieren. Zuhören können erfahrungsgemäß
beide Seiten nicht. Wobei diejenigen, die immer wieder forden, man müsse doch auch mal zuhören, gerade diejenigen sind, die dann auf der Demo die Sprecher der andern mit Trillerpfeifen niederlärmen. Wie der SozPäd, der andere in bester Wolfsprache anpflaumt, sie sollten gefälligst Giraffensprache verwenden.
Wenn die LH-Szene ein Problem hat, dann ist es nicht größer als das in der gesamten Gesellschaft. Es gibt die Ultralinken und es gibt die Ultrarechten, beide diskussionsunwillig und verhärtet. Aber es gibt auch eine Menge Leute dazwischen. Der Graubereich, mit dem dieses Volk einfach nicht umgehen kann. Wer Ballerspiele spielt, der läuft Amok, wer Waffen besitzt, der schießt Leute über den Haufen, wer pädophil ist, der vergewaltigt auch kleine Kinder. Und wer sich irgendetwas auf den Schild pinselt, das auch nur entfernt an ein auch von den Nazis verwendetes Symbol erinnert, der ist rechtsradikal. Es ist doch alles so einfach. So oberflächlich. Was die Gesellschaft dabei aber schon seit Jahrzehnten ignoriert ist der Umstand, dass durch solcherart Vorverurteilung der dergestalt geschasste Graubereich erst recht in die Fänge der anderen Extremseite bzw in die Illegalität getrieben wird. Was genau soll den nun das so fürchterliche Problem an den Schildbemalungen sein? Dass es keinen Beleg dafür gibt? Warum dann die Aufregung? Es gibt für so vieles, das die Leute im Hobby herumtragen, keinen Beleg, auch innerhalb der Authentikszene nebenbei erwähnt. Nur wird dort in eigener Sache viel wohlwollender argumentiert. Oder dass sie, mit genügend Fantasie, an rechte Symbolik erinnern können? Dann wundere ich mich, wie mutwillig weit hier die Grenze bisweilen gezogen wird. Was hat bitte der vielgescholtene Thorshammer jetzt mit den Nazis zu tun? Egal, um wessen Hals er hängt. Wenn wir jedes Symbol, das von den Nazis oder der SS oder irgendeiner anderen einschlägigen Organisation brauner Färbung verwendet wurde, ächten, dann wird es selbst um unser halbes Alphabet dünn! Die Diskussion springt hier willkürlich. Zwischen Beleglage und mögicher rechter Nähe. Auch dies ist unredlich. Es geht um Hakenkreuze, nicht um Thorshämmer, nicht um Triskeln und nicht um Keltenkreuze. Nicht belegt hat noch lange nichts mit rechts zu tun.
warum verwenden viele aus der Szene solch unglaubliche Energie darauf Erklärungen abzugeben, sich zu rechtfertigen [...]
Ganz einfach: Weil man sie dazu zwingt! Weil die Argumentation der Rechtgläubigen (also in diesem Falle der Linksgläubigen) ihrerseits nicht authentisch ist. Weil hier ebenfalls vorgeschobene Argumente benutzt werden, um sich um das eigentliche Problem herumzumogeln. Warum sagt der Symbolgegner nicht ganz ehrlich: "Ich mag Deinen Schild nicht, weil er ein Symbol trägt, das ich nicht gerne sehe, da es mich an eine dunkle Zeit erinnert."? Und dann wäre es wünschenswert wenn sich der Erinnerte Gedanken machte, warum ihn das Symbol erinnert. Und an was. Und ob zu Recht. Den Symbolbenutzern wurde auch hier im Thread mehrfach vorgeworfen, ja nur nachzuplaudern, zu kopieren, nicht selbst recherchiert zu haben. Das mag auch sein. Aber auch auf der anderen Seite wird oft nur nachgeplaudert, kopiert, nicht selbst hinterfragt. Wäre die Empörung, die Besorgnis, der Eifer auch da, wenn man
nicht eine bestimmte Broschüre gelesen hätte? Wenn nicht ein repektierter oder befreundeter Dritter einen "sensibilisiert" hätte? Viele Symbolträger hängen nur am Meinungstropf anderer und viele Symbolgegener genauso. Der Griff an die eigene Nase, die Aufforderung zum kritischen Hinterfragen, das alles gilt immer nur für die Gegenseite. Es wird in der gesellschaftlichen Diskussion regelmäßig der Satz bemüht "Deine Freiheit hört da auf, wo meine anfängt". Dieser Satz ist, egal wie oft und von wem er bemüht wird, vor allem eines: Ganz großer Bullshit. Weil er offen lässt, wo genau "meine Freiheit" anfängt. In Wahrheit kann nämlich jeder in diesen Satz seine ganze eigene faschistoide Egozentrik hineinpacken, wenn er seine Freiheit direkt vor der Nasenspitze des Anderen beginnen lässt. Warum, so könnte ich auch die andere Seite fragen, verwenden viele aus der Szene solch unglaubliche Energie darauf, Erklärungen abzugeben, Leute zu attackieren und in die Rechte Ecke zu rücken? Ich bin lange genug im Geschäft, um die Beigeschmäcker dieser Diskussion mitbekommen zu haben. Die Intrigen, in denen dieses Thema allein dazu diente, unliebsame Konkurrenz zu diskreditieren. Sich selbst zu erhöhen, sich Einfluss und Anerkennung zu verschaffen. Man kann in diesem Land die größte Pfeife sein, solange man nur gegen Rechts, gegen Kinderpornografie und für Sicherheit ist. Das genügt vollauf um politischen und gesellschaftlichen Erfolg zu haben. Und das haben einige Leute auch durchaus erkannt und nutzen es. Ob diverse politische Parteien, für deren Ablehnung ich ja bekannt bin oder Vereine, Gruppierungen, Lobbygruppen, die sich damit automatisch über jede mögliche Kritik erheben und unangreifbar machen. Das hatten wir alles schon mal, nur mit umgekehrten Vorzeichen, anderen Opfern, konträrer Propaganda. Und deshalb ist es heute nicht besser sondern genauso niederträchtig wie damals. Auch wenn es keiner sieht oder sehen will. Freilich gibt es Leute mit rechtslastiger Gesinnung in der Szene, wie im Rest der Gesellschaft auch. Kriege ich sie weg, indem ich auf ihren Symbolen herumhacke? Ganz klar: nein. Wozu also der Eifer? Darf ich sie überhaupt wegkriegen, wenn ich mich schon vollmundig zu einer freiheitlichen Haltung bekenne? Darf jemand nicht nett und umgänglich sein, bloß weil er ein Sonnenrad auf dem Schild hat? Die oft genug willkürlichen Assoziationen stören mich, die Agitation, die sich selber legitimiert, sich selber als "gut" und auf der richtigen Seite definiert. Dahinter steckt der gleiche Geist, der Rothaarige auf den Scheiterhaufen, Juden ins KZ und Schwule ins Zuchthaus gesteckt hat. Wann immer jemand andere Leute kriminalisiert, dämonisiert oder sonstwie gesellschaftlich ausgrenzen will, ist hochgradig Skepsis angebracht.